Leitsatz (amtlich)
1. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Anspruchsübergangs gemäß § 116 SGB X ist zu differenzieren. Maßgeblich für die Differenzierung ist der Grund der Leistungserbringung und nicht der Träger der Leistung.
Bei Sozialleistungen, die aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen sind, findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, sofern das Versicherungsverhältnis schon zu diesem Zeitpunkt besteht.
Bei Sozialleistungen, deren Gewährung nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses, sondern an andere Voraussetzungen gebunden ist, ist für den Rechtsübergang erforderlich, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist.
2. Zur grob fahrlässigen Unkenntnis von Bediensteten der Regressabteilung (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 BGB).
Normenkette
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, §§ 823, 842; SGB III § 122; SGB X § 116 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24. Juli 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht des Leistungsempfängers W. auf Ersatz der Kosten für Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation und von Arbeitslosengeld in Anspruch.
Rz. 2
Am 20. April 1999 nahm der Beklagte den damals 12-jährigen W. als Sozius auf dem vom ihm gesteuerten Mofa mit. Infolge von Unaufmerksamkeit kam der Beklagte von der Fahrbahn ab, geriet auf die Gegenfahrbahn und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug. Hierbei erlitt W., der keinen Helm trug, schwere Verletzungen, insbesondere ein Schädelhirntrauma mit Basalganglienblutung. Seit dem Unfall ist er zu 100 % schwerbehindert. Er leidet seither an einer inkompletten Lähmung der Extremitäten, einer Verlangsamung der Sprache und einer Störung der Wortbildung. Außerdem hat er eine Sehschwäche sowie eine Merkfähigkeitsstörung mit Leistungsminderung des Intellekts. Im Jahr 2003 erlangte er den Hauptschulabschluss. Von 2003 bis 2005 absolvierte er eine zweijährige Berufsvorbereitung, an die sich der Besuch einer kaufmännischen Berufsfachschule anschloss. Diese Ausbildung musste W. im Jahr 2006 allerdings abbrechen, weil er weitergehende Unterstützung benötigte. Seit dem 10. Juli 2006 bezieht er von der Klägerin Leistungen zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben gemäß den §§ 97 ff. SGB III a.F. So begann er am 10. Juli 2006 in Kostenträgerschaft der Klägerin eine Ausbildung zur Bürokraft in einem Berufsförderungswerk, die er am 30. September 2009 erfolgreich beendete. Während der Ausbildung bezog er von der Klägerin Ausbildungsgeld und vom 1. Oktober bis 16. November 2009 Arbeitslosengeld. Nach einer von der Klägerin finanzierten Maßnahme der Weiterbildungsförderung bezog er vom 25. Februar bis 13. Dezember 2010 erneut Arbeitslosengeld. Im August 2012 wurde er in einer Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen. Die Klägerin übernahm die Kosten der Eingliederung. Nach dem 31. Oktober 2014 trat W. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Stelle an. Zum Ausgleich seiner unfallbedingten Leistungsminderung bewilligte die Klägerin seinem Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2015. Auch dieser Versuch scheiterte letztlich. W. befindet sich seither im Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 informierte der Landkreis Karlsruhe die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Bruchsal darüber, dass W. einen Verkehrsunfall erlitten hatte, und fragte an, ob die Klägerin Regressansprüche realisiert habe. Der Vorgang wurde sodann zur Durchführung des Regressverfahrens gemäß § 116 SGB X an die Klägerin abgegeben. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten lehnte jede Eintrittspflicht unter Berufung auf einen im Juli 2008 mit dem Geschädigten abgeschlossenen Abfindungsvergleich ab. Mit der am 14. Dezember 2017 eingereichten und dem Beklagten am 22. Januar 2018 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Ersatz der ihr bis dahin entstandenen Kosten in Höhe von 211.062,57 € sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten im Hinblick auf weitere und zukünftige Leistungen. Der Beklagte hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
Rz. 4
Das Landgericht hat die Klage als verjährt abgewiesen. Die streitgegenständlichen Ansprüche seien nicht vor dem 10. Juli 2006 auf die Klägerin übergegangen, so dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Geschädigten und nicht die der Klägerin ankomme. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die dem Grunde nach außer Streit stehenden Ansprüche des Geschädigten aus § 823 Abs. 1, §§ 249, 842 BGB seien gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen. Denn sie habe zugunsten des unfallbedingt schwerbehinderten Geschädigten Leistungen nach dem SGB III, speziell Maßnahmen der beruflichen Förderung und Rehabilitation erbracht. Der Anspruchsübergang sei bereits im Zeitpunkt des Unfalls erfolgt. Die in Rede stehenden Sozialleistungen der Klägerin seien von dieser nicht aufgrund irgendeines bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses, sondern wegen der unfall- und dadurch behinderungsbedingt eingetretenen Unterstützungs-, Förder- und Rehabilitationsbedürftigkeit des Geschädigten geleistet worden. In einer solchen Situation sei der Anspruchsübergang davon abhängig, ob nach der im Zeitpunkt des Schadensereignisses gegebenen Sachlage ein Leistungsträger voraussichtlich Sozialleistungen werde erbringen müssen. Im Streitfall sei deshalb entscheidend, ob schon im Zeitpunkt des Unfalls entsprechende Sozialleistungspflichten in der Zuständigkeit der Klägerin - konkret behinderungsbedingte Berufsausbildungs- und Berufsbegleitungsfördermaßnahmen - nicht etwa bloß möglich oder (nur) nicht völlig ausgeschlossen, sondern vielmehr schon "ernsthaft in Betracht zu ziehen" gewesen seien. Letzteres sei aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens zu bejahen. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und überzeugend festgestellt, dass aufgrund der Schwere der Unfallfolgen und der Beeinträchtigung des W. stets damit zu rechnen gewesen sei, dass die Verhinderung einer Arbeitslosigkeit und die Integrierung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dauerhaft zusätzlicher Unterstützung und Förderung bedürfen würde.
