Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtbescheidung eines als Entbindungsantrag auszulegenden Gesuchs auf Entscheidung im Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der für eine Entbindung notwendige Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 II OWiG von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung nach § 73 I OWiG zu entbinden, kann in einer Anregung des Betroffenen auf Entscheidung im (schriftlichen) Beschlussverfahren nach § 72 OWiG mitenthalten sein. Ein solches weiteres, im Einzelfall im Wege der Auslegung festzustellendes Begehren sollte bei einem verteidigten Betroffenen allerdings regelmäßig eindeutig formuliert sein, was erst recht dann gilt, wenn gerichtlich ausdrücklich um eine klarstellende Erklärung gebeten worden war (u.a. Anschluss an OLG Stuttgart Justiz 2013, 357; OLG Rostock, Beschluss vom 27.04.2011 - 2 Ss [OWi] 50/11 [bei [...]] und BayObLGSt 1998, 179 = NZV 1999, 139 = OLGSt OWiG § 74 Nr. 12).
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; StPO § 344 Abs. 1 S. 2; OWiG §§ 72, 73 Abs. 2, § 74 Abs. 2, § 79 Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Zum Sachverhalt:
Die Zentrale Bußgeldstelle setzte mit Bußgeldbescheid gegen den Betr. u.a. wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h eine Geldbuße von 105 Euro fest. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch hat das AG in Abwesenheit des Betr. und seines Verteidigers mit Urteil vom 13.03.2014 nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betr. - ohne von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden zu sein - in der Hauptverhandlung unentschuldigt nicht erschienen sei. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, rügt der Betroffene die Verletzung materiellen und formellen Rechts, insbesondere die Versagung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Zulassungsrechtsbeschwerde führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das AG.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 I Nr. 2 OWiG). Das Rechtsmittel erweist sich mit der gemäß § 80 III 3 OWiG i.V.m. § 344 II 2 StPO ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung von § 74 II OWiG als erfolgreich. Die Einspruchsverwerfung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das AG über den noch rechtzeitig vor Verhandlungsbeginn gestellten (schlüssigen) Antrag des Betr., ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, nicht entschieden und deshalb das Fernbleiben des Betr. in der Hauptverhandlung zu Unrecht als nicht genügend entschuldigt angesehen hat. Darin liegt eine Versagung des rechtlichen Gehörs i.S.v. Art. 103 I GG, die nach den §§ 79 I 2 i.V.m. § 80 I Nr. 2 OWiG die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedingt und zugleich deren zumindest vorläufigen Erfolg indiziert.
1.
Allerdings steht einer Verurteilung nicht schon ein zur Einstellung zwingendes Verfahrenshindernis entgegen. Vielmehr genügt der Bußgeldbescheid als Verfahrensgrundlage den nicht zu überspannenden Anforderungen an eine hinreichende Tatbezeichnung. Entscheidend ist, dass der Betr. anhand der Tatbeschreibung des Bußgeldbescheides verstehen kann, wegen welches nach der Lebensauffassung einheitlichen geschichtlichen Vorgangs er zur Verantwortung gezogen werden soll und dass insoweit eine Verwechslung mit einem möglichen gleichartigen anderen Fehlverhalten desselben Betr. ausgeschlossen ist (OLG Bamberg DAR 2009, 155 = OLGSt OWiG § 66 Nr. 11 = VRR 2009, 68 [Gieg]); hiervon ist vorliegend ohne weiteres auszugehen.
2.
Der Zulassungsantrag, der als vorsorglich eingelegte Rechtsbeschwerde gilt, ist zulässig. Der Bf. hat alle zur Beurteilung der Frage, ob der gerügte Verstoß vorliegt, erforderlichen Verfahrenstatsachen vorgetragen. Insbesondere wird in der gebotenen Vollständigkeit dargelegt, weshalb von der Anwesenheit des Betr. in der am 13.03.2014 fortgesetzten Hauptverhandlung aufgrund der im Verfahren abgegebenen schriftlichen Erklärungen, namentlich dem per Telefax noch vor Beginn der Hauptverhandlung übermittelten und dem Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung auch tatsächlich vorliegenden Verteidigerschriftsatz vom 13.03.2014 kein weiterer Beitrag zur Sachaufklärung mehr zu erwarten war.
3.
Der Anspruch des Betr. auf rechtliches Gehör ist - wie die GenStA in ihrer Antragsschrift im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Rechtsbeschwerderechtfertigung zutreffend ausführt - hier dadurch verletzt worden, dass das AG den mit Verteidigerschriftsatz vom 13.03.2014 zumindest sinngemäß gestellten Antrag des Betr. auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen rechtsfehlerhaft nicht beschieden und deshalb sein Fernbleiben in der Hauptverhandlung zu Unrecht als nicht genügend entschuldigt angesehen hat mit der Folge, dass das schriftliche Vorbringen des Betr. zur Sache bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist.
a)
Einem Entbindungsantrag ist stattzugeben, wenn der Betr. sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhand...