Rz. 29
Die Güteverhandlung bietet die Möglichkeit einer zügigen und sowohl für den Arbeitgeber als auch für seinen Vertreter mit vergleichsweise geringem Aufwand verbundenen Beendigung des Verfahrens. Sie sollte deshalb nicht durch leichtfertiges Handeln vorschnell zum Scheitern gebracht werden. Für die in der Güteverhandlung einzuschlagende Taktik bildet die Intensität des zuvor ermittelten Annahmeverzugslohnrisikos den bedeutsamsten Faktor. Je höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer für lange Zeit arbeitslos sein wird, desto wichtiger ist es aus Sicht des Arbeitgebers, das Kündigungsschutzverfahren bald im Vergleichswege zu beenden.
Rz. 30
Sowohl im Falle der Teilnahme des Arbeitgebers bzw. eines Mitarbeiters an der Güteverhandlung als auch dann, wenn der Anwalt den Termin allein wahrnimmt, ist dringend anzuraten, als Ergebnis der vorgenommenen Bestimmung des Prozessrisikos (siehe Rdn 2 ff.) den Abfindungsbetrag festzulegen, der äußerstenfalls angeboten werden soll. Der Anwalt wird im eigenen Interesse gut daran tun, dafür Sorge zu tragen, dass dieser Betrag nicht unrealistisch niedrig festgesetzt wird.
Rz. 31
Praxishinweis
Es ist wenig sinnvoll, als Vertreter des Arbeitgebers mit einem bestimmten "Limit" in die Güteverhandlung zu gehen – besser gesagt: dorthin geschickt zu werden –, wenn die Prozesserfahrung dem Anwalt sagt, dass sich auch bei größter Anstrengung zu diesen Konditionen ein Vergleich nicht erzielen lassen wird und der Arbeitgeber später – in der Kammerverhandlung oder gar erst in II. Instanz – zähneknirschend eine weitaus höhere Abfindungssumme zahlen muss.
Rz. 32
Zudem kann der Arbeitgebervertreter es als seinen Erfolg verbuchen, wenn es ihm gelingt, einen Abfindungsvergleich unterhalb der gemeinsam mit dem Arbeitgeber festgelegten Konditionen zu erzielen. Soweit der Arbeitgeber nicht bereit ist, den unter Berücksichtigung der Höhe des Annahmeverzugslohnrisikos und der Erfolgsaussichten im Prozess vom Arbeitgebervertreter für angemessen erachteten Abfindungsbetrag zu zahlen, muss in jedem Falle mit ihm erörtert werden, wie sich die weitere Entwicklung des Arbeitsverhältnisses und des Kündigungsschutzverfahrens für den wahrscheinlichen Fall, dass auf dieser Basis eine Einigung in der Güteverhandlung nicht gefunden werden kann, gestalten soll. Arbeitgeber, die einerseits eine Abfindung in der nötigen Höhe nicht zahlen, andererseits aber auch Maßnahmen zur Reduzierung des Annahmeverzugslohnrisikos nicht treffen wollen, müssen darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihr Handeln in wirtschaftlicher Hinsicht widersprüchlich ist und erhebliche Risiken in sich birgt. Ein verständiger Arbeitgeber lässt sich dann doch noch überzeugen, seinem Vertreter einen größeren Verhandlungsspielraum mit auf den Weg zu geben.
Rz. 33
In der Güteverhandlung wird der Arbeitgebervertreter sehr genau abzuwägen haben, ob er selbst das erste Vergleichsangebot abgibt und – wenn ja – zu welchen Konditionen dies geschieht. Entscheidet er sich dafür, die Verhandlungen mit einem eigenen Angebot zu eröffnen, sollte er darauf achten, dies nicht mit zu eifrigem Bemühen zu tun. Unabhängig von den objektiven Prozessaussichten entsteht damit leicht der Eindruck, der Arbeitgeber fürchte die weitere gerichtliche Auseinandersetzung und wolle sich um jeden Preis aus dem Arbeitsverhältnis herauskaufen. Das eigene Angebot sollte in jedem Fall genug Spielraum "nach oben hin", d.h., in Bezug auf die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Obergrenze, lassen. Andererseits darf auch nicht ein zu niedriges Angebot abgegeben werden. Der Gegner wird hierdurch unnötig verärgert und geht davon aus, eine vergleichsweise Beilegung zu den von ihm selbst angestrebten Konditionen ohnehin nicht erreichen zu können, sodass er häufig die Verhandlungen abrupt abbricht.
Rz. 34
Empfehlenswert ist es außerdem, dem eigenen Angebot, soweit möglich, eine überzeugende mündliche Begründung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung voranzustellen. Es liegt im Interesse des Arbeitgebervertreters, dass auf Arbeitnehmerseite der Eindruck entsteht, die Kündigung sei wirksam und das Abfindungsangebot werde lediglich zur Abdeckung "immer irgendwie vorhandener" Restrisiken unterbreitet.
Rz. 35
In vielen Fällen ist eine richterliche Vergleichsanregung der eigenen Offerte des Arbeitgebervertreters vorzuziehen. Ein Vorschlag, der von neutraler Seite stammt, wird beim Arbeitnehmer viel leichter auf Gehör stoßen. Allerdings ist die Handhabung der Gerichte diesbezüglich sehr unterschiedlich. Mancher Vorsitzende unterbreitet gern (oft auch von sich aus) Vergleichsvorschläge, manch anderer lässt sich nicht die geringste Äußerung entlocken, etwa weil befürchtet wird, sich damit befangen zu machen. Den Versuch, einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag zu erhalten, kann der Arbeitgebervertreter in jedem Fall unternehmen.
Rz. 36
Es bleibt nun noch, diejenigen Fälle zu definieren, in denen der Erhalt eines solchen gerichtlichen Vorschlages für den Arbeitgeber nützlich ist. Diesbezüglic...