Rz. 6
Die Ansprüche seien indes gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt. Seien in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, komme es für den Beginn der Verjährung auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung, nicht hingegen der Leistungsabteilung an. Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung könne sich daraus ergeben, dass diese intern nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um sicherzustellen, dass sie frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis erlange, die einen Regress begründen könnten. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast sei es Sache des Trägers der Sozialversicherung, Einzelheiten der internen Organisation und der internen Abläufe darzulegen.
Rz. 7
Dieser sekundären Darlegungslast habe die Klägerin nicht genügt. Selbst nach dem ergänzenden Vorbringen der Klägerin bleibe fraglich, ob und ggf. ab wann es eine Regressabteilung gegeben habe. Dem Schreiben des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit vom 5. August 1998 lasse sich lediglich entnehmen, dass den Landesarbeitsämtern die Verfolgung übergegangener Schadensersatzansprüche übertragen worden sei; die Bestimmung der bei den Landesarbeitsämtern zuständigen Stellen sei jedoch diesen überlassen. Dass und wann eine solche Bestimmung in Baden-Württemberg tatsächlich vorgenommen worden sei und eine etwa bestimmte Stelle ihre Arbeit aufgenommen habe, ergebe sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Der Vortrag der Klägerin bleibe für den hier maßgeblichen Bereich des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg und die hier streitgegenständlichen Maßnahmen sowohl hinsichtlich des Errichtungszeitpunkts als auch hinsichtlich der Organisation und der Zuständigkeit der Regressstelle sowie hinsichtlich einer Mitteilung an die Arbeitsämter über die Einrichtung und die Art und Weise, in der diese die regressbearbeitende Stelle über Regressfälle zu informieren hätten, unzureichend allgemein. Die Klägerin habe insbesondere keine schriftlichen Anweisungen für das hier maßgebliche Landesarbeitsamt Baden-Württemberg vorgelegt. Es genüge auch nicht, dass irgendeine Regressstelle eingerichtet worden sei. Entscheidend sei allein, ob es eine für den hier gegenständlichen Leistungsbereich gegeben habe. Es bedürfe auch keiner - im Ergebnis ausforschenden - Vernehmung der von der Klägerin angebotenen und präsent gestellten Zeugen für die Existenz einer Regressabteilung schon im hier interessierenden Zeitraum ab 2005 bzw. 2006 beim Landesarbeitsamt Baden-Württemberg bzw. sodann bei der Regionaldirektion Baden-Württemberg. Letzteres könne sogar unterstellt werden, ändere im Ergebnis gleichwohl nichts. So lasse sich schon nicht feststellen, dass eine Rundverfügung den hier in Rede stehenden Leistungsbereich betroffen hätte. Dem RD-Rundbrief 2004 vom 26. April 2004 (Anlage MW 27) lasse sich für den streitgegenständlichen Bereich der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch III nichts entnehmen. Denn ergänzt worden sei lediglich die Dienstanweisung im Anhang 7 zu den Durchführungsanweisungen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, nicht hingegen etwa eine Dienstanweisung für den hier betroffenen Leistungsbereich. Dies werde bestätigt durch die Anlage zum RD-Rundbrief 2004 "Arbeitshilfe Regress", in der für den hier interessierenden Bereich "sonstige zu regressierende Leistungen" im Gegensatz zu dem Bereich "Alg/Alhi" und "Reha" erneut gerade keine Regelung getroffen worden sei, sondern lapidar und ausschließlich auf eine Verantwortung der Arbeitsämter und Arbeitsagenturen für den Informationsaustausch hingewiesen worden sei. Unbehelflich sei, dass die Klägerin erstmals im Termin vom 20. Juli 2020 vorgetragen habe, sämtliche im Streitfall in Rede stehenden Leistungen seien Reha-Leistungen, für die eine Regressabteilung eingerichtet und eine entsprechende Arbeitsanweisung bestanden habe; soweit in Anlage MW 28 Reha-Leistungen erwähnt seien, hätte jeder Mitarbeiter der Klägerin auch sämtliche hier in Rede stehenden Leistungen darunter gefasst. Dieses bestrittene Vorbringen sei neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Davon abgesehen sei es auch völlig unsubstantiiert. Es ignoriere die in erster Instanz aufgeführten, ausschließlich dem Sozialgesetzbuch III zugeordneten verschiedenen Leistungen der Klägerin zugunsten des Geschädigten, obwohl nicht erkennbar sei, dass das Sozialgesetzbuch III die auf seiner Grundlage erbrachten Leistungen als Reha-Leistungen qualifizieren wolle. Dies habe auch die Klägerin nicht darzulegen vermocht, obwohl sie darauf hingewiesen worden sei, dass das Berufungsgericht die hier streitgegenständlichen Leistungen als "sonstige zu regressierende Leistungen" und nicht als Reha-Leistungen verstehe. Angesichts der in verschiedenen Büchern des Sozialgesetzbuchs verteilten Rehabilitationsleistungstatbestände genüge die schlichte Behauptung eines "Verständnisses" ihrer Mitarbeiter nicht. Selbst wenn sämtliche hier in Rede stehenden Klägerleistungen als Reha-Leistungen zu verstehen seien, seien in den insoweit unklaren Arbeitsanweisungen die Zuständigkeit und die Mitteilungspflichten - namentlich in Abgrenzung zu den oben genannten "sonstigen regressierbaren Leistungen" - nicht hinreichend klar geregelt gewesen. Der Umstand, dass über den gesamten Zeitraum von 2006 bis 2014 keiner der verschiedenen mit der Leistungserbringung an den Geschädigten befassten Mitarbeiter im Zusammenhang mit der jeweiligen Leistungsgewährung irgendwelche Informationen entsprechend den Vorgaben für den Bereich "Reha" weitergeleitet habe, begründe die Überzeugung des Senats, dass es das behauptete Verständnis der Mitarbeiter nicht gegeben habe und den vorgelegten Anweisungen - jedenfalls - die notwendige Klarheit gefehlt habe.
