Rz. 14

Für die Verfahrensrüge sind die revisionsrechtlichen Anforderungen der §§ 344, 345 StPO einzuhalten. Dies stellt beinahe die höchste Hürde für eine erfolgreiche Verfahrensrüge dar, wenn es um die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde geht. Die Vielzahl von Fehlerquellen ist dabei unerschöpflich, so dass die folgenden Muster lediglich exemplarisch Ansätze für Formulierungen vorschlagen können.

 

Rz. 15

Muster 39.5: Rechtsbeschwerde: Sachrüge und Verfahrensrüge

 

Muster 39.5: Rechtsbeschwerde: Sachrüge und Verfahrensrüge

An das Amtsgericht _________________________

Sehr geehrte _________________________,

hiermit lege ich namens und mit Vollmacht des Betroffenen Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts _________________________ vom _________________________ ein und beantrage die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an das zuständige Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde begründe ich mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wie folgt:

1. Sachrüge: Das Gericht hat die auf dem Messbild enthaltenen Messdaten, anhand derer die Tatbegehung durch den Betroffenen ausweislich der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils nachgewiesen werden soll, nicht in rechtmäßiger Weise im Urteil verwertet. In der Beweiswürdigung wird davon gesprochen, dass die Geschwindigkeitsdaten auf dem Messbild Bl. _________________________ d.A. enthalten seien, auf welches "gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird". Dies ist unzulässig. Nur auf Augenscheinsobjekte, also die Abbildung an sich, kann verwiesen werden. Daten und Texte innerhalb eines Bildes wie hier in dem Messbild müssen verlesen werden. Auf diesem Mangel beruht das Urteil auch. Denn eine anderweitige Quelle für die Höhe der gemessenen Geschwindigkeit hat das Gericht im Urteil nicht angegeben. Dafür spricht auch das Protokoll der Hauptverhandlung, das auf S. 4 vermerkt, dass das "Lichtbild Bl. _________________________ d.A. in Augenschein genommen" wurde. (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 7.1.2009 – 3 Ss OWi 948/08 NStZ-RR 2009, 151; OLG Hamm, Beschl. v. 20.3.2012 – 3 RBs 438/11 = jurisPR-VerkR 1/2013 Anm. 6)

2. Verfahrensrüge: Bezüglich der Verletzung formellen Rechts wird die Ablehnung des Beweisantrags der Verteidigung auf sachverständige Überprüfung der Messung gerügt, welcher in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts _________________________ am _________________________ direkt nach Eröffnung der Beweisaufnahme gestellt wurde. Dieser lautete _________________________ (Hier Wiedergabe des gesamten Beweisantrags).

Nachdem der genannte Beweisantrag gestellt und als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll gereicht wurde, hat das Gericht den Antrag durch Beschluss nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückgewiesen. (Vollständige Wiedergabe des Beschlusses)

Dieser Beschluss ist unrichtig, weil bereits die Ablehnungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Ablehnung nicht vorlagen. Voraussetzung der vereinfachten Ablehnung nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist insbesondere, dass eine Beweisaufnahme bereits stattgefunden hat. Dies war aber nicht der Fall. Denn der als Zeuge vernommene Messbeamte _________________________ ist erst nach Ablehnung des Beschlusses überhaupt in den Sitzungssaal gerufen worden. Dies ist ersichtlich aus der chronologischen Protokollierung, welche die Verteidigung beantragt hatte. Das Protokoll der Hauptverhandlung lautet bezüglich des Ablaufs der Beweisaufnahme: _________________________ (Hier Inhalt des Protokolls wiedergeben).

Zudem war auch, worauf das Gericht später im Urteil abstellt, die Ablehnung des Beschlusses inhaltlich sowohl nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG, aber auch nach § 244 StPO unrechtmäßig gewesen. Wird – wie hier – die fehlerhafte Durchführung der in der Gebrauchs- bzw. Bedienungsanleitung des Herstellers vorgeschriebenen Funktionstests des Geschwindigkeitsmessgeräts behauptet, besteht die Aufklärungspflicht des Gerichts gemäß § 77 Abs. 1 S. 1 OWiG fort. Eine Befreiung von dem Verbot der Beweisantizipation nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ist dann nicht gegeben. Denn die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für so genannte standardisierte Messverfahren gelten nur dann, wenn das jeweilige Messgerät vom Bedienungspersonal auch standardmäßig, das heißt, im geeichten Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung verwendet worden ist, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei dem ihm vorausgegangenen Gerätetest (Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 21.6.2012 – (2 B) 53 Ss-OWi 237/12 (155/12) – juris). Nur durch diesen Test kann mit der für eine spätere Verurteilung ausreichenden Sicherheit festgestellt werden, ob das Gerät in seiner konkreten Aufstellsituation tatsächlich mit der vom Richter bei standardisierten Messverfahren vorausgesetzten Präzision arbeitet und so eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stellt (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 12.8.2005 – 1 S...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?