Rz. 530
In der Arbeitsrechtspraxis hat sich ein Zeugnissprachgebrauch entwickelt, der allgemein bekannt ist und den Zeugnisformulierungen eine bestimmte Bedeutung verleiht. Da die gebräuchlichen Formulierungen zumeist besser scheinen als ihre tatsächliche Bedeutung ist, muss ein kritischer und vorsichtiger Umgang mit dieser Zeugnissprache angeraten werden. Es empfiehlt sich, so weit wie möglich individuelle Formulierungen zu finden, durch die Missverständnisse vermieden werden und das Zeugnis insgesamt eine bessere Qualität erhalten kann.
Besondere Bedeutung hat die Zeugnissprache bei der Gesamtbeurteilung der Leistungen nach einer "Zufriedenheits-Skala" und ihrer Entsprechung zur "Noten-Skala" erhalten:
Zufriedenheits-Skala |
Noten-Skala |
Aufgabenerledigung |
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stets zu unserer vollsten Zufriedenheit |
sehr gute Leistung |
stets zu unserer vollen Zufriedenheit |
gute Leistung |
zu unserer vollen Zufriedenheit |
durchschnittliche, befriedigende Leistung |
zu unserer Zufriedenheit |
ausreichende Leistung |
im Großen und Ganzen zu |
mangelhafte Leistung |
unserer Zufriedenheit |
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hat sich bemüht, die übertragene Arbeit |
ungenügende Leistungen |
zu unserer Zufriedenheit zu |
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erledigen/führte die übertragene |
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Aufgabe mit großem Fleiß und |
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Interesse durch |
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Diese Bewertungs-Skala muss als allgemein üblich angesehen werden. Eine überdurchschnittliche Leistung liegt nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn sie der Schulnote "gut" oder "sehr gut" entspricht. Bei einer Gesamtbeurteilung "zur vollen Zufriedenheit" handelt es sich um die Bescheinigung einer durchschnittlichen Leistung entsprechend einer mittleren Note in der Zufriedenheitsskala. Das BAG setzt im Bereich der Mittelnote die Formulierung "zu unserer Zufriedenheit erledigt" mit befriedigenden Leistungen gleich.
Auch zur Führungsbeurteilung finden sich gebräuchliche Formulierungen, die aber noch keine durchgehende Geltung wie im Bereich der Leistungsbeurteilung erlangt haben. Sie sind zum Teil in den nachfolgenden Zