A. § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, Alkohol oder andere berauschende Mittel
Rz. 1
Soweit in § 315c StGB Alkohol und Drogen angesprochen sind, gelten hier die gleichen Ausführungen wie bei § 316 StGB, deshalb siehe insoweit Kapitel 37 – Objektiver Tatbestand des § 316 StGB (vgl. § 37 Rdn 1 ff.).
B. Geistige oder körperliche Mängel
I. Nur bei konkreter Gefahr
Rz. 2
§ 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB geht über § 316 StGB hinaus und stellt die Verkehrsteilnahme eines wegen körperlicher oder geistiger Mängel fahrunsicheren Fahrers unter Strafe. Im Unterschied zu § 316 StGB allerdings nur dann, wenn sich die Fahrunsicherheit in einer konkreten Gefährdung niederschlägt, wobei auch hier die bloße Gefahrnähe nicht ausreicht (BGH StV 2018, 429). Andernfalls liegt lediglich eine Ordnungswidrigkeit gem. § 75 Abs. 1 S. 2 FeV vor.
II. Körperliche Mängel
1. Vorübergehend bzw. dauernd
Rz. 3
Ein körperlicher Mangel kann vorliegen im Falle eines Gipsbeines oder einer Handverletzung, oder wenn die notwendige Brille nicht getragen wird.
Auch ein zum Bedienen der Pedale ungeeignetes Schuhwerk kann hierunter fallen. Wie bei allen, auch vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigungen hängt die Frage der Fahrtauglichkeit von Art und Umfang der Funktionseinbuße im konkreten Fall und von ihrer Kompensationsmöglichkeit ab. Deshalb gibt es z.B. auch keine allgemein gültige Regelung, so z.B., dass das Tragen von Birkenstockschuhen während der Fahrt verboten wäre (OLG Celle NZV 2007, 532).
2. Übermüdung
Rz. 4
Der häufigste Fall eines körperlichen Mangels ist die Übermüdung, ein Vorwurf, gegen den man sich kaum erfolgreich verteidigen kann (BGHSt 23, 156; OLG Köln NZV 1989, 357; BayObLG NJW 2003, 3499).
Rz. 5
Zuweilen versucht ein am Steuer eingeschlafener Fahrer, sich mit dem Hinweis auf einen angeblich überraschend eingetretenen "Sekundenschlaf“ zu retten. Dies ist nach der derzeitigen Rechtsprechung ein untauglicher Versuch, da man nach Auffassung des BGH (BGH VRS 38, 144) die deutlichen Zeichen der Ermüdung stets rechtzeitig an sich wahrnehmen können soll, bevor man einschläft. Siehe auch die im entsprechenden Arbeitskreis VGT 2004, S. 55 ff. erstatteten Gutachten, wiewohl es in der Wissenschaft auch gegenteilige Auffassungen gibt."
Rz. 6
Achtung: Nicht jede Übermüdung
Allerdings führt nicht jede Übermüdung eines Kraftfahrers zur Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB (LG Traunstein NZV 2011, 514).
III. Geistige Mängel
Rz. 7
Geistige Mängel können bei Krankheiten wie Fieberzuständen, Heuschnupfen, Medikamenteneinnahme u.Ä. vorliegen. Soweit eine Medikamenteneinnahme deshalb noch nicht die Voraussetzungen des § 316 StGB erfüllt, weil es sich nicht um ein "berauschendes“ Mittel handelt, fällt sie unter § 315c Abs. 1 Nr. 1b StGB."
IV. Periodisch auftretende Krankheit
Rz. 8
Im Einzelfall ist der Grad der Behinderung maßgebend. Fahruntüchtigkeit ist dann zu bejahen, wenn gegenüber dem Regelzustand eine für den öffentlichen Straßenverkehr bedeutsame körperliche oder geistige Fähigkeit erheblich gemindert ist oder fehlt. So ist z.B. ein epileptisches Anfallsleiden einem geistigen oder körperlichen Mangel jedenfalls dann gleichzusetzen, wenn eine erhebliche Gefahr jederzeit auftretender Anfälle besteht (BGH NJW 1995, 795).
V. Altersbedingte Leistungsdefizite
Rz. 9
In Betracht können aber ebenso altersbedingte psychosoziale Leistungsdefizite kommen (BayObLG NJW 1996, 2045), die aber u.U. durch besondere Fahrerfahrung ausgeglichen werden können. Zu typischen altersbedingten Ausfallerscheinungen siehe Wetterling u.a. Nach der Rechtsprechung muss sich zwar ein Kraftfahrer mit fortschreitendem Alter besonders kritisch selbst beobachten, das Alter an sich muss noch nicht Anlass für durchgreifende Bedenken gegen die eigene Fahreignung geben, weder ein Alter von 72 (BayObLG DAR 1996, 152), noch von 81 (BVerwG VRS 97, 227), noch ein solches von 90 Jahren (VG des Saarlandes zfs 1999, 222).
C. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB
Rz. 10
§ 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB listet die sieben besonders sanktionierten Todsünden im Straßenverkehr auf und stellt deren Unwertgehalt einer Verkehrsteilnahme im fahrunsicheren Zustand gleich. Zu diesen Delikten gehört typischerweise das falsche Heranfahren an einen Fußgängerüberweg.
Rz. 11
Rz. 12
Besonders problematisch sind in diesem Zusammenhang Vorfahrtsverletzungen (BGH DAR 2015, 702) sowie erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen. Grundsätzlich erfüllt den Tatbestand auch, wer z.B. bei Rotlicht in einen Kreuzungsbereich einfährt, allerdings wird in diesen Fällen nicht immer Rücksichtslosigkeit vorliegen (OLG Jena NZV 1995, 237).
Rz. 13
Nicht selten wird auch ein falsches Überholen (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB) den Tatbestand erfüllen (BGH NZV 2017, 135), wobei es ausreicht, dass auch Flächen benutzt werden, die nach den örtlichen Gegebenheiten mit der Fahrbahn einen einheitlichen Verkehrsraum bilden (BGH NJW 2016, 3462).
Ein falsches Überholen liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte nach dem eigentlichen Überholvorgang nicht gle...