Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 425
SGB X § 117 Schadensersatzansprüche mehrerer Leistungsträger
Haben im Einzelfall mehrere Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist in den Fällen des § 116 Abs. 2 und 3 der übergegangene Anspruch auf Ersatz des Schadens begrenzt, sind die Leistungsträger Gesamtgläubiger. Untereinander sind sie im Verhältnis der von ihnen erbrachten Sozialleistungen zum Ausgleich verpflichtet. Soweit jedoch eine Sozialleistung allein von einem Leistungsträger erbracht ist, steht der Ersatzanspruch im Innenverhältnis nur diesem zu. Die Leistungsträger können ein anderes Ausgleichsverhältnis vereinbaren.
I. Grundlagen
Rz. 426
§ 117 SGB X knüpft an die zu § 1542 RVO a.F. ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, der in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass in der normierten Fallgestaltung Gesamtgläubigerschaft anzunehmen war. Die Vorschrift dient der Beschleunigung und letztlich, aus der Sicht des Schuldners, der Vereinfachung des Regresses. Hinsichtlich der Sätze 2 bis 4 geht es um eine die jeweiligen tatsächlichen Belastungen der Leistungsträger berücksichtigende Aufteilung.
Rz. 427
Reicht der Schadensersatzanspruch nicht aus, um die kongruenten Leistungen mehrerer Leistungsträger im Einzelfall (z.B. nach einem Unfall erbringen Unfallversicherungsträger (UVT) und Rentenversicherungsträger (Rentenversicherungsträger) Rentenleistungen) zu decken, sind sie Gesamtgläubiger. S. 1 der Vorschrift verweist hierzu auf § 116 Abs. 2 SGB X (Haftungshöchstgrenze) und auf § 116 Abs. 3 (Mithaftung).
Rz. 428
Der gesetzgeberischen Zweck- und Zielvorstellung folgend muss § 117 SGB X auch dann entsprechende Anwendung finden, wenn die beteiligten Leistungsträger trotz 100 v.H. Haftung an einem Ersatzanspruch konkurrieren, der geringer ist als die gleichzeitig erbrachten kongruenten Leistungen der Träger (abstrakte Verletzten- und Berufsunfähigkeitsrente einerseits, zivilrechtlicher Erwerbsschaden andererseits). Insoweit enthält die Vorschrift eine planwidrige Regelungslücke, welche die entsprechende Anwendung des § 117 SGB X gebietet. Auch im Bereich des § 116 Abs. 4 SGB X erscheint § 117 SGB X hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Restschadens – nachdem sich der Geschädigte vorrangig befriedigt hat – anwendbar.
II. Anwendungsbereich
Rz. 429
Leistungsträger sind die Sozialversicherer, und zwar die gesetzliche Krankenkasse (§ 21 SGB I), die gesetzliche Unfallversicherung (§ 22 SGB I) und die gesetzliche Rentenversicherung einschließlich der Altershilfe für Landwirte (§ 23 SGB I). Ihnen gleichgestellt ist durch gesetzliche Anordnung (§ 116 Abs. 1 SGB X) der Träger der Sozialhilfe (§ 28 SGB I). Weiterhin ist auch die Bundesagentur für Arbeit ausweislich des § 116 Abs. 10 SGB X in den Kreis der Sozialversicherungsträger miteinbezogen. Seit dem 1.1.1995 sind überdies die Pflegekassen als Träger der sozialen Pflegeversicherung (§ 21a SGB I) zu berücksichtigen.
Rz. 430
Nicht zu den Leistungsträgern (Sozialversicherungsträger) zählen die Versorgungsverwaltung (§ 24 SGB I) und der Dienstherr im Sinne des Beamtenrechts. Eine Anwendung des § 117 SGB X auf diese kann nur in Betracht kommen, soweit sie zusammen mit dem Sozialversicherungsträger an dem übergegangenen Ersatzanspruch konkurrieren. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn die Krankenkasse im Auftrag und auf Kosten des Versorgungsträgers eine Heilbehandlung nach § 18c BVG durchführt. Sozialversicherungsträger und Versorgungsverwaltung konkurrieren aus Rechtsgründen nicht an der Ersatzforderung des Geschädigten, sodass es zu keiner Gesamtgläubigerschaft kommen kann.
III. Einzelfragen
Rz. 431
Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB tritt nur dann ein, wenn die Ersatzforderung gleichzeitig auf die Sozialversicherungsträger übergegangen ist. Jeder Gesamtgläubiger ist berechtigt, den gesamten Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen geltend zu machen und einzuklagen. Sofern einer der Gesamtgläubiger die Klagefrist des Art. 12 Abs. 3 NATO-Truppenstatutgesetz versäumt, kann der andere den Schaden (hier § 12 StVG) voll ausschöpfen. Wenn hier überhaupt eine Ausgleichspflicht vorliegt (§ 430 BGB, § 117 S. 2 SGB X), dann allenfalls hinsichtlich des "Mehrbetrags", den der nicht säumige Sozialversicherungsträger wegen der Säumnis des anderen erlangt hat. Muss sich ein...