Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 379
Die Anwendung des Teilungsabkommen kann dagegen bei Vorliegen eines sog. Groteskfalls entfallen. Insoweit ergibt sich ein Schutz der Versicherer vor einer uferlosen Ausweitung der Teilungsabkommen zu ihren Lasten daraus, dass auch diese Abkommen der allgemeinen Regel des § 242 BGB unterstehen. Dieser würde es z.B. widersprechen, wenn der Haftpflichtversicherer aus einem solchen Teilungsabkommen auch für Schadensfälle in Anspruch genommen würde, bei denen es schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherten gar nicht infrage kommt. Ein derartiger Groteskfall liegt vor, wenn ein Verletzter unter den gegebenen Umständen gar nicht auf den Gedanken käme, den Haftpflichtversicherer oder seine Versicherung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich somit um Fälle, bei denen die Einbeziehung des Schadensereignisses in die Eintrittsregelung mit dem Grundgedanken des Teilungsabkommen schlechthin unvereinbar wäre.
Rz. 380
Gemeint ist allerdings nicht der Fall, in dem es bereits offensichtlich an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und dem versicherten Wagnis fehlt. Hier handelt es sich um den Einwand des Haftpflichtversicherer, keine Deckung aus dem Versicherungsvertrag gewähren zu müssen.
Rz. 381
Es geht auch nicht um diejenigen Fälle, in denen die Haftung des Versicherungsnehmers des Haftpflichtversicherers unstreitig entfällt. Diesen stehen nämlich andere gegenüber, in denen der Versicherungsnehmer zu 100 % haftet. Gerade diese unterschiedlichen Fallgestaltungen (Haftungsgestaltungen) sollen nach den Vorstellungen der Beteiligten vom Teilungsabkommen erfasst und abgewickelt werden. Dies ist auch Auffassung des Bundesgerichtshofs, der z.B. den Anspruch aus dem Teilungsabkommen auch in solchen Fällen bejaht, in denen sich der Haftpflichtversicherer für seinen Versicherungsnehmer auf das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses berufen könnte. Nur auf ganz wenige Ausnahmefälle begrenzt kann insoweit ein Verstoß gegen § 242 BGB geltend gemacht werden. Es muss sich – mit anderen Worten – um ein Schadensereignis handeln, dessen Einbeziehung in die Erstattungsregelung mit dem Grundgedanken des Teilungsabkommen schlechthin unvereinbar wäre.
Rz. 382
Beim Groteskfall ist der Zusammenhang mit dem versicherten Wagnis (äußerer Zusammenhang) zwar zu bejahen. Andererseits muss aber aus Gründen des Haftpflichtrechts eine Erstreckung des Teilungsabkommen auf diese Fälle unzumutbar und treuwidrig erscheinen.
Rz. 383
Der Bundesgerichtshof sah den "Groteskfall" als gegeben an, "wenn schon aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unzweifelhaft und offensichtlich ist, dass eine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherers gar nicht infrage kommt" und man annehmen kann, dass bei Wegdenken des Teilungsabkommen auch ein noch so verwegener Anspruchsteller gar nicht auf den Gedanken kommen würde, aufgrund dieses Falles eine Klage gegen den Schädiger zu erheben.
Rz. 384
Weitere Rechtsprechung:
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Wird ein Fußgänger beim Überqueren der Straße von einem Kraftfahrzeug angefahren und verletzt, so tritt keine Abkommenshaftung des Versicherers des Taxis ein, das der Fußgänger zu erreichen versucht hatte. Zwischen dem Hinbewegen zum Taxi und dem sich aus dem Gebrauch des Taxis ergebenden versicherten Risiko besteht, wenn überhaupt, nur ein loser, äußerer Zusammenhang. |
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Das verkehrsgerechte Parken eines Pkw auf einem Seitenstreifen außerhalb der Fahrbahn ist nicht adäquat ursächlich für Verletzungen eines Mopedfahrers, der 20 m entfernt in Fahrbahnmitte mit einem anderen Fahrzeug zusammenstößt und dadurch gegen den parkenden Pkw geschleudert wird. |
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Ansprüche des Fahrers gegen den Halter des gefahrenen Pkw: Fahrer kommt durch selbst verschuldeten Unfall mit dem mangelfreien und verkehrssicheren Pkw eines anderen zu Schaden. Keine Anwendung des Teilungsabkommen mit dem Pkw-Versicherer, weil unzweifelhaft und offensichtlich eine Halterhaftung schlechthin ausgeschlossen ist. |
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Wenn der Überholende nach Abschluss des Überholvorgangs weiter auf der linken Spur bleibt und dort mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt, besteht zwischen dem Überholvorgang und der folgenden Kollision nur ein äußerer Zusammenhang. Unzweifelhaft und offensichtlich keine Haftung des Überholenden. |
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Bricht ein alkoholbedingt fahruntauglicher Kraftfahrer ein Überholmanöver wegen zu später Erkennung des Gegenverkehrs ab und gerät er infolge einer Fehlreaktion ins Schleudern, so kann der Haftpflichtversicherer des zu überholenden Fahrzeugs nicht auf Grundlage eines Rahmenteilungsabkommens mit dem Krankenversicherer des alkoholisierten Fahrers für Verletzungsschäden in Anspruch genommen werden. Es liegt ein sog. Groteskfall vor. |
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Hochrisikobehaftetes Verkehrsverhalten eines Verkehrsteilnehmers bis an die Grenze der bewussten Selbstgefährdung. |