Rz. 10
Voraussetzung für eine erfolgreiche Wiedereinsetzung bezüglich der versäumten Hauptverhandlung ist, dass der Betroffene von der Ladung zum Termin unverschuldet keine Kenntnis hatte oder ohne Verschulden an der Hauptverhandlung nicht teilnehmen konnte.
Rz. 11
Der Betroffene kann gem. § 74 Abs. 4 OWiG sowohl gegen das Urteil nach § 74 Abs. 1 OWiG, also das Abwesenheitsverfahren, als auch gegen das Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, also das Verwerfungsurteil, beim Amtsgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Über diese Möglichkeit ist er auch explizit zu belehren, § 74 Abs. 4 S. 2 OWiG.
Rz. 12
Auf den ersten Blick verwundert dabei die Möglichkeit der Wiedereinsetzung bei versäumtem Abwesenheitsverfahren. Immerhin geschieht die Entbindung doch explizit auf Antrag des Betroffenen. Hier aber ist das Korrelat des Anwesenheitsrechts zu beachten: Entscheidet sich der Betroffene, doch an der Hauptverhandlung teilnehmen zu wollen, stehen ihm natürlich die Rechte wie demjenigen zu, der nicht von der Erscheinenspflicht entbunden worden ist. Das Fernbleiben von der Abwesenheitsverhandlung muss aber unfreiwillig sein und der Grund für das entschuldigte Fernbleiben darf nicht vorher bekannt gewesen sein. Bei freiwilliger und bewusst gewählter Abwesenheit besteht kein Wiedereinsetzungsanspruch.
Rz. 13
Wichtig dabei ist, dass der Verteidiger gleichzeitig die Rechtsbeschwerde einlegt bzw. deren Zulassung beantragt: Die beiden Rechtsbehelfe stehen selbstständig nebeneinander.
Rz. 14
Die Gründe für die Wiedereinsetzung sind glaubhaft zu machen. Dies entspricht nicht dem Vollbeweis, sondern die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der Tatsachen ist für das entscheidende Gericht relevant. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird nur in Ausnahmefällen ausreichen, in der Regel werden Angaben zur Art der Erkrankung gefordert.
Rz. 15
Die falsche Information des Verteidigers über die zu erwartende Verlegung des Hauptverhandlungstermins hilft im Wiedereinsetzungsverfahren nicht über die Verschuldensfrage hinweg. Denn ohne positive Kenntnis davon, ob einem Verlegungsantrag (des Verteidigers oder des Betroffenen selbst) entsprochen und der Termin aufgehoben worden ist, treffen den Betroffenen eine Erkundigungspflicht und auch ein Mitverschulden an der Versäumung der Hauptverhandlung, wenn er nicht erscheint. Dies schließt eine Wiedereinsetzung in der Regel aus. Soweit ältere Entscheidungen gegenteilig zitiert werden, sollte sich der Verteidiger hierauf nicht unbedingt verlassen.
Rz. 16
Der Betroffene muss für den Vortrag im Wiedereinsetzungsverfahren beachten, dass dort neue Tatsachen vorgetragen werden. Dies können aber ausnahmsweise auch Tatsachen sein, die dem Gericht zwar bekannt gewesen sind oder hätten bekannt sein müssen, und die das Gericht deshalb in seiner Entscheidung auch hätte würdigen müssen, wenn die Urteilsgründe jedoch keine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihnen enthalten.
Rz. 17
Das LG Berlin erläuterte zum Wiedereinsetzungsantrag gegen ein Verwerfungsurteil, dass dieser nicht auf solche Tatsachen gestützt werden kann, die das erkennende Gericht bereits im Verwerfungsurteil als nicht ausreichenden Entschuldigungsgrund gewürdigt hat. Dies gilt auch dann, wenn mit dem Wiedereinsetzungsantrag weitere Tatsachen vorgetragen werden, die den Zweck haben, den bereits gewürdigten Entschuldigungsgrund zu ergänzen, zu verdeutlichen und glaubhaft zu machen.
Rz. 18
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Muster 38.2: Wiedereinsetzungsantrag
An das Amtsgericht _________________________
Sehr geehrte _________________________,
in der Bußgeldsache Az. _________________________ beantrage ich dem Betroffenen wegen Versäumung des Hauptverhandlungstermins am _________________________ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zugleich lege ich gegen das am _________________________ ergangene Verwerfungsurteil Rechtsbeschwerde ein, die ich mit gesondertem Schriftsatz begründen werde.
Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründe ich wie folgt:
Den auf den _________________________ bestimmten Hauptverhandlungstermin konnte der Betroffene krankheitsbedingt nicht wahrnehmen, war mithin in seinem Fernbleiben entschuldigt. Er war in einer Weise erkrankt, die es ihm weder erlaubte, die Reise zum Gericht anzutreten, noch es ihm zumutbar machte, einer Verhandlung beizuwohnen. [Hier Details zur Erkrankung] Den am Tag der Hauptverhandlung direkt gestellten Terminsverlegungsantrag konnte die Verteidigung insofern noch nicht mit einem ärztlichen Attest unterlegen, denn der Betroffene sah sich gesundheitlich erst am Folgetag in der Lage überhaupt einen Arzt aufzusuchen, welcher am Hauptverhandlungstag auch nicht zu einem Hausbesuch kommen konnte. Als Anlage zum Antrag wird das ärztliche Attest überreicht, das neben der bereits beschriebenen Erkrankung auch die zeitliche Angabe des den Betroffenen einschränkenden Zustands benennt. Das Attest lautet: _________________________ (Wortlaut hier wiederge...