I. Absolute Fahruntüchtigkeit
1. 1,1 ‰ ohne Fahrfehler
Rz. 20
Der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit ist nicht vom Gesetz vorgegeben, sondern wird von der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Wissenschaft bestimmt.
Rz. 21
Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ ist jeder Kraftfahrer absolut fahruntüchtig, ohne dass es auf Fahrfehler ankäme oder die Möglichkeit des Gegenbeweises bestünde (BGH zfs 1990, 285). Die Herabsetzung der Grenze durch die Rechtsprechung ist verfassungsgemäß (BVerfG NJW 1990, 3140), auch mit der den Tatrichter bindenden und jeden Gegenbeweis ausschließenden Festlegung (BVerfG NZV 1995, 76).
Achtung: Absoluter Wert
Es handelt sich nach gefestigter Rechtsprechung um einen absoluten Wert, der auch dann nicht herabgesetzt werden kann, wenn zu einem nahe an 1,1 ‰ heranreichenden Wert noch illegale Drogen hinzukommen (KG BA 2012, 46).
2. Alkoholmenge im Körper
Rz. 22
Absolute Fahruntüchtigkeit liegt schon dann vor, wenn der zu 1,1 ‰ führende Alkohol erst später in das Blut überging, bei der Fahrt aber schon im Körper war (= "Anflutungsphase", BVerfG NZV 1995, 76). Diese Rechtsprechung hatte der BGH zur Abwehr der Sturztrunkbehauptung entwickelt (BGHSt 25, 243).
3. Grenzwert für alle Kfz-Führer
a) Allgemeines
Rz. 23
Der Grenzwert gilt für alle Kraftfahrzeugführer:
b) Abgeschleppte Fahrzeuge
Rz. 24
Der Grenzwert gilt auch für den Fahrer eines abgeschleppten, betriebsunfähigen Pkw (BGH NZV 1990, 157).
c) Motorräder, Mopeds und Mofas
Rz. 25
Der Grenzwert gilt selbstverständlich auch für Kraft- und Motorräder, aber auch für Mopeds und Mofas (BGHSt 30, 251; OLG Hamm DAR 2002, 465), wobei der BGH die im Hinblick auf die schwere Beherrschbarkeit solcher Fahrzeuge verschiedentlich geforderte Herabsetzung des Grenzwertes wiederholt abgelehnt hat (BGHSt 22, 352).
d) Leichtmofas
Rz. 26
Umstritten ist, ob für den Fahrer eines Leichtmofas der Grenzwert für Radfahrer (1,6 bzw. 1,7 ‰) oder der für Mofafahrer gilt. Das LG Oldenburg (DAR 1990, 290) setzt Leichtmofafahrer Radfahrern gleich und wendet den für diese geltenden absoluten Wert an.
e) Pedelec, E-Bike sowie Elektroroller
Rz. 27
Ob ein Pedelec oder ein E-Bike als Kraftfahrzeug, für das dann auch die absolute Promillegrenze gilt, einzuordnen ist hängt von der Stärke des unterstützenden Antriebes ab. Auch wenn sie über eine über die Definition als Kraftfahrzeug liegende Anfahr- oder Schiebehilfe verfügen sind sie, wie der Gesetzgeber 2013 klargestellt hat (BGBl. I 1558) dann keine Kraftfahrzeuge, wenn sie mit einer maximalen Nenndauerleistung von 250 Watt ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen von 25 km/h oder beim Abbruch des Mittretens entfällt (OLG Hamm DAR 2013, 712; NZV 2014, 482). Das Pocket-Bike mit seinem stärkeren Antrieb ist dagegen als Kraftfahrzeug einzustufen (OLG Dresden DAR 2014, 396).
Ein Elektroroller ist dagegen ein Kraftfahrzeug (AG Lübben NJW 2018, 530).
f) Fahrräder
Rz. 28
Für Radfahrer galt früher ein Grenzwert von 1,7 ‰ (BGHSt 34, 133). Ob dies auch noch nach der BGH-Entscheidung, die die absolute Grenze für Kraftfahrzeuge auf 1,1 ‰ reduzierte, der Fall ist, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Rz. 29
Die meisten Gerichte haben nach der Herabsetzung des Grenzwertes für Kraftfahrzeugführer auch den für Fahrradfahrer geltenden Grenzwert auf jetzt 1,6 ‰ reduziert (BayObLG zfs 1992, 175; OLG Zweibrücken NZV 1992, 373; OLG Hamm DAR 1993, 152; OLG Karlsruhe DAR 1997, 456). Die Annahme eines höheren Grenzwertes müsste der Richter ausführlich begründen (KG NZV 2017, 587; AG Berlin-Tiergarten BA 55 [2018] 312).
Zwischenzeitlich gibt es starke Bestrebungen, den absoluten Grenzwert auch für Fahrradfahrer auf 1,1 ‰ herunterzusetzen.
g) Motorisierte Krankenfahrstühle
Rz. 30
Der Grenzwert gilt auch für motorisierte Krankenfahrstühle (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 FeV), die nach dem Pflichtgesetz zu versichern und damit gem. § 26 Abs. 1 S. 1 der FZV mit einem Versicherungskennzeichen zu versehen sind (OLG Nürnberg zfs 2011, 228).
h) Schifffahrt
Rz. 31
Die Auffassung des OLG Brandenburg (NStZ-RR 2002, 222) und des AG Rostock (NZV 1996, 124), wonach der absolute Grenzwert von 1,1 ‰ auch für Führer eines Schiffes oder Bootes geltend soll, wird von der überwiegenden Rechtsprechung nicht geteilt, absolute Fahrunsicherheit eines Schiffsführers wird vielmehr erst bei deutlich höheren Werten (2,5 ‰ Schifffahrtsobergericht Berlin VRS 72, 111 oder 1,7 ‰ OLG Köln BA 1990, 380) angenommen, wobei das Landgericht Kiel (NZV 2007, 160) zwar bei 2,5 ‰ auch absolute Fahrunsicherheit bejaht, aber offen lässt, ob nicht bereits auch deutlich niedrigere Werte ausreichen.
i) Pferdekutsche
Rz. 32
Nach (bedenklicher) Auffassung des OLG Oldenburg (DAR 2014, 397) handelt es sich bei einer Pferdekutsche um ein Fahrzeug im Sinne des § 316 StGB bzw. § 24 OWiG, für dessen Führer der absolute Grenzwert gilt.
j) Schienenfahrzeuge
Rz. 33
Der Grenzwert gilt aber nicht für den Führer eines Schienenfahrzeuges (BayObLG NZV 1993, 239).
II. Relative Fahruntüchtigkeit
Rz. 34
Tipp: Notwendige Urteilsgründe
Zu den für die Annahme der relativen Fahruntauglichkeit notwendigen Urteilsfeststellungen (BayObLG DAR 2003, 428; LG Bonn DAR 2013, 38).
1. Ab 0,3 ‰
Rz. 35
Relative Fahruntüchtigkeit kommt ab 0,3 ‰ (BGH VRS 49, 429; OLG Köln zfs 1991, 33) – nicht jedoch (LG Hamburg DAR 2003, 575) bzw. ...