Rz. 524
Das BAG hat für die inhaltliche Ausgestaltung des Zeugnisses vor allem im zentralen Bereich der Leistungs- und Führungsbeurteilung folgende Grundsätze entwickelt:
aa) Ermessens- und Beurteilungsspielraum
Rz. 525
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei bei der Zeugnisformulierung im Rahmen eines weiten Ermessens- und Beurteilungsspielraumes, den er pflichtgemäß ausschöpfen kann. Dem Arbeitgeber können demnach Formulierungen nicht vorgeschrieben werden. Es ist deshalb dem Arbeitnehmer zu raten, sämtliche Verhandlungsmöglichkeiten auszunutzen, um seine Vorstellungen von der Zeugnisformulierung durchzusetzen. Selbst wenn die Eckdaten der Leistungs- und Führungsbeurteilung erstritten werden können, ist dadurch letztlich ein "gut" formuliertes Zeugnis gegen den Willen des Arbeitgebers nicht zu erreichen.
Ausnahmsweise kann der Anspruch auf einen bestimmten Inhalt des Schlusszeugnisses gegeben sein, wenn der Arbeitgeber zeitnah zuvor ein Zwischenzeugnis erteilt hat und beim Schlusszeugnis zu Ungunsten des Arbeitnehmers davon abweichen will. In diesem Fall kann der Arbeitgeber dazu verurteilt werden, die Formulierungen aus dem Zwischenzeugnis zu übernehmen, wenn nicht die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen.
Entsprechend hat das BAG zur Bindung des Arbeitgebers an Erfüllungsversuche entschieden für den Fall, dass im Zuge von Auseinandersetzungen über das zunächst vom Arbeitgeber erteilte Zeugnis weitere Zeugnisse erstellt werden. Der Arbeitgeber kann dann bei der endgültigen Abfassung des Zeugnisses nicht von den vorangegangenen Zeugnissen, die das BAG als Erfüllungsversuche wertet, zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen. Es wird deshalb empfohlen, dass zunächst das Zeugnis nur im Entwurf zuzusenden und die endgültige unterschriebene Ausfertigung erst zu erteilen, wenn auf Arbeitnehmerseite rechtsverbindlich erklärt wird, dass der Zeugnisanspruch mit dem Zeugnis auf der Grundlage des Entwurfs erfüllt ist.
bb) Zeugnisklarheit
Rz. 526
Nach dem Grundsatz der Zeugnisklarheit muss das Zeugnis vollständig und klar sein, damit ein künftiger Arbeitgeber sich ein klares Bild von der Person des Bewerbers machen kann. Das Zeugnis muss insbesondere schlüssig und widerspruchsfrei sein, z.B. darf die Endbeurteilung nicht von den Einzelbeurteilungen abweichen und umgekehrt. Unzulässig sind Verschlüsselungen, Geheimzeichen etc. (vgl. § 109 Abs. 2 GewO). Bescheinigt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einem Zeugnis: "Wir haben Herrn K. als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte", handelt es sich nicht um eine dem Gebot der Zeugnisklarheit widersprechende verschlüsselte Formulierung (Geheimcode). Mit der Wendung "kennen gelernt" bringt der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen.
cc) Zeugniswahrheit
Rz. 527
Ein vom Arbeitgeber gem. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO auszustellendes qualifiziertes Zeugnis muss in erster Linie wahr sein. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit ist vom BAG als oberster Grundsatz der Zeugniserteilung, der alle Fragen des Zeugnisses beherrscht, entwickelt worden.
Er verpflichtet den Arbeitgeber zur Unterlassung jeglicher falscher tatsächlicher Angaben zu Lasten oder zugunsten des Arbeitnehmers. Das gilt auch für das Weglassen von Angaben, die nach der Tätigkeit des Arbeitnehmers erwartet werden, z.B. Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit bei einem Kassierer.
Aus der Wahrheitspflicht folgt nach der Rechtsprechung des BAG zugleich, dass im Zeugnis alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten sein müssen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. Umgekehrt darf der Arbeitgeber einmalige Vorfälle oder Umstände, die für das Gesamtbild und die gesamte Vertragszeit nicht charakteristisch waren, nicht in das Zeugnis aufnehmen oder verallgemeinern.
Der Grundsatz der Zeugniswahrheit gilt nicht nur zugunsten des Arbeitnehmers, sondern auch eines künftigen Arbeitgebers, soweit er an dem Zeugnisinhalt ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Deshalb muss z.B. auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ein schwebendes Ermittlungsverfahren, das auf dienstlichen Verfehlungen beruht, auch gegen den Willen des Arbeitnehmers ins Zeugnis aufgenommen werden, um eine mögliche Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers auszuschließen. Dagegen dürfen bloße Verdächtigungen nicht erwähnt werden, auch wenn sie als Grund für eine Verdachtskündigung ausreichend sein können.
Der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, insbesondere krankheitsbedingte Fehlzeiten, darf im Zeugnis grundsätzlich keine Erwähnung finden.
Eine Betätigung als Betriebsrats- oder Gewerkschafts...