Rz. 18
Der Arbeitgebervertreter wird routinemäßig prüfen, ob die erhobene Kündigungsschutzklage an Mängeln leidet, insbesondere, ob möglicherweise die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG nicht eingehalten ist. Im Hinblick auf einen möglichen Sonderkündigungsschutz nach dem MuSchG bzw. nach dem SGB IX ist zu kontrollieren, ob arbeitnehmerseitig die Fristen für die Mitteilung der Schwangerschaft bzw. der Schwerbehinderung eingehalten sind (vgl. § 38 Rdn 12, 14 ff.).
Rz. 19
Weiter ist zu prüfen, ob die Kündigung an offensichtlichen Mängeln leidet. Zu den häufigsten Mängeln, die ohne Weiteres zur Unwirksamkeit führen, gehören
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die Kündigung gegenüber einer Schwangeren ohne vorherige Zustimmung der gem. § 17 MuSchG zuständigen Behörde (siehe § 38 Rdn 12, 13), |
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die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes (siehe § 38 Rdn 14 ff.), |
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die Kündigung durch einen Vertreter, ohne dass ein Fall des § 174 S. 2 BGB vorläge und ohne gleichzeitige Vorlage einer Originalvollmacht, mit anschließender unverzüglicher wirksamer Zurückweisung seitens des Arbeitnehmers (siehe § 38 Rdn 7 ff.), |
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die mangelnde Schriftform (z.B. nicht unterschriebene Kündigung, Kündigung per Telefax oder durch Überreichung einer Kopie, ohne dass vorher das Original zum Durchlesen überlassen wurde) sowie |
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die unterlassene oder ersichtlich mangelbehaftete Betriebsratsanhörung. |
Rz. 20
In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer eine derart starke Verhandlungsposition, dass ein für den Arbeitgeber akzeptabler Vergleich auf dieser Basis häufig nicht erreicht werden kann. Es ist dann dringend zu empfehlen, die Kündigungserklärung erneut, diesmal mangelfrei, vorzunehmen, um dann in ernsthafte Vergleichsgespräche einzutreten.
Rz. 21
Praxishinweis
Häufig ist zu beobachten, dass die Aussichten, sich mit Erfolg gegen eine Kündigungsschutzklage zu verteidigen, zu optimistisch eingeschätzt werden. Der Arbeitgebervertreter kann dies vermeiden, indem er im Hinblick auf die durch seinen Mandanten veranlasste Kündigung eine kritische Distanz einnimmt. Es lohnt, sich zu überlegen, welche Mängel der Kündigung man als Arbeitnehmervertreter geltend machen würde. Die Angaben des Arbeitgebers sollten der rechtlichen Bewertung in keinem Fall ungeprüft zugrunde gelegt werden.
Rz. 22
Bei einer ebenso kritischen wie gründlichen Überprüfung wird man erfahrungsgemäß in der überwiegenden Zahl der Fälle zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kündigung an Mängeln leidet, zumindest aber Beurteilungsspielräume bestehen, die in dem für den Arbeitgeber ungünstigen Fall zur Verneinung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung führen. Es ist in diesen Fällen sinnvoll, einen zügigen Vergleichsabschluss anzustreben, weil die Schwächen in einem frühen Verfahrensstadium meist noch nicht zu Tage getreten sind und das Annahmeverzugslohnrisiko noch nicht zur Entfaltung gelangt ist.
Rz. 23
Es verbleiben die wenigen Fälle, in denen von geringen Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage ausgegangen werden kann. Hierbei handelt es sich nahezu ausschließlich um bestimmte Arten betriebsbedingter Kündigungen, bei denen die dringenden betrieblichen Erfordernisse relativ einfach strukturiert sind und damit ohne größere Schwierigkeiten substantiiert dargelegt werden können, vergleichbare Arbeitsplätze nicht vorhanden oder sämtliche vergleichbaren Arbeitnehmer auch gekündigt worden sind oder eine gründliche Sozialauswahl nach einem anerkannten Punkteschema stattgefunden hat, und eine ebenfalls sorgfältige Suche nach freien Arbeitsplätzen im Unternehmen ergebnislos geblieben ist. Gerade hier hat aber eine besonders gründliche Prüfung der Kündigung hinsichtlich ihrer formellen Wirksamkeit, insbesondere hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit einer etwa durchzuführenden Betriebsratsanhörung oder – falls eine Massenentlassung vorliegt – der Einhaltung der in §§ 17 ff. KSchG aufgestellten Regeln, stattzufinden. Allerdings kann auch hier regelmäßig erst nach Ablauf von drei Wochen (vgl. § 38 Rdn 16) nach Zugang der Kündigung ausgeschlossen werden, dass der Arbeitnehmer sich wegen einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung oder eines (mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellten, vgl. § 38 Rdn 14) Antrages auf Feststellung der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung auf Sonderkündigungsschutz nach dem SGB IX beruft.
Rz. 24
Selbst wenn aber einer der letztgenannten Fälle vorliegt, in denen auch bei gründlicher Prüfung ein Mangel der Kündigung nicht festgestellt werden kann, kommt es im Kündigungsschutzprozess häufig zur Zahlung – dann allerdings relativ bescheidener – Abfindungen oder zu einer (moderaten) Erhöhung der dem Arbeitnehmer zustehenden Sozialplanabfindung. Das rechtfertigt sich damit, dass rechtliche Mängel der Kündigung meist eben doch nicht mit letztverbindlicher Sicherheit ausgeschlossen werden können und zudem der Aufwand eines langwierigen Rechtsstreits vermieden werden soll. Zum Teil wird aber auch von Arbeitgeberseite die Zahlung einer Abfindung...