Rz. 8
Die Urkundenlage lasse auch die Feststellung nicht zu, die Regressabteilung habe sich auf die Beachtung von Dienstanweisungen zur Meldung regressgeeigneter Fälle durch die Leistungsabteilungen verlassen dürfen. Entsprechende (hier etwa durch/für den Geschädigten ausgefüllte) aussagekräftige Formulare für die hier in Rede stehenden Leistungen lägen bis zuletzt nicht vor. Die einzige zuletzt vorgelegte Unterlage aus dem Jahr 2009 belege sogar eindeutig einen Verkehrsunfall des Geschädigten; gleichwohl seien bis 2014 klägerseits keine Initiativen bezüglich des Regresses unternommen worden. Ebenso wenig sei dargelegt oder gar belegt, dass und wie in irgendeiner Weise seitens der "unterstellbaren" Regressabteilung der Klägerin sichergestellt worden wäre, dass - bislang nicht dargelegte - Organisationsanweisungen für den betroffenen Leistungsbereich tatsächlich beachtet worden seien. Dies sei sogar fernliegend, da in den vorgelegten Übersichten über Einnahmen aus Regressen der Bereich des Sozialgesetzbuchs III nicht erfasst werde, sondern lediglich der nicht einmal auf das Sozialgesetzbuch III fokussierte Teil-Bereich der "Reha". Dieser weise zudem für das Jahr 2012 als Einnahmen 0 € aus.
Rz. 9
Das Berufungsgericht sei deshalb davon überzeugt, dass die zuständigen Regress-Mitarbeiter der Klägerin im Zeitpunkt der ersten Befassung der Klägerin mit dem Fall des Geschädigten im Juli 2006 nicht hinreichend sichergestellt hätten, dass sie von etwaigen regressgeeigneten Sachverhalten Kenntnis erhielten. Andernfalls hätten sie schon 2006 Kenntnis davon erhalten, dass die Beeinträchtigungen des Geschädigten auf einem vom Beklagten schuldhaft verursachten Verkehrsunfall beruhten und nicht etwa angeboren oder schicksalhaft eingetreten seien. Schließlich sei der Leistungsabteilung der Klägerin ausweislich des eigenen Vortrags der Klageschrift schon 2006 bekannt gewesen, dass der Geschädigte infolge unfallbedingter Beeinträchtigungen den Besuch einer kaufmännischen Berufsfachschule habe abbrechen müssen, weil er aufgrund des Unfalls eine weitergehende Unterstützung benötigt habe. Berücksichtige man die objektive Schwere der unfallbedingten Beeinträchtigungen des Geschädigten, erhelle dies umso mehr, dass die Regressabteilung der Klägerin ersichtlich nicht dafür Sorge getragen habe, dass jedenfalls solcherart klare Fälle eines Anspruchsübergangs gemäß § 116 Abs. 1 SGB X unverzüglich nach erstmaliger Kenntniserlangung vom Sachverhalt an die Regressabteilung gemeldet würden. Es sei schlicht nicht nachvollziehbar, wie es bei - behaupteten - hinreichend klaren Anweisungen und einer - pauschal behaupteten - Kontrolle der Einhaltung der Anweisung dazu habe kommen können, dass keiner der Mitarbeiter, die mit der Bewilligung und Gewährung der vielfältigen Leistungen im Zeitraum zwischen dem Jahr 2006 und dem Jahr 2014 befasst gewesen seien, die Regressabteilung informiert habe. Die Verjährung habe deshalb mit Ablauf des 31. Dezember 2006 begonnen und sei mit dem 31. Dezember 2009 abgelaufen. Auf die behauptete erstmalige positive Kenntniserlangung durch das Schreiben des Landkreises Karlsruhe von 2014 komme es ungeachtet dessen nicht an, da durch das Anschreiben der Klägerin keine neuen Informationen zugänglich gemacht worden seien. Deren Mitarbeiter der Leistungsabteilung hätten spätestens seit 2006 von den durch einen Verkehrsunfall des Geschädigten W. bedingten, ihre Unterstützungsleistungen erfordernden Beeinträchtigungen gewusst; diese Kenntnis sei auch in den Folgejahren im Rahmen wiederholter Hilfebewilligungen aktualisiert und vertieft worden.
II.
Rz. 10
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz des von ihr an W. gezahlten Arbeitslosengeldes und der von ihr aufgebrachten Kosten der beruflichen Rehabilitation nicht verneint werden.
Rz. 11
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass W. infolge des vom Beklagten durch Unachtsamkeit herbeigeführten Verkehrsunfalls vom 20. April 1999 ein Anspruch auf Ersatz der von ihm hierbei erlittenen Schäden aus § 823 Abs. 1, §§ 249, 842 f. BGB entstanden ist. Dieser Anspruch umfasst den Ersatz sowohl der wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die W. erlitten hat, weil und soweit er seine Arbeitskraft verletzungsbedingt nicht verwerten kann, als auch der Kosten, die der Aktivierung seiner verbliebenen Arbeitskraft dienen (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2015 - VI ZR 379/14, BGHZ 206, 136 Rn. 22). Dies stellt die Revisionserwiderung nicht in Frage.
Rz. 12
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass dieser Anspruch gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 10 SGB X auf die Klägerin übergegangen ist, soweit diese sachlich und zeitlich kongruente Leistungen an W. erbracht hat.
Rz. 13
3. Nicht frei von Rechtsfehlern sind allerdings die Erwägungen zum Zeitpunkt des Anspruchsübergangs. Das Berufungsgericht hat aus dem Blick verloren, dass Gegenstand des mit der Klage verfolgten Anspruchs auch das von der Klägerin an W. gezahlte Arbeitslosengeld ist. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Anspruchsübergangs ist aber zwischen den unabhängig von einem Sozialversicherungsverhältnis erbrachten Leistungen der Klägerin - insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 97 SGB III in der Fassung vom 19. Juni 2001) - und den aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses erbrachten Entgeltersatzleistungen in Form des Arbeitslosengeldes (§ 116 Nr. 1 SGB III in der Fassung vom 24. April 2006 in Verbindung mit § 117 SGB III in der Fassung vom 20. April 2007 sowie § 123 SGB III in der Fassung vom 15. Juli 2009) zu differenzieren.
Rz. 14
a) Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen (sachliche Kongruenz) und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen (zeitliche Kongruenz). Dabei knüpft der Forderungsübergang an die Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers an ("zu erbringen hat") und nicht an tatsächlich erbrachte Leistungen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2003 - VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 347 ff., juris Rn. 15 ff.; vom 19. Januar 2021 - VI ZR 125/20, VersR 2021, 395 Rn. 6 mwN). Gemäß § 116 Abs. 10 SGB X gilt die Bundesagentur für Arbeit als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.
