Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 37
Nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu beraten, ob und auf welche Weise Kündigungen vermieden oder eingeschränkt und ihre Folgen verhindert werden können. Die Verpflichtung der Beteiligten zur Beratung korrespondiert mit den Pflichten aus §§ 92, 111 BetrVG. Die Pflicht zur Beratung i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG geht über eine bloße Anhörung deutlich hinaus. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Entlassungen bzw. die Möglichkeiten ihrer Vermeidung ernstlich zu verhandeln oder muss ihm solche Verhandlungen zumindest anbieten. Es besteht allerdings weder ein Einigungszwang noch ist der Arbeitgeber gezwungen, die Vorstellungen des Betriebsrats zu übernehmen. Ein ernsthafter Einigungswille ist ausreichend. Eine Verhandlungsmindestdauer sieht weder das Unionsrecht noch das nationale Recht vor. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens stellt eine eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar.
Rz. 38
Soweit die dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG mit denen nach § 111 S. 1 BetrVG übereinstimmen, kann er sie gleichzeitig erfüllen. Dabei muss der Betriebsrat allerdings klar erkennen können, dass die stattfindenden Beratungen (auch) der Erfüllung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers aus § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG dienen sollen. Insoweit kommt eine Verbindung der Verfahren in Betracht. Die Beratungen erfolgen mit dem Betriebsrat, Gespräche mit dem Wirtschaftsausschuss erfüllen diese Voraussetzung ebenso wenig wie die Einholung persönlicher Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden. Die Verbindung des Verfahrens nach § 111 BetrVG mit der Unterrichtung des (Gesamt-)Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG verletzt keine unionsrechtlichen Vorgaben.
Rz. 39
Der Anspruch des Betriebsrats auf Konsultation ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber seinen Unterrichtungspflichten nach § 17 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 KSchG nachkommt und die Auskünfte i.S.d. § 17 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 KSchG erteilt, der Betriebsrat allerdings keine Bereitschaft zu zielführenden Verhandlungen zeigt.
Die Konsultationen sind ohne Einigung beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, weitere zielführende Verhandlungen seien nicht ersichtlich, wobei ihm dabei eine Beurteilungskompetenz zusteht, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht.
Verweigert der Betriebsrat eine Stellungnahme oder ist die von ihm abgegebene Erklärung – möglicherweise – unzureichend, kann der Arbeitgeber (vorsorglich) gemäß § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG verfahren. Er kann zwei Wochen nach vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG rechtssicher und rechtswirksam unter Darlegung des Stands der Beratungen Massenentlassungsanzeige erstatten. Hierdurch wird in der Regel keine erhebliche Verzögerung eintreten.
Praxishinweis
Es empfiehlt sich, nach Aufnahme der Verhandlungen mit dem Betriebsrat auch Kontakt zur Agentur für Arbeit aufzunehmen, um das Prozedere in zeitlicher Hinsicht abzustimmen. Mit der Agentur für Arbeit muss geklärt werden, ob diese von der Möglichkeit des § 18 Abs. 2 KSchG Gebrauch machen will, die Sperrfrist auf zwei Monate auszudehnen.
Rz. 40
Ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung das nach § 17 Abs. 2 S. 2 KSchG erforderliche Konsultationsverfahren nicht durchgeführt worden, ist die Kündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB unwirksam.