Rz. 328

Die Vorschrift regelt für die nicht stationäre Behandlung ein Wahlrecht des Sozialversicherungsträgers zwischen pauschalierter Regressforderung oder genauer Abrechnung (vgl. den Gesetzeswortlaut: "Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach …"). Die Pauschale umfasst die ambulante (nicht stationäre) Behandlung (§§ 27 Abs. 1 Nr. 1, 28 SGB V, § 28 SGB VII), Arznei- und Verbandsmittel (§ 31 SGB V, § 29 SGB VII), aber auch die nicht stationär erfolgende Notfallbehandlung im Krankenhaus.[412]

 

Rz. 329

Pauschalierungsfähig sind auch die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung, Kosten einer ambulanten Krankenhausbehandlung, Kosten einer ambulanten Zahnarztbehandlung, Kosten geringeren Ausmaßes für orthopädische und sonstige Hilfsmittel. Es erfolgt keine Pauschalierung der Transportkosten zur stationären Behandlung im Krankenhaus,[413] Kosten für Aufenthalte in Kur- und Spezialkliniken, Kosten für Haus- und Anstaltspflege (z.B. § 44 SGB VII), Kosten größeren Umfangs für Hilfsmittel usw. (z.B. Krankenfahrstuhl, Blindenführhund, Neuanschaffung von Prothesen usw.).

 

Rz. 330

Durch die eindeutige Fassung der Vorschrift ("je Schadensfall") hat sich der Streit erledigt, ob die Pauschale für den haftungsrechtlichen Schadensfall insgesamt gilt oder darüber hinaus sich eventuell wiederholend für den sozialversicherungsrechtlichen Leistungsfall. Kosten einer Wiedererkrankung werden also von der zuvor gewählten Pauschalierung miterfasst.[414]

 

Rz. 331

Die Sozialversicherungsträger können an Stelle der Pauschalierung für ambulante Kosten die tatsächlichen Aufwendungen in Rechnung stellen. Dies ist z.B. bei den Berufsgenossenschaften, anders als bei den gesetzlichen Krankenkassen, übliche Praxis.[415] Neben den tatsächlichen Kosten kann die Pauschale nicht zusätzlich abgerechnet werden. Hat der Schädiger die Pauschale gezahlt, ist der Anspruch auf Ersatz ambulanter Heilbehandlungskosten insgesamt erfüllt (§ 362 BGB). Eine Nachforderung unter Anrechnung der Pauschalsumme ist nicht möglich.[416] Wird trotz Vorbehalt einer späteren Nachberechnung (z.B. "höhere tatsächliche Aufwendungen werden nachberechnet") die Pauschale gezahlt, ist eine Nachforderung möglich.[417] Eine andere Frage ist, ob der Vorbehalt dem Schädiger nicht Anlass gibt, die Zahlung der Pauschale zu verweigern. Der Ersatzanspruch wird nämlich erst dann nach Ausübung des Wahlrechts fällig.[418]

 

Rz. 332

Kommt es zu einem Zuständigkeitswechsel der Krankenkassen (z.B. Wohnsitzwechsel), ist die zweite Kasse Rechtsnachfolgerin der ersten.[419] Der Ersatzanspruch der Rechtsnachfolgerin ist daher mit allen Einreden behaftet, die während der Zuständigkeit der ersten Kasse entstanden sind. Hat die erste Kasse die Pauschale abgerechnet, so kann die zweite Kasse nicht erneut die Pauschale oder tatsächlichen Kosten geltend machen. Anders liegt dagegen der Fall, wenn die Berufsgenossenschaft nach der Krankenkasse einzutreten hat (§ 565 RVO a.F., aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.1991, bei gleichzeitigem Leistungsausschluss der Ansprüche gegen die Krankenkasse bei Arbeitsunfall und Berufskrankheiten – vgl. auch § 11 Abs. 4 SGB V) oder wenn z.B. der Sozialhilfeträger nach Beendigung des Krankenversicherungsschutzes (§ 192 SGB V) eintrittspflichtig wird. In diesen Fällen besteht keine Rechtsnachfolge, sodass der danach eintretende Sozialversicherungsträger oder der Sozialhilfeträger nicht auf die Pauschalierung verwiesen werden kann.[420]

 

Rz. 333

Ist die Haftungssumme nach § 116 Abs. 2 SGB X begrenzt, so ist die Pauschale zu kürzen (vgl. Rdn 263 ff.). Auch hier gilt vorrangig die Befriedigung des beim Verletzten entstandenen Gesamtschadens. Trifft den Verletzten ein Mitverschulden, so ist nach § 116 Abs. 3 SGB X zu verfahren, wonach die Pauschale zu kürzen ist (sog. relative Theorie; vgl. Rdn 270 ff.). Ebenso sind die Abs. 4–6 anzuwenden, obwohl diese in Abs. 8 nicht ausdrücklich genannt sind.

 

Rz. 334

Der Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung[421] spielte bei der Pauschalierung nach dem § 1542 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 RVO a.F. eine große Rolle. Voraussetzung war, dass aus der Pauschalierung ein grob unbilliges Ergebnis folgt. Dies war insbesondere der Fall, wenn die pauschalierten Kosten erheblich über denen einer privatärztlichen Behandlung lagen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hat an Bedeutung verloren, weil die Berechnungsgrundlage in Abs. 8 herabgesetzt wurde. Zwar kann auch jetzt noch eine Differenz zwischen Pauschale und fiktiver Privatbehandlung bestehen. Es fehlt aber die für den Einwand des Rechtsmissbrauchs erforderliche "beträchtliche" Differenz.

 

Rz. 335

Die Pauschale berechnet sich nach der jährlich bekannt gegebenen (Bundesanzeiger) Bezugsgröße im Sinne von § 18 SGB IV. Sie orientiert sich am durchschnittlichen Arbeitsentgelt aller Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung und wird gesondert nach dem Bundesgebiet West und Ost jährlich festgelegt und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Rechtsverordn...

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