Rz. 15
b) Hinsichtlich des Zeitpunkts des Anspruchsübergangs ist zu differenzieren. Bei Sozialleistungen, die aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses zu erbringen sind, findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, sofern das Versicherungsverhältnis schon zu diesem Zeitpunkt besteht. In diesem Fall ist bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses die mögliche Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers für die Beteiligten hinreichend klar überschaubar. Besteht das Versicherungsverhältnis zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht, erfolgt der Anspruchsübergang (frühestens) dann, wenn es begründet wird. Denn das Sozialversicherungsverhältnis ist das besondere Band, das den Boden für den Forderungsübergang schafft (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120, juris Rn. 16; vom 19. Januar 2021 - VI ZR 125/20, VersR 2021, 395 Rn. 12; vom 24. April 2012 - VI ZR 329/10, VersR 2012, 924 Rn. 9; vom 5. Mai 2009 - VI ZR 208/08, VersR 2009, 995 Rn. 6).
Rz. 16
Anderes gilt für Sozialleistungen, deren Gewährung nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses, sondern an andere Voraussetzungen gebunden ist, wie dies bei Leistungen des Sozialhilfeträgers und den von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringenden Rehabilitationsleistungen der Fall ist. Hier muss das Versicherungsverhältnis, das in der oben dargestellten Fallgruppe die Grundlage für den Forderungsübergang legt, durch andere Umstände ersetzt werden, die auf die Pflicht zur Erbringung künftiger Sozialleistungen schließen lassen. Für den Rechtsübergang ist deshalb erforderlich, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2015 - VI ZR 379/14, BGHZ 206, 136, Rn. 12; vom 25. Juni 1996 - VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129, juris Rn. 15; vom 20. September 1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120, juris Rn. 17 f.; vom 5. Mai 2009 - VI ZR 208/08, VersR 2009, 995 Rn. 6; vom 27. Juni 2006 - VI ZR 337/04, VersR 2006, 1383, juris Rn. 11; Schlaeger/Bruno in Hauck/Noftz SGB X, § 116 Rn. 176, 186 [August 2018]; Schütze/Bieresborn, SGB X, 9. Aufl., § 116 Rn. 9).
Rz. 17
Maßgeblich für die Differenzierung ist mithin der Grund der Leistungserbringung und nicht der Träger der Leistung (zutreffend: Schlaeger/Bruno, aaO, Rn. 186; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Januar 2021 - VI ZR 125/20, VersR 2021, 395 Rn. 12 f.). Anders ist das - vom Berufungsgericht unter anderem in der Begründung der Revisionszulassung angesprochene - Senatsurteil vom 24. April 2012 (VI ZR 329/10, VersR 2012, 924) im Gesamtzusammenhang auch nicht zu verstehen. Dem ist insbesondere bei Leistungen der Bundesagentur für Arbeit Rechnung zu tragen, der eine Zwitterstellung zukommt. Ein Teil ihrer Leistungen setzt ein Sozialversicherungsverhältnis voraus, während andere unabhängig davon erbracht werden (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120, juris Rn. 17 f.; Schlaeger/Bruno, aaO, Rn. 186).
Rz. 18
c) Nach diesen Grundsätzen sind die Schadensersatzansprüche des W. jedenfalls insoweit bereits im Unfallzeitpunkt auf die Klägerin übergegangen, als diese sachlich und zeitlich kongruente Leistungen zur Förderung der Teilhabe des W. am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen gemäß §§ 97 ff. SGB III a.F. zu erbringen hat(te).
Rz. 19
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, hatte die Klägerin diese Leistungen nicht aufgrund eines bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses, sondern wegen der unfall- und dadurch behinderungsbedingt eingetretenen Unterstützungs-, Förder- und Rehabilitationsbedürftigkeit des W. zu erbringen. Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben setzten gemäß § 97 Abs. 1 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung vom 19. Juni 2001 - ebenso wie gemäß § 112 SGB III in den Fassungen vom 20. Dezember 2011 und 2. Juni 2021 - voraus, dass die Förderung des Menschen mit Behinderung wegen der Art oder Schwere seiner Behinderung erforderlich war, um seine Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und seine Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Mit Ausnahme des hier nicht in Rede stehenden Übergangsgelds (§§ 160 f. SGB III a.F.) waren und sind sie an keine besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geknüpft (vgl. Senatsurteil vom 5. Mai 2009 - VI ZR 208/08, VersR 2009, 995 Rn. 6; zu der § 97 Abs. 1 SGB III inhaltlich entsprechenden Vorgängerregelung in § 56 Abs. 1 Satz 1 AFG: Senatsurteil vom 20. September 1994 - VI ZR 285/93, BGHZ 127, 120, juris Rn. 17; zu der inhaltlich entsprechenden Nachfolgeregelung in § 112 SGB III: Gagel/Nebe, SGB III, § 112 Rn. 8b [Stand: März 2022] und Schlaeger/Bruno in Hauck/Noftz SGB X, § 116 Rn. 176, 186 [Stand: August 2018]).
Rz. 20
bb) Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, nach den konkreten Umständen des Streitfalls sei eine Leistungspflicht der Klägerin im Unfallzeitpunkt ernsthaft in Betracht zu ziehen gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revisionserwiderung versucht lediglich in unbeachtlicher Weise, die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen.
Rz. 21
d) Soweit Gegenstand der Klage das von der Klägerin an W. gezahlte Arbeitslosengeld ist, erfolgte der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang dagegen nicht bereits im Unfallzeitpunkt, sondern frühestens mit der späteren Begründung des Sozialversicherungsverhältnisses, aufgrund dessen die Klägerin diese Entgeltersatzleistung bewilligt hat (§ 116 Nr. 1 SGB III in der Fassung vom 24. April 2006 in Verbindung mit § 117 SGB III in der Fassung vom 20. April 2007 sowie § 123 SGB III in der Fassung vom 15. Juli 2009).
Rz. 22
4. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt.
