Rz. 32

Eine begehrte Variante, ein Verfahren zugunsten des Betroffenen zu beenden, ist die Einstellung des Verfahrens wegen eingetretener Verjährung. Dies geschieht durch Beschluss oder Urteil, je nach dem Stadium des Verfahrens, § 46 OWiG, §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO. Die Verjährung ist von Amts wegen zu prüfen, weswegen die Einstellung etwa auch einem Verwerfungsurteil vorgehen müsste.[36] Allerdings darf der Verteidiger nicht darauf bauen, dass die Verwaltungsbehörde oder das Gericht den Verjährungstatbestand in jedem Fall auch entdecken, sondern er sollte im Wege der Akteneinsicht selbst eine Prüfung durchführen und das gefundene Ergebnis dann rechtzeitig rügen. Denn nur im Fall einer echten Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG muss das Rechtsbeschwerdegericht auch die möglicherweise übersehene Verjährung prüfen. Dies gilt nicht für den Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde: Sofern nicht eine seltene Ausnahme geboten ist,[37] sind weder die übersehene Verjährung noch eine Fehlentscheidung im Einzelfall ein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.[38]

 

Rz. 33

Nur in seltenen Fällen kann sich ein Betroffener auf die "absolute" Verjährungsfrist von zwei Jahren berufen. Diese tritt nur dann ein, wenn zwei Jahre seit der Tat vergangen sind und keine Entscheidung durch Urteil oder nach § 72 OWiG ergangen ist.[39]

 

Rz. 34

Wesentlich häufiger hingegen kommt es vor, dass die Verfolgungsverjährung nicht nach § 33 OWiG unterbrochen wurde. Bevor allerdings der dortige Maßnahmenkatalog durchgeprüft wird, muss sich der Verteidiger zunächst über die tatsächliche Verjährungsfrist im Klaren sein. Herkömmliche Verkehrsverstöße, z.B. nach § 49 StVO oder nach § 69a StVZO verjähren über §§ 26 Abs. 3, 24 StVG binnen drei Monaten, was eine Abweichung zu § 31 OWiG darstellt, wo auf die Höchstsumme der Geldbuße nach § 17 OWiG abgestellt wird. Manche Verkehrsverstöße unterliegen allerdings nicht dieser kurzen Verjährungsfrist, sondern der gewöhnlichen nach §§ 31, 17 OWiG. Dazu zählt vor allem § 24a StVG, der nicht in der Verweisung des § 26 Abs. 3 StVG enthalten ist. Es wäre deshalb nicht nur fatal für den Betroffenen, sondern auch peinlich für den Verteidiger, wenn er die Einstellung eines Verfahrens wegen einer Drogen- oder Trunkenheitsfahrt begehrt, weil seit Kontrolle und zugleich erfolgter Anhörung des Betroffenen und der nächsten Maßnahme, z.B. dem Erlass des Bußgeldbescheides mehr als drei Monate vergangen sind. Das Gleiche gilt, wenn die Frist des § 31 OWiG falsch berechnet würde. Denn maßgebend ist natürlich nicht die im Bußgeldbescheid ausgesprochene Höhe des Bußgeldes, im Erstfall bei § 24a StVG meist 500 EUR, sondern die bei fahrlässiger/vorsätzlicher Begehung maximal mögliche Höhe der Geldbuße. Diese beträgt bei § 24a StVG eben 1.500/3.000 EUR, so dass die Verjährungsfrist mindestens ein Jahr beträgt.

 

Rz. 35

Innerhalb des Katalogs der Unterbrechungstatbestände gibt es nur einen einzigen, der die kurze Verjährungsfrist der regulären Verkehrsverstöße von drei auf sechs Monate verlängert: den Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides, § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG. Nach dem wirksamen Erlass des Bußgeldbescheides verlängern auch weitere Unterbrechungsmaßnahmen die Verjährung jeweils um sechs Monate. Sollten allerdings der Erlass und die Zustellung des Bußgeldbescheides unwirksam erfolgt sein, bedeutet dies nicht, dass nachfolgende Maßnahmen die Verjährung nicht mehr unterbrechen könnten, sondern es gilt weiterhin die Frist von drei Monaten, die durch neue Maßnahmen eben auch nur um weitere drei Monate verlängert werden kann.[40]

 

Rz. 36

Die Judikatur zu den Unterbrechungstatbeständen ist reichhaltig, die Kommentierung ebenso. Dabei gibt es allerdings einige immer wieder streitige Klassiker, die für den Verteidiger relevant sind.

[36] Krenberger/Krumm, § 74 Rn 16.
[37] Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 18.8.2015 – 2 Ss (OWi) 240/15 = zfs 2016, 110; OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2015 – 2 Ss (OWi) 206/15 = zfs 2015, 710.
[39] Krenberger/Krumm, § 32 Rn 11.
[40] OLG Celle, Beschl. v. 18.8.2015 – 2 Ss (OWi) 240/15 = zfs 2016, 110.

I. Unterbrechung durch Anhörung etc.

 

Rz. 37

Zunächst ist auf § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG zu achten, der die Unterbrechung der Verjährung u.a. durch Anhörung oder Vernehmung regelt.[41] Für den Betroffenen muss aus dem Anhörungsschreiben klar ersichtlich sein, dass er als Betroffener angesprochen wird und welcher konkrete Tatvorwurf gegen ihn besteht. Des Weiteren können Anhörung und Vernehmung des Betroffenen die Verjährung nur einmal unterbrechen. Auch ist eine zielgerichtete Maßnahme erforderlich. Nicht ausreichend hingegen wäre eine bloße Ermittlung eines möglichen Betroffenen, z.B. durch die beauftragte für den Wohnort zuständige Polizei.

 

Rz. 38

Muster 37.11: Wiederholte Anhörung

 

Muster 37.11: Wiederholte Anhörung

An die Zentrale B...

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