Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 74
Die Grundsätze der Eingliederung sind im Rahmen der §§ 104, 105 SGB VII wie die sich im Rahmen des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII stellenden zu beurteilen. Auf die damit wegen der fehlenden Eingrenzung des Begriffs "Personen" in § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII auch im Rahmen der Anwendung der §§ 104, 105 SGB VII gegebene Gefahr der normativen Konturlosigkeit ist hinzuweisen (vgl. dazu Rdn 39 ff., insbesondere Rdn 45).
1. |
Eine Beziehung zu dem Unfallbetrieb, die arbeitsrechtlich als diejenige eines Arbeitnehmers zu qualifizieren ist, ist weder für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII (§ 539 Abs. 2 RVO a.F.) noch für die Eingliederung im Sinne der §§ 104, 105 SGB VII (§§ 636, 637 RVO a.F.) erforderlich. Auch muss kein Abhängigkeitsverhältnis wirtschaftlicher oder persönlicher Art zum Unfallbetrieb gegeben sein. Mit anderen Worten setzt die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften nicht voraus, dass der Schädiger und der Geschädigte Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers sind. |
2. |
Bei der zur Eingliederung des Verletzten führenden Tätigkeit muss es sich um eine ernstliche, dem Fremdunternehmen dienende Tätigkeit handeln, die dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen steht. Außerdem muss die Tätigkeit ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Bundesgerichte ist "entscheidend, ob der Geschädigte Aufgaben des anderen Unternehmens wahrgenommen hat und die Förderung der Belange dieses Unternehmens seiner Tätigkeit auch im Übrigen das Gepräge gegeben hat". Er muss wie ein Beschäftigter dieses Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig geworden sein. Dies setzt voraus, dass die von diesem Unternehmer zu erfüllenden Pflichten der Hilfeleistung des einem anderen Unternehmen (Stammunternehmen) angehörenden Geschädigten das Gepräge gegeben haben. |
3. |
Für die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Wie-Beschäftigter und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist – mit gewissen Abstrichen – von der Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer auszugehen. |
Zu verweisen ist vor allem auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6.12.1977, der die Zuordnung zu einem von mehreren Unternehmen (mit einer beispielhaften Sachverhaltsanalyse) zugrunde liegt und in der die Grundsätze für die Eingliederung des Geschädigten und des Schädigers unter Anwendung des früheren Rechts vor Inkrafttreten des SGB VII näher dargelegt sind.
Rz. 75
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Tendenz zur Einengung des Haftungsprivilegs unübersehbar. Die Fälle der Eingliederung werden unter Berücksichtigung der sog. Beweisregel geprüft, wonach im Zweifelsfall die Vermutung dafürspricht, dass der Verletzte Aufgaben seines Stammbetriebs wahrgenommen hat. Dies hat zur Folge, dass der Haftungsausschluss nicht eingreift.
Rz. 76
Die für die "Beweisregel" geltenden "Rahmengrundsätze" sind folgende:
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Es reicht für die Eingliederung nicht aus, wenn der Verunglückte sich auf irgendeine Weise in den Arbeitsvorgang des Unfallbetriebs eingeschaltet hat oder nur gar mit ihm in Berührung gekommen ist. |
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Bei den Einordnungsfragen ist zu beachten, dass ein Arbeitnehmer in erster Linie in Erfüllung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gegenüber dem Anstellungsbetrieb tätig (sog. Stammbetrieb) wird. Nur ausnahmsweise gilt etwas anderes. Hat der Verletzte eine Aufgabe wahrgenommen, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Stammunternehmens als auch in den des Unfallunternehmens fiel, so ist in der Regel anzunehmen, dass er allein zur Förderung der Interessen seines Stammunternehmens tätig geworden ist. |
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Für eine Versicherung als "Wie-Beschäftigter" reicht es nicht aus, dass die unfallbringende Tätigkeit einer anderen Person oder einem anderen Unternehmen objektiv nützlich war. Notwendig ist, dass der Handelnde auch subjektiv ein Geschäft des anderen besorgen, also fremdnützig tätig sein wollte. |
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Dient die Tätigkeit objektiv sowohl fremden als auch eigenen Zwecken, ist in der Regel der eigenwirtschaftliche Aspekt maßgeblich. Sind bei ein und derselben Tätigkeit Fremdbestimmung und eigenwirtschaftliche Bestimmung nicht trennbar, so kommt eine Zuordnung zum Fremdbetrieb solange nicht in Betracht, wie sich die Tätigkeit als Wahrnehmung einer Aufgabe des Stammbetriebs darstellt. |
Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung:
Rz. 77
Der selbstständige Maurermeister A gerät auf einer Dienstfahrt in einen Stau, ausgelöst durch den Fahrer B eines Lieferwagens, der auf der eisglatten und ansteigenden Fahrbahn liegenblieb. A versuchte, B anzuschieben, und wurde durch den zurückrollenden Lieferwagen zwischen diesem und seinem Pkw eingeklemmt und schwer verletzt. Die Berufsgenossenschaft erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an und machte Schadensersatzansprüche gegen B geltend. D...