Rz. 23
a) Soweit die erst mit der Begründung eines Sozialversicherungsverhältnisses übergegangenen Schadensersatzansprüche des W. betroffen sind, fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB. Wie bereits ausgeführt, hat das Berufungsgericht aus dem Blick verloren, dass Gegenstand des mit der Klage verfolgten Anspruchs auch das von der Klägerin an W. gezahlte Arbeitslosengeld ist.
Rz. 24
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, dass die auf die Klägerin bereits im Unfallzeitpunkt übergegangenen Schadensersatzansprüche des W. mit Ablauf des Jahres 2009 verjährt seien.
Rz. 25
aa) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass die auf die Klägerin bereits im Unfallzeitpunkt übergegangenen Schadensersatzansprüche des W. beim Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2002 noch nicht gemäß § 852 BGB a.F. verjährt waren. Die Verjährung hatte mangels positiver Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. noch nicht begonnen. Insoweit ist auf die Kenntnis der Klägerin und nicht die des Geschädigten abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 8 mwN). Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Klägerin erstmals im Jahr 2006 mit dem Schadensfall befasst.
Rz. 26
bb) Mit Recht hat das Berufungsgericht diese Ansprüche der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB n.F. unterstellt und den Beginn der Verjährung vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. abhängig gemacht. Nach dieser Bestimmung beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Rz. 27
cc) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhe auf grober Fahrlässigkeit. Sie rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags der Klägerin zur inneren Organisation und zu den internen Abläufen in Zusammenhang mit der Durchsetzung von Regressansprüchen überspannt hat.
Rz. 28
(1) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung die vom Bundesgerichtshof für die Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB a.F. und des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 BGB n.F. entwickelten Grundsätze zugrunde gelegt, wonach bei Behörden und öffentlichen Körperschaften die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst zu laufen beginnt, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist (Senatsurteile vom 22. April 1986 - VI ZR 133/85, VersR 1986, 917, juris Rn. 15 f.; vom 12. Mai 2009 - VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 12 mwN; vom 15. März 2011 - VI ZR 162/10, VersR 2011, 682 Rn. 11). Sind in einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig - nämlich die Leistungsabteilung hinsichtlich der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten und die Regressabteilung bezüglich der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten -, kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an. Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Bediensteten der Leistungsabteilung ist demgegenüber regelmäßig unerheblich und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergeben (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 2012 - VI ZR 9/11, VersR 2012, 738 Rn. 9 ff.; vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 10 ff.; BGH, Urteile vom 9. März 2000 - III ZR 198/99, VersR 2000, 1277, juris Rn. 12; vom 20. Oktober 2011 - III ZR 252/10, VersR 2012, 587 Rn. 12 f., 20).
Rz. 29
(2) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei der Klägerin habe es im relevanten Zeitraum ab dem Jahre 2006, in dem die Klägerin erstmals mit dem Schadensfall des W. befasst worden ist, schon gar keine Regressabteilung für den Bereich der hier streitgegenständlichen Leistungen gegeben, auf deren Kenntnisse abzustellen wäre; die Klägerin habe die Existenz einer solchen Regressabteilung bereits nicht schlüssig dargetan.
Rz. 30
(a) Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Klägerin insoweit als sekundär darlegungsbelastet angesehen hat. Denn der für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin primär darlegungsbelastete Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, VersR 2009, 1630 Rn. 25) hat hinsichtlich der internen Organisation der Klägerin im Jahre 2006 und später keine näheren Kenntnisse und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung, während die Klägerin alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben hierzu zu machen (vgl. Senatsurteile vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 23; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 34 ff.; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 367/19, VersR 2020, 1331 Rn. 16 mwN; BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, VersR 2009, 1630 Rn. 25).
Rz. 31
(b) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags der Klägerin zu ihrer internen Organisation überspannt hat. Wie die Revision zutreffend geltend macht, hatte die Klägerin substantiiert dargetan, dass zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Leistungsanträge des geschädigten W. eine Trennung zwischen Leistungs- und Regressbereich bestanden hatte, und Unterlagen vorgelegt, die eine entsprechende Aufteilung der Zuständigkeiten bestätigen.
Rz. 32
(aa) Die Klägerin hatte im Anschluss an die Hinweise des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2019 mit Schriftsätzen vom 5. Dezember 2019 und 6. Juli 2020 die im Zuständigkeitsbereich der Bundesanstalt für Arbeit und später der Bundesagentur für Arbeit ergriffenen Maßnahmen zur Organisation der Durchsetzung von Regressansprüchen dargelegt und die diesbezüglichen Dienstanweisungen vorgelegt. Sie hatte insbesondere auf den für den maßgeblichen Zeitraum ab 2006 relevanten "RD-Rundbrief" 16/2004 vom 26. April 2004, mit dem die zuvor ergangenen Rundverfügungen aus den Jahren 1998, 1999 und 2003 aufgehoben wurden, sowie die Anlage zu "RD-RB Nr. 16/2004" - die "Arbeitshilfe Regress" - hingewiesen; zugleich hatte sie diese Weisungen unter konkreter Bezugnahme als Anlagen MW 27 und 28 vorgelegt. Außerdem hatte sie dargelegt, dass die Verfolgung aller Regressansprüche dem Fachgebiet Regress bei den Regionaldirektionen (RD) oblag und ausgeführt, dass der "RD-Rundbrief 16/2004" vom 26. April 2004 von der Regionaldirektion Baden-Württemberg als zuständiger Regressstelle übersandt worden sei.
Rz. 33
Dieser Vortrag wird durch den Inhalt des Rundbriefs gestützt. Der Brief betrifft ausweislich seiner Überschrift die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 116 SGB X. Es wird darauf hingewiesen, dass trotz einer Steigerung der Einnahmen im Jahr 2003 die Auswertung der Jahresergebnisse vermuten lasse, dass das Potential der regressierbaren Leistungen nicht ausgeschöpft worden sei. Die Regionaldirektion sei auf die zeitnahe Zuarbeit der Agenturen angewiesen. Die wesentliche Aufgabe der Agenturen für Arbeit bestehe in der Vorlage von Schadensfällen, in denen der Verdacht von Schadensersatzansprüchen der Bundesagentur für Arbeit bestehe. Zur weiteren Optimierung des Verfahrens sei eine Arbeitshilfe (Arbeitshilfe Regress) erstellt worden, die verbindliche Verfahrensregelungen enthalte und auf der Intranetseite der "RD BW" im Bereich interner Service, Arbeitsmittel, Regress abrufbar sei.
