Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 323
Dient die Arbeitsleistung mehreren Unternehmern (z.B. Leiharbeiterverhältnisse: § 106 Abs. 3 SGB VII; Rdn 231), sodass der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII zugunsten aller Unternehmer eintritt, haben auch sämtliche Berufsgenossenschaften den Anspruch aus § 110 SGB VII. Er besteht auch gegen den Erben.
Rz. 324
Wenn das Opfer eines Arbeitsunfalls sowohl von einem nach § 110 SGB VII Rückgriffspflichtigen als auch von einem nach § 116 SGB X ersatzpflichtigen Dritten verletzt worden ist, kann der Sozialversicherungsträger zwischen dem Erstattungsanspruch und dem Ersatzanspruch aus § 116 SGB X wählen.
Rz. 325
Steht dem Sozialversicherungsträger nur ein Schädiger (Unternehmer oder Betriebsangehöriger) gegenüber, so ist nur zu prüfen, aufgrund welcher Anspruchsgrundlage (§ 116 SGB X oder § 110 SGB VII) er in Anspruch genommen werden kann. Insoweit besteht keine Anspruchskonkurrenz.
Rz. 326
In Auswirkung des zwischen Verletztem und schädigendem Unternehmer bzw. Betriebsangehörigen vorliegenden gesetzlichen Haftungsausschlusses sind die Schädiger (außen stehender Dritter und Unternehmer oder Betriebsangehöriger) unechte Gesamtschuldner. Dem außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden Drittschädiger ist bei Inanspruchnahme nach § 116 SGB X daher der Ausgleich nach § 426 BGB gegen den Mitschädiger (Unternehmer, Betriebsangehörigen) und umgekehrt verwehrt.
Rz. 327
§ 110 SGB VII findet keine Anwendung bei selbst versicherten Unternehmern, soweit es sich um Unfälle des Unternehmers selbst oder seiner Ehefrau handelt. Denn die kleinen selbst versicherten Unternehmer, die einen Betriebsunfall erleiden, sollen von der Berufsgenossenschaft ebenso entschädigt werden wie die Arbeiter, sodass ihnen auf dem Umweg über den Regress nicht wieder das genommen werden kann, was ihnen die soziale Fürsorge zuwendet.
Rz. 328
Streitig war, ob die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. auf den Rückgriffsanspruch aus § 1542 RVO a.F. bzw. § 116 SGB X auch auf § 640 RVO a.F. Anwendung fand. Danach war der Übergang ausgeschlossen, falls sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen richtete. Bereits das OLG Oldenburg hatte die analoge Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG a.F. auf den Anspruch nach § 640 RVO mit überzeugenden Gründen verneint. Diese Auffassung teilt nunmehr auch der Bundesgerichtshof: Danach sind Regressansprüche eines Sozialversicherungsträgers aus § 640 RVO a.F. (§ 110 SGB VII) nicht in entsprechender Anwendung des § 67 Abs. 2 VVG grundsätzlich ausgeschlossen, wenn ein in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldigen lebender Familienangehöriger verletzt worden ist. Ebenso ist entschieden, dass eine entsprechende Anwendung des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 SGB X bei Aufwendungsersatzansprüchen nach § 110 SGB VII nicht in Betracht kommt.
Rz. 329
Die Ansprüche aus § 110 SGB VII werden im Prinzip von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers gedeckt. Liegt jedoch ein Fall der Haftung ausschließlich aufgrund des § 3 PflVG in der Kraftfahrzeugversicherung vor, so braucht der Haftpflichtversicherer bei krankem Versicherungsverhältnis dem Sozialversicherer gegenüber nicht einzutreten, da auch insoweit eine Ersatzerlangung des Verletzten vonseiten eines Sozialversicherungsträgers vorliegt.
Rz. 330
§ 110 SGB VII gilt zwischen der Berufsgenossenschaft und dem ihr angeschlossenen deutschen Unternehmen auch dann, wenn der Unfall sich im Ausland ereignet hat. Das Rechtsverhältnis der gesetzlichen Unfallversicherung ist immer ein Rechtsverhältnis des deutschen öffentlichen Rechts, für dessen Auslegung es auf den Ort des Unfalls nicht ankommt.
Rz. 331
Zur Verjährung vgl. Rdn 370 ff.