Rz. 206

Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn die Entscheidung durch den BFH aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen (abstrakten) Interesse liegt.[299] Entscheidend ist, ob das Interesse eines größeren Kreises von Steuerpflichtigen an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts berührt ist.[300] Grundsätzliche Bedeutung können danach Rechtssachen haben, in denen es um Prinzipien/Grundsätze des Steuerrechts geht, die Rechtsfragen von allgemeinem Interesse für die Gesamtheit aufwerfen, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind oder die höchstrichterlich zwar entschieden sind, doch die vertretene Rechtsauffassung beachtlichen Widerspruch erfahren hat.[301]

 

Rz. 207

Durch die FGO-Novelle 2001 ist § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zwar nicht geändert worden; jedoch gibt es zusätzlich nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.[302] In der Praxis sollte man sich vorsorglich auf beide Zulassungsgründe berufen und die Abgrenzung dem BFH überlassen. Darüber hinaus sollte nach der Begründung zur FGO-Novelle gelten, dass Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus auch dann allgemeine Interessen nachhaltig berühren, wenn sie von erheblichem Gewicht und auch geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.[303] Dies kommt im Gesetzeswortlaut von § 115 Abs. 2 FGO aber nur ungenügend zum Ausdruck. Jedoch geht der BFH nunmehr davon aus, dass besonders schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts die Zulassung der Revision ermöglichen.[304]

Zur Frage, ob dazu an § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO (grundsätzliche Bedeutung) oder § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) anzuknüpfen ist, führt der BFH im Beschl. v. 13.10.2003[305] lapidar aus, dies sei im Ergebnis ohne Bedeutung. Eine allgemeingültige Definition des "besonders schwerwiegenden Fehlers" ist von der Rechtsprechung noch nicht entwickelt worden. Die bisherigen Entscheidungen des BFH lassen auf ein restriktives Verständnis schließen. Maßgeblich ist danach, ob die Entscheidung des Finanzgerichts "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist.[306]

[300] Vgl. Tipke/Kruse, § 115 FGO Rn 41; Beerman/Gosch, § 115 FGO Rn 80, jeweils m.w.N.
[301] Vgl. im Einzelnen Tipke/Kruse, § 115 FGO Rn 41 ff.; Gräber/Ratschow, FGO, § 115 Rn 125 ff.; von Wedelstädt, AO-StB 2005, 87, 88.
[302] BFH v. 21.1.2014 – X B 181/13 (nv); BFH v. 1.9.2004, BFH/NV 2005, 25.
[303] BT-Drucks 14/4061, 9.
[305] BStBl II 2004, 25.
[306] BFH v. 30.8.2001, BStBl II 2001, 837; BFH v. 13.10.2003, BStBl II 2004, 25.

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