Rz. 34
Die ausweislich des Rundbriefs als Anlage übersandte und auf der Intranetseite der Regionaldirektion Baden-Württemberg abrufbare "Arbeitshilfe Regress" enthält auf sechs Seiten konkrete Bestimmungen zum Erkennen von Regressfällen und zur Durchführung des Regressverfahrens. Als für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen (Regressansprüche) zuständige Stelle wird mehrfach das "Fachgebiet Regress bei der Regionaldirektion", das "Fachgebiet Regress bei der RD", das "Fachgebiet Regress" und die "Regressstelle bei der RD" benannt, der alle Fälle vorzulegen seien, in denen der Verdacht von Schadensersatzansprüchen der Bundesagentur bestehe. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Stelle die regressrelevanten Unterlagen vorzulegen und Sachstandsänderungen unaufgefordert mitzuteilen seien. Zugleich wird den Arbeitsagenturen die Korrespondenz mit Versicherungen, Leistungsträgern oder Rechtsvertretern in Regressangelegenheiten untersagt; eingehende Schreiben seien ohne Abgabenachricht unverzüglich dem Fachgebiet Regress zu übersenden. Über den Abschluss des Regressverfahrens würden die Arbeitsagenturen durch das "Fachgebiet Regress" informiert. Abschließend werden fünf Personen unter Angabe ihrer Telefonnummer als für den Regress zuständige "Ansprechpartner in der Regionaldirektion" benannt.
Rz. 35
Wie die Revision zu Recht geltend macht, hatte die Klägerin darüber hinaus zwei Personen namentlich benannt, die in der maßgeblichen Zeit als Regresssachbearbeiter bei der regressbearbeitenden Stelle der Regionaldirektion Baden-Württemberg tätig gewesen seien.
Rz. 36
(bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betreffen die Ausführungen der Klägerin und die Unterlagen MW 27 und 28 auch den Regress im hier streitgegenständlichen Leistungsbereich. Die "Arbeitshilfe Regress", die ausweislich des "RD-Rundbrief" 16/2004 vom 26. April 2004 verbindliche Verfahrensregelungen vorgibt und die zugleich aufgehobenen Rundverfügungen aus den Jahren 1998, 1999 und 2003 ersetzt, regelt ersichtlich die Gestaltung des Regressverfahrens für sämtliche Leistungsbereiche der Bundesagentur für Arbeit.
Rz. 37
Die hier in Rede stehenden Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff. SGB III a.F. - zu denen gemäß § 103 Nr. 2 und 3 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung vom 27. Dezember 2003 als besondere Leistungen insbesondere das von der Klägerin zum Gegenstand der Klage gemachte Ausbildungsgeld und die Teilnahmekosten für berufsfördernde Maßnahmen gehören - werden auf Seiten 2 und 3 der "Arbeitshilfe Regress" als "Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben" bzw. "Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben" ausdrücklich angesprochen. Dass sie ausweislich der Ausführungen auf Seite 3 der Arbeitshilfe Gegenstand des "Regressverfahrens (Reha)" bzw. des "Reha-Regressverfahrens" sind, ist offensichtlich der früheren Terminologie geschuldet, in der sie als "Leistungen zur beruflichen Rehabilitation" bezeichnet wurden. Der Begriff "zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben" wurde erst durch das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - am 1. Juli 2001 (BGBl. I 2001, S. 1046) eingeführt und entspricht dem in § 56 AFG verwendeten Begriff "berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation" (vgl. Karmanski in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 97 Rn. 13; BeckOK SozR/B. Schmidt, 66. Ed. 1.9.2022, SGB III § 112 Rn. 1; BeckOGK/Nebe, 1.12.2020, SGB III Vorbemerkungen zu §§ 112-129 Rn. 2). Dass es bei den in §§ 97 ff. SGB III a.F., §§ 112 ff. SGB n.F. geregelten Sozialleistungen um die berufliche Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen geht, kommt auch in den §§ 5 f. SGB IX zum Ausdruck. In § 6 SGB IX werden die Träger der Leistungen zur Teilhabe, die gemäß § 5 Nr. 2 SGB IX auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen, als "Rehabilitationsträger" bezeichnet.
Rz. 38
Dieser Beurteilung steht der Umstand nicht entgegen, dass das Berufungsgericht den erstmals im Termin vom 20. Juli 2020 gehaltenen Vortrag der Klägerin, sämtliche im Streitfall in Rede stehenden Leistungen seien "Reha-Leistungen", gemäß § 531 Abs. 2 BGB nicht zugelassen hat. Ob die von der Klägerin zum Gegenstand des Klageanspruchs gemachten Sozialleistungen als Rehabilitationsleistungen zu qualifizieren sind, ist eine rechtliche Bewertung; sie unterliegt nicht der Zurückweisung.
Rz. 39
(3) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die auf die Klägerin bereits im Unfallzeitpunkt übergegangenen Schadensersatzansprüche des W. seien verjährt, wird auch nicht von der Hilfserwägung getragen, die Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen beruhe auf grober Fahrlässigkeit der Bediensteten ihrer (zu unterstellenden) Regressabteilung; diese hätten nicht ausreichend sichergestellt, dass sie von Regressfällen namentlich aus dem hier interessierenden Bereich des SGB III Kenntnis erlangten; die Klägerin sei auch insoweit ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
Rz. 40
(aa) Entgegen der Auffassung der Revision erweist sich diese Beurteilung allerdings nicht bereits deshalb als fehlerhaft, weil es an Feststellungen zu Umständen fehlte, die die Mitarbeiter der Leistungsabteilung hätten veranlassen müssen, die Regressabteilung zu unterrichten. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass sich etwaige als grob fahrlässig zu bewertende Organisationsmängel der Regressabteilung nicht ausgewirkt hätten, wenn die Leistungsabteilung keine Erkenntnisse über ein Geschehen mit haftungsrechtlicher Relevanz hatte. In diesem Fall hätte die Regressabteilung von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners auch bei bestmöglicher Organisation keine Kenntnis erlangen können und erst recht nicht "ohne grobe Fahrlässigkeit" erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB).
