Rz. 619
Der BGH hat das Berufungsurteil (OLG Hamm, Urt. v. 23.9.2022 – 11 U 192/21 – juris) auf die Revision des Beklagten aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LG zurückgewiesen.
Rz. 620
Die Gewährung der Härtefallleistungen kann jedenfalls deshalb nicht zu einem Übergang von Ansprüchen der Leistungsempfänger gegen den Beklagten auf den Kläger nach § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG führen, weil der Entschädigungsfonds (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 PflVG) für durch derartige Leistungen abgedeckte Schäden aufgrund der Subsidiaritätsregel des § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG den Geschädigten gegenüber nicht haftet.
Rz. 621
Soweit den nach dem Opferentschädigungsgesetz Versorgungsberechtigten ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch gegen Dritte zusteht, geht dieser Anspruch gemäß § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG auf das zur Gewährung der Leistungen verpflichtete Land über. Der gesetzliche Forderungsübergang bezieht sich auf die Leistungen, die mit dem vom Dritten zu leistenden Schadensersatz zeitlich und sachlich deckungsgleich (kongruent) sind.
Rz. 622
Als Grundlage für Ansprüche der Betroffenen der Amokfahrt vom 7.4.2018 gegen den Beklagten, die gemäß § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG auf das klagende Land übergehen könnten, kam § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PflVG in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann derjenige, dem wegen eines durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verursachten Personen- oder Sachschadens Ersatzansprüche gegen den Halter, den Eigentümer oder den Fahrer des Fahrzeugs zustehen, diese Ersatzansprüche auch gegen den Entschädigungsfonds geltend machen, wenn für den Schaden eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat.
Rz. 623
Nach § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG entfällt die Leistungspflicht des Entschädigungsfonds jedoch, soweit der Ersatzberechtigte in der Lage ist, Ersatz seines Schadens nach den Vorschriften über die Amtspflichtverletzung zu erlangen, oder soweit der Schaden durch Leistungen eines Sozialversicherungsträgers, durch Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen, Vergütung oder Lohn oder durch Gewährung von Versorgungsbezügen ausgeglichen wird. Soweit der Entschädigungsfonds aufgrund dieser Subsidiaritätsregel gegenüber den Geschädigten leistungsfrei ist, ist ein Regress gemäß § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG mangels übergangsfähiger Ansprüche ausgeschlossen.
Rz. 624
Danach konnte der Kläger hinsichtlich der von ihm auf der Grundlage von § 1 Abs. 12 OEG a.F. i.V.m. § 89 BVG gewährten bzw. noch zu gewährenden Härtefallleistungen den Beklagten nicht aus übergegangenem Recht in Anspruch nehmen. Dabei konnte zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er – aufgrund der ergangenen Bescheide (vgl. zum konstitutiven Charakter des Bewilligungsbescheids für den Anspruch auf Gewährung von Härtefallleistungen nach § 89 BVG BVerfG, BVerfGE 60, 16, 39, juris Rn 71; BSG, Urt. v. 25.4.1978 – 9 RV 3/78, juris Rn 11) – gegenüber den Geschädigten zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet war bzw. ist, wie es gemäß § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG für den Anspruchsübergang erforderlich ist (vgl. zum Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X nur Senatsurt. v. 18.10.2022 – VI ZR 1177/20, r+s 2023, 35 Rn 14 m.w.N.). Selbst bei Erfüllung dieser Voraussetzung stand der Inanspruchnahme des Beklagten nämlich entgegen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Härtefallleistungen um Versorgungsbezüge i.S.d. § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG handelte, in deren Umfang der etwaige – ansonsten von der Beklagten nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PflVG zu ersetzende – kongruente Schaden der Opfer der Amokfahrt und deren Hinterbliebenen ausgeglichen wurde.
Rz. 625
Ob Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz bzw. dem Bundesversorgungsgesetz, auf das das Opferentschädigungsgesetz hinsichtlich der Rechtsfolgen eines gegebenen Versorgungsanspruchs verweist (§ 1 Abs. 1 S. 1 und § 1 Abs. 8 S. 1 OEG; vgl. auch BT-Drucks 7/2506, 11), unter die Subsidiaritätsklausel des § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG fallen, ist umstritten. In der Literatur gibt es Stimmen, die die Auffassung des Berufungsgerichts teilen, in dieser Vorschrift seien mit "Versorgungsbezüge" allein die von öffentlich-rechtlichen Dienstherren im Rahmen eines Beamtenverhältnisses gezahlten Versorgungsbezüge gemeint. Nach anderer Auffassung bezieht sich die in § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG angeordnete Subsidiarität auch auf Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungs- bzw. Opferentschädigungsgesetz.
Rz. 626
Der Senat schloss sich hinsichtlich der für den Streitfall maßgeblichen Fassung des Opferentschädigungsgesetzes und der auf dessen Grundlage erbrachten Härtefallleistungen der letztgenannten Ansicht an.
Rz. 627
Dem Wortlaut nach umfasst der in § 12 Abs. 1 S. 3 PflVG verwendete und dort nicht näher definierte Begriff der Versorgungsbezüge sowohl die seitens eines öffentlich-rechtlichen Dienstherren gewährten Bezüge als au...