Rz. 182
Nach dem damaligen Stand der Wissenschaft musste der Gesetzgeber von der verkehrsrelevanten Wirkung jeder, auch noch so geringen, im Blut nachweisbaren Menge Drogen ausgehen, denn damals stimmten noch Wirkungs- und Nachweisdauer überein.
Mit dem technischen Fortschritt ist in der Zwischenzeit die Verkehrsmedizin jedoch in der Lage, bei der Blutuntersuchung einen positiven Drogenbefund selbst dann noch festzustellen, wenn der Konsum schon längere Zeit zurückliegt und deshalb von der Möglichkeit der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann (bildlich gesprochen ist die Wissenschaft heute in der Lage, ein Stück Zucker im Bodensee nachzuweisen).
Rz. 183
Heute kann deshalb vor allem bei geringen Mengen nicht mehr von der Identität der Nachweis- mit der Wirkungszeit ausgegangen werden, d.h. je nach Ausstattung des Untersuchungslabors können geringe Mengen Drogen im Blut noch zu einem Zeitpunkt festgestellt werden, in dem schon längst keine verkehrsrelevante Wirkung mehr besteht, weshalb eine Verurteilung gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstieße. Das Verfassungsgericht lässt demgemäß beim Nachweis lediglich geringer Mengen Drogen (es bezeichnet bei Hasch bis 1 ng/ml als geringe Menge) eine Verurteilung nicht mehr zu (BVerfG DAR 2005, 70; zfs 2005, 149). Das gilt auch dann, wenn angeblich rauschmittelbedingte Ausfallerscheinungen vorgelegen haben (OLG Jena NZV 2014, 138).
Rz. 184
Achtung: Kein zusätzlicher Sicherheitsabschlag
Den in der Wissenschaft geführten heftigen Streit darüber, ob nicht zum Ausgleich von Messungenauigkeiten ein Sicherheitsabschlag von bis zu 0,2 ng/ml gemacht werden müsse, hat das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 23.10.2014 (BVerwG DAR 2014, 711) dahingehend entschieden, dass von dem vom Gerät gelieferten Messergebnis keinerlei Abschlag mehr zu machen ist.
Rz. 185
Sonstige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung sieht das BVerfG nicht und widerspricht insbesondere dem wiederholt vorgebrachten Argument, die Regelung verstoße deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber das Fahren unter Alkohol an einen qualifizierten Grenzwert gebunden habe, das Fahren unter Drogen aber an eine Null-Wert-Grenze. Nach Auffassung des BVerfG ist diese Regelung alleine deshalb schon nicht willkürlich, weil es derzeit noch nicht möglich sei, die Drogenwirkungsbeziehung zu quantifizieren, andererseits Fahrten unter Drogen aber gefährlich sind und ihre Zahlen ständig rapide anstiegen.
Rz. 186
Dem folgt auch die obergerichtliche Rechtsprechung, die unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Verurteilung nach § 24a StVG von der über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Einschränkung abhängig macht, dass eine Konzentration des berauschenden Mittels festgestellt wird, die es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die Fahrsicherheit eingeschränkt war (OLG Köln DAR 2005, 646; OLG Bamberg zfs 2007, 287; OLG Hamm zfs 2010, 351; OLG Jena NZV 2014, 138). Das gilt für die anderen Drogen wie z.B. Amphetamin (OLG München zfs 2006, 290) oder Kokain (OLG Hamm NZV 2007, 248) entsprechend.
Deshalb ist entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Celle (NZV 2009, 300) und Bamberg (Beschl. v. 11.12.2018 – 3 Ss OWi 1526/18) bei weniger als 1,0 ng/ml THC, wenn also der sogenannte Nachweisgrenzwert nicht erreicht ist, eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG auch dann nicht zulässig, wenn angeblich Ausfallerscheinungen festzustellen waren (OLG Hamm zfs 2010, 351; OLG Jena NZV 2014, 138).