Rz. 41
Nach den nicht konkret angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wussten die Mitarbeiter der Leistungsabteilung aber seit 2006 von den durch einen Verkehrsunfall des Geschädigten W. bedingten und ihre Unterstützungsleistungen erfordernden Beeinträchtigungen. Das Berufungsgericht verweist auch zu Recht auf den von der Klägerin als Anlage MW 45 vorgelegten Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 13. September 2009, in dem die Frage nach einem Verkehrsunfall oder ähnlichen Fremdverschulden nahelegenden Ereignissen mit "ja" beantwortet ist. Nach dem eigenen Rechtsstandpunkt der Klägerin - vgl. nur die Anlage "Arbeitshilfe Regress" - begründen Verkehrsunfälle angesichts der typischerweise gegebenen Gefährdungshaftung den Verdacht von Schadensersatzansprüchen der Bundesagentur.
Rz. 42
(bb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Bediensteten der (unterstellten) Regressabteilung hätten ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und dem Anspruchsgegner erlangen müssen.
Rz. 43
(α) Zwar ist die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen ist, mit der Revision nur eingeschränkt angreifbar. Der Nachprüfung unterliegt lediglich, ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 2012 - VI ZR 9/11, VersR 2012, 738 Rn. 16 mwN). Dies ist hier aber der Fall. Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Berufungsgericht auch insoweit die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags der Klägerin zu den internen Abläufen in Zusammenhang mit der Durchsetzung von Regressansprüchen überspannt. Darüber hinaus hat es den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt und den für die Klägerin geltenden Sorgfaltsmaßstab zu eng gesehen.
Rz. 44
(β) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt demnach nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 28. Februar 2012 - VI ZR 9/11, VersR 2012, 738 Rn. 17; vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 18).
Rz. 45
(γ) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ergeben sich die Obliegenheiten der Regressabteilung des Trägers der Sozialversicherung aus deren Aufgabe. Der Regressabteilung ist die Durchsetzung der nach den §§ 116, 119 SGB X übergegangenen Schadensersatzansprüche übertragen. Sie hat diese Ansprüche im Anschluss an die Leistungen, die der Träger der Sozialversicherung dem geschädigten Versicherten gewährt hat, zügig zu verfolgen. Dazu hat sie insbesondere ihr zugegangene Vorgänge der Leistungsabteilung sorgfältig darauf zu prüfen, ob sie Anlass geben, Regressansprüche gegen einen Schädiger zu verfolgen. Ferner ist es Sache der Regressabteilung, behördenintern in geeigneter Weise sicherzustellen, dass sie frühzeitig von Schadensfällen Kenntnis erlangt, die einen Regress begründen können (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 19).
Rz. 46
(δ) Die Verletzung dieser Obliegenheiten kann im Einzelfall als grob fahrlässig zu bewerten sein. So kann es sich verhalten, wenn ein Mitarbeiter der Regressabteilung aus ihm zugeleiteten Unterlagen in einer anderen Angelegenheit ohne weiteres hätte erkennen können, dass die Möglichkeit eines Regresses in einem weiteren Schadensfall in Betracht kommt, und er die Frage des Rückgriffes auf sich beruhen lässt, ohne die gebotene Klärung der für den Rückgriff erforderlichen Umstände zu veranlassen. Gleiches gilt, wenn die Mitarbeiter der Regressabteilung erkennen mussten, dass Organisationsanweisungen notwendig sind oder vorhandene Organisationsanweisungen von den Mitarbeitern der Leistungsabteilung nicht beachtet wurden und es deswegen zu verzögerten Zuleitungen von Vorgängen kam (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 22).
Rz. 47
Auch in diesen Fallgestaltungen ist jedoch zu berücksichtigen, dass die (bloße) nachlässige Handhabung der vorbeschriebenen Obliegenheiten zur Begründung grober Fahrlässigkeit nicht genügt. Wie ausgeführt erfordert die Annahme grober Fahrlässigkeit die Feststellung eines schweren Obliegenheitsverstoßes; der Gläubiger muss die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt haben.
Rz. 48
(ε) Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Annahme grober Fahrlässigkeit seitens der Mitarbeiter der Regressabteilung als rechtsfehlerhaft.
Rz. 49
(αα) Zwar ist es auch insoweit nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Klägerin hinsichtlich der Erfüllung der vorbeschriebenen Obliegenheiten als sekundär darlegungsbelastet angesehen hat. Denn es geht insoweit um Vorgänge, die sich im Wahrnehmungsbereich - im internen Geschäftsbereich - der Klägerin abgespielt haben und die der Beklagte nicht kennen kann (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2012 - VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67 Rn. 23).
Rz. 50
Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags der Klägerin zu den internen Abläufen in Zusammenhang mit der Durchsetzung von Regressansprüchen, insbesondere zu der Frage, welche Maßnahmen die Regressabteilung ergriffen hat, um sicherzustellen, dass sie frühzeitig von regressbegründenden Schadensfällen Kenntnis erlangt, überspannt hat. Wie bereits ausgeführt, hatte die Klägerin mit Schriftsätzen vom 5. Dezember 2019 und 6. Juli 2020 die im Zuständigkeitsbereich der Bundesagentur für Arbeit ergriffenen Maßnahmen zur Organisation der Durchsetzung von Regressansprüchen dargelegt und die diesbezüglichen Dienstanweisungen, insbesondere den für den maßgeblichen Zeitraum ab 2006 relevanten "RD-Rundbrief" 16/2004 vom 26. April 2004 sowie die Anlage zu "RD-RB Nr. 16/2004" - die "Arbeitshilfe Regress" - vorgelegt.
