Martin Schafhausen, Christel von der Decken
Rz. 8
Um die Klagefrist von einem Monat (§ 87 SGG) zu wahren, genügt ein Schreiben an das Sozialgericht (ggf. auch an den Sozialleistungsträger, § 91 SGG), mit dem Hinweis auf den Bescheid bzw. Widerspruchsbescheid, der angefochten wird. Nach Akteneinsicht und Rücksprache mit dem Mandanten ist die Klage zu begründen und der Klageantrag zu formulieren. Dazu kann das Gericht gem. § 92 SGG eine Ausschlussfrist setzen. Bei Versäumnis der Klagefrist ist Wiedereinsetzung gem. § 67 SGG möglich; ggf. sollte Neufeststellung gem. § 44 SGB X beantragt werden. Örtlich zuständig ist das Sozialgericht am Wohnort des Klägers, § 57 SGG.
Für einen Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI) müssen neben der Wartezeit (§§ 50 Abs. 1, 53 SGB VI) zunächst die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 SGB VI (36 Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren) oder nach der Übergangsvorschrift des § 241 SGB VI erfüllt sein. Zeiten des Krankengeldbezuges sind nur dann Pflichtbeitragszeiten i.S.d. § 43 SGB VI, wenn der Betroffene zuvor rentenversicherungspflichtig tätig war (§ 3 Nr. 3 SGB VI). Die Zahlung freiwilliger Beiträge reicht nach § 241 SGB VI nur dann aus, wenn sie bis zum Versicherungsfall (dh Eintritt von Erwerbsminderung) erfolgte und am 1.1.1984 die Wartezeit von 60 Monaten erfüllt war. Ein Aufschub kommt allenfalls gem. §§ 197, 198 SGB VI in Betracht.
Rz. 9
§ 43 SGB VI unterscheidet zwischen "voller Erwerbsminderung", bei der das Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden herabgesunken ist, und der "teilweisen" Erwerbsminderung. Letztere betrifft Versicherte, die wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, aber mehr als drei Stunden täglich leistungsfähig sind.
Der ärztliche Gutachter prüft anhand der medizinischen Befunde und seiner Untersuchung, ob der Rentenantragsteller noch mindestens drei bzw. weniger als sechs Stunden regelmäßig arbeiten kann. Auf die sechsstündige Tätigkeit ist auch dann abzustellen, wenn in der Branche, in der der Versicherte zuvor tätig war, tarifvertraglich eine 35-Stunden-Woche gilt. Das sechsstündige Pensum stellt an den Versicherten deutlich höhere Anforderungen als eine "halbschichtige" Tätigkeit. Auch regelmäßig anfallende Therapien (z.B. Bewegungstraining, Ruhezeiten, Zwischenmahlzeiten evtl. nach Magenoperation) oder ein besonderer Pflegebedarf sowie häufig auftretende Kurzerkrankungen (bis hin zu einem Anfallsleiden) können zur Folge haben, dass der Versicherte eben nicht mehr "mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig" sein kann. Das Gesetz differenziert nicht danach, welche Berufsausbildung vorliegt und welchen Beruf der Versicherte bisher ausgeübt hat. Wer aber z.B. langjährig als Bauarbeiter tätig war, verfügt oftmals in vorgerücktem Alter nicht mehr über die erforderliche "Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit" für eine völlig neue berufliche Aufgabe.
Rz. 10
Kann der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes weniger als sechs Stunden, mindestens aber drei Stunden täglich erwerbstätig sein, hat er Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Rentenantragsteller kann sein verbliebenes Restleistungsvermögen in eine Erwerbstätigkeit umsetzen. Das daraus erzielte Einkommen wird nach § 96a SGB VI angerechnet. Die Teilzeitarbeit verdrängt also den Anspruch auf Teil-Rente nicht. Anhaltspunkte für eine Teil-Rente können sich aus den Feststellungen der Agentur für Arbeit über Leistungseinschränkungen ergeben (etwa gem. § 145 SGB III betreffend die Nahtlosigkeit). An die Beurteilung der Agentur für Arbeit ist die Rentenversicherung nicht gebunden (§ 145 Abs. 1 S. 2 SGB III). Denkbar ist, dass sich aus dem "Umgang" des Versicherten mit der tatsächlich durchgeführten Teilzeitarbeit für den Sachverständigen wichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung des Restleistungsvermögens ergeben: Wer z.B. nach längerer Erkrankung seine Arbeitszeit von acht auf vier Stunden reduziert und die neu gewonnene "Freizeit" für Therapie und Erholung nutzen muss, liefert damit wichtige Indizien für die Feststellung einer teilweisen Erwerbsminderung.
Hat der Versicherte keinen Teilzeitarbeitsplatz inne, so hat er Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, falls er nach medizinischer Beurteilung nicht mehr mindestens sechs Stunden pro Tag arbeiten kann. Diese "Arbeitsmarktrente" setzt nicht voraus, dass der Versicherte sich auch tatsächlich bei der Agentur für Arbeit meldet. Streitig ist, ob er nachweisen muss, sich vorher vergeblich um einen behindertengerechten Teilzeitarbeitsplatz gem. § 164 SGB IX bemüht zu haben. Die Rente wird grundsätzlich nach § 102 Abs. 2 SGB VI befristet geleistet. Die Befristung kann wiederholt werden. Auf Dauer wird die Rente nur in den (seltenen) Fällen gewährt, in denen eine Besserung unter allen Gesichtspunkten unwahrsch...