Rz. 434
Die Klägerin (Regressbeauftragte der Bundesagentur für Arbeit) nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht des Leistungsempfängers W. auf Ersatz der Kosten für Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation und von Arbeitslosengeld in Anspruch.
Rz. 435
Am 20.4.1999 nahm der Beklagte den damals zwölfjährigen W. als Sozius auf dem vom ihm gesteuerten Mofa mit. Infolge von Unaufmerksamkeit kam der Beklagte von der Fahrbahn ab, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug. Hierbei erlitt W., der keinen Helm trug, schwere Verletzungen, insbesondere ein Schädelhirntrauma mit Basalganglienblutung. Seit dem Unfall ist er zu 100 % schwerbehindert. Er leidet seither an einer inkompletten Lähmung der Extremitäten, einer Verlangsamung der Sprache und einer Störung der Wortbildung. Außerdem hat er eine Sehschwäche sowie eine Merkfähigkeitsstörung mit Leistungsminderung des Intellekts. Im Jahr 2003 erlangte er den Hauptschulabschluss. Von 2003 bis 2005 absolvierte er eine zweijährige Berufsvorbereitung, an die sich der Besuch einer kaufmännischen Berufsfachschule anschloss. Diese Ausbildung musste W. im Jahr 2006 allerdings abbrechen, weil er weitergehende Unterstützung benötigte. Seit dem 10.7.2006 bezieht er von der Klägerin Leistungen zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben gemäß den §§ 97 ff. SGB III a.F. (Ausbildung) und Arbeitslosengeld. Im August 2012 wurde er in einer Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen. Die Klägerin übernahm die Kosten der Eingliederung. Nach dem 31.10.2014 trat W. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle an. Zum Ausgleich seiner unfallbedingten Leistungsminderung bewilligte die Klägerin seinem Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss für die Zeit vom 1. April bis 30.9.2015. Auch dieser Versuch scheiterte letztlich. W. befindet sich seither im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen.
Rz. 436
Mit Schreiben vom 16.10.2014 informierte der Landkreis Karlsruhe die Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit Bruchsal darüber, dass W. einen Verkehrsunfall erlitten hatte, und fragte an, ob die Klägerin Regressansprüche realisiert habe. Der Vorgang wurde sodann zur Durchführung des Regressverfahrens gemäß § 116 SGB X an die Klägerin abgegeben. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten lehnte jede Eintrittspflicht unter Berufung auf einen im Juli 2008 mit dem Geschädigten abgeschlossenen Abfindungsvergleich ab. Mit der am 14.12.2017 eingereichten und dem Beklagten am 22.1.2018 zugestellten Klage begehrte die Klägerin Ersatz der ihr bis dahin entstandenen Kosten in Höhe von 211.062,57 EUR sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten im Hinblick auf weitere und zukünftige Leistungen. Der Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
Rz. 437
Das LG hat die Klage als verjährt abgewiesen. Die streitgegenständlichen Ansprüche seien nicht vor dem 10.7.2006 auf die Klägerin übergegangen, so dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Geschädigten und nicht die der Klägerin ankomme. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihre Ansprüche weiter.