1. Behauptung: Entbindung hätte gewährt werden müssen
Rz. 21
Die rechtsfehlerhafte Verweigerung der Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen ist zunächst ein Verfahrensfehler, ebenso wie das daraufhin ergehende Verwerfungsurteil verfahrensfehlerhaft ist. Hinzukommen kann noch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör.
Rz. 22
Der Verteidiger leistet mit der Darlegung, er habe über eine "Vertretungs- und Verteidigungsvollmacht" verfügt, einen ausreichenden Vortrag zur besonderen Vertretungsmacht für die Stellung eines Entbindungsantrags nach § 73 Abs. 2 OWiG. Das OLG Hamm ergänzte diese Rechtsprechung dergestalt, dass zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge der Vortrag gehört, dass dem Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, eine schriftliche Vertretungsvollmacht erteilt und diese dem Gericht nachgewiesen war, was auch das KG Berlin so entschieden hatte. Diese Verfahrensrüge muss zudem aufzeigen, aus welchen Gründen der Tatrichter von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen. Erforderlich ist des Weiteren die Mitteilung des genauen Inhalts wenigstens derjenigen Schriftsätze, Einlassungen oder sonstigen Stellungnahmen und Eingaben einschließlich der durch sie bedingten gerichtlichen Reaktionen (etwa zu Fragen der Terminierung oder zur Notwendigkeit der Durchführung einer Hauptverhandlung in Anwesenheit des Betroffenen), aus denen sich der Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG entnehmen lassen soll. Der BGH hat dabei der Variante, den Sachvortrag durch Einkopieren der Aktenbestandteile in die Begründungsschrift vorzunehmen, eine klare Absage erteilt. Es kann nicht auf diesem Umweg dem Rechtsbeschwerdegericht die Aufgabe erteilt werden, sich aus dem Akteninhalt die Verfahrensfehler zusammenzusuchen.
Rz. 23
Auch ist darzulegen, welcher Sachvortrag, der nach § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG in die Hauptverhandlung einzuführen gewesen wäre, infolge der Einspruchsverwerfung unberücksichtigt geblieben ist. Dem Rügevortrag muss jedenfalls dann, wenn nicht ein Sonderfall vorliegt, zu entnehmen sein, ob und gegebenenfalls wie sich der Betroffene im Falle seiner Anhörung geäußert bzw. den Tatvorwurf bestritten hätte.
2. Behauptung: Mandant war genügend entschuldigt
Rz. 24
Wenn gerügt werden soll, dass der Betroffene doch genügend entschuldigt gewesen sein soll, müssen genaue Angaben zur angeblich doch genügenden Entschuldigung vorgetragen werden. Im Fall der behaupteten ausreichenden Entschuldigung erfordert die formgerechte Begründung der Verfahrensrüge, dass der Betroffene die die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen so schlüssig vorträgt, dass sich die Verhinderung zum Terminszeitpunkt aufgrund der konkreten Umstände im Einzelnen für das Rechtsbeschwerdegericht erschließt. Hierzu gehören im Krankheitsfall die jedenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch zu benennende Art der Erkrankung, die aktuell bestehende Symptomatik und die Darlegung der daraus zur Terminszeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen.
Rz. 25
Das KG entschied, dass sich, soweit mögliche Entschuldigungsgründe dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen sind, der Umfang der Darlegungspflicht der Rechtsbeschwerde dergestalt erweitert, dass das Gericht die geltend gemachten Entschuldigungsgründe zum Zeitpunkt der Verwerfungsentscheidung bereits gekannt hat oder hätte bei pflichtgemäßer Vorgehensweise kennen müssen, aber versäumt hat, sich mit diesen auseinander zu setzen.
3. Sonderfall: keine volle Verfahrensrüge erforderlich
Rz. 26
Nur in wenigen Sonderfällen muss keine volle Verfahrensrüge erhoben werden. Dies betrifft zunächst den Fall des übergangenen Entbindungsantrags. Das OLG Dresden entschied: Bescheidet das Gericht den vom Betroffenen rechtzeitig vor der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag nicht und befasst es sich auch im Verwerfungsurteil in keiner Weise mit dem Antrag, so liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auf den in der Rechtsbeschwerdebegründung fehlenden Vortrag, was der Betroffene im Falle seine Anhörung zur Sache ausgeführt hätte, kommt es in diesem Fall n...