Rz. 51
Die ausweislich des Rundbriefs als Anlage übersandte und auf der Intranetseite der RDBW abrufbare "Arbeitshilfe Regress" enthält auf sechs Seiten konkrete Bestimmungen zum Erkennen von Regressfällen und zur Durchführung des Regressverfahrens. Unter der Überschrift "Allgemeines" wird die Bestimmung in § 116 SGB X erläutert und darauf hingewiesen, dass Schadensereignisse, die eine Haftung auslösen, bspw. Verkehrsunfälle sein könnten. Deshalb seien alle Fälle vorzulegen, in denen der Verdacht von Schadensersatzansprüchen der Bundesagentur für Arbeit bestehe. Unter der Überschrift "Erkennen von Regressfällen" wird erläutert, dass sich Hinweise auf mögliche Schadensersatzansprüche aus den Antragsunterlagen ergäben. So fänden sich im Antrag auf Arbeitslosengeld Hinweise bei den Fragen 2 c, 2 d, 3 e und 4. Der Antrag auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben enthalte die konkrete Frage nach einem Unfallereignis. In der Folge werden das Regressverfahren bei der Gewährung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe einerseits und die Einleitung des Regressverfahrens bei Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Reha-Regressverfahren) dargestellt. In beiden Fällen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der "Regressstelle bei der RD" bzw. dem "Fachgebiet Regress bei der RD" die regressrelevanten Unterlagen vorzulegen seien. Diese werden im Einzelnen bezeichnet. Während beim Regressverfahren in Bezug auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bereits die erstmalige Anspruchsanmeldung durch das "Fachgebiet Regress" erfolgt, soll beim Regress aufgrund von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben die erstmalige "Geltendmachung" noch durch die Agentur für Arbeit erfolgen. Hiermit ist ersichtlich die drei Zeilen weiter unten genannte Anzeige des Forderungsübergangs gegenüber dem Schädiger gemeint, die im Anschluss mit den anderen regressrelevanten Unterlagen, insbesondere dem Unfallfragebogen und "Reha 101 und 102" (Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Zusatzfragebogen zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) dem "Fachgebiet Regress bei der RD" vorzulegen sind. Auf den Seiten 4 bis 6 finden sich weitere sämtliche Regressverfahren betreffende Anweisungen. Das in der "Arbeitshilfe Regress" näher erläuterte Verfahren ist auch Gegenstand der mit Anlage MW 50 vorgelegten Schulungsunterlage Stand 8/2005 mit dem Titel "Erstattung und Regress - Recht und Verfahren". Auch hier wird darauf hingewiesen, dass die örtlich zuständigen Arbeitsagenturen zu prüfen haben, ob ein Regressfall vorliegen könnte, und die erhobenen Unterlagen an die Regionaldirektion weiterzuleiten haben.
Rz. 52
Wie die Revision zu Recht geltend macht, ist der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 vorgelegten Auswertung der Fallzahlen für die Regressbearbeitung aus der Zeit von 2006 bis 2012 (MW 34) zu entnehmen, dass im Organisationsbereich der Regionaldirektion Baden-Württemberg im erheblichen Umfang Regressverfahren sowohl auf dem Gebiet der Reha-Leistungen als auch der Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe) geführt worden sind und dass die Zugänge im Regressbereich in Baden-Württemberg nur von denen aus Nordrhein-Westfalen, einem deutlich bevölkerungsreicheren Bundesland, übertroffen wurden.
Rz. 53
Wie im Zusammenhang mit der Existenz einer Regressabteilung ausgeführt, betrifft der Vortrag der Klägerin auch den Regress im hier streitgegenständlichen Leistungsbereich. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen.
Rz. 54
(ββ) Soweit das Berufungsgericht die grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung hilfsweise damit begründet, den vorgelegten Anweisungen zur Durchführung des Regresses fehle jedenfalls die notwendige Klarheit, hat es übersehen, dass die bloße nachlässige Handhabung von Obliegenheiten zur Begründung grober Fahrlässigkeit nicht genügt. Angesichts der Tatsache, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben auf den Seiten 2 und 3 der "Arbeitshilfe Regress" ausdrücklich als solche angesprochen und dort - entsprechend ihrer Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen - dem Reha-Regress zugeordnet werden, mussten die Mitarbeiter der Regressabteilung nicht mit Missverständnissen seitens der für Leistungsbewilligung zuständigen Mitarbeiter rechnen. Es ist jedenfalls weder festgestellt noch sonst ersichtlich, warum sich den Mitarbeitern der Regressabteilung ein entsprechendes Fehlverständnis seitens der Leistungsabteilung in grobe Fahrlässigkeit begründender Weise hätte aufdrängen müssen.
Rz. 55
(γγ) Soweit das Berufungsgericht die grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung hilfsweise damit begründet, diese hätten nicht ausreichend sichergestellt, dass die Organisationsanweisungen für den betroffenen Leistungsbereich auch tatsächlich beachtet würden, fehlt es jedenfalls an Feststellungen zur Kausalität eines etwaigen Obliegenheitsverstoßes. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich die Regressabteilung nicht jeden einzelnen Vorgang unabhängig davon vorlegen lassen muss, ob ihm Anhaltspunkte für ein regressrelevantes Geschehen zu entnehmen sind. Vielmehr reicht es aus, wenn in den Arbeitsanweisungen vorgegeben wird, einen Vorgang erst und nur dann an das Regressdezernat abzugeben, wenn der Akte Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass es sich um einen Unfall oder sonst um einen durch dritte Personen verursachten Schadensfall handelt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - III ZR 252/10, VersR 2012, 587 Rn. 19). Dementsprechend kann die der Regressabteilung obliegende Kontrolle nicht über Stichproben hinausgehen. Selbst wenn das Unterlassen von Stichproben als grob fahrlässig zu bewerten wäre, beruhte die Unkenntnis der Regressabteilung nur dann auf diesem Obliegenheitsverstoß, wenn eine der gebotenen Stichproben den Schadensfall des W. offenbart hätte. Denn nur dann hätte die Regressabteilung von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners "ohne grobe Fahrlässigkeit" Kenntnis erlangen müssen. Hierzu fehlt es aber an jeglichen Feststellungen.
Seiters |
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von Pentz |
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Oehler |
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Klein |
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Böhm |
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Fundstellen
DAR 2023, 436 |
MDR 2023, 38 |
VersR 2023, 129 |
VRR 2023, 2 |
r+s 2023, 35 |
r+s 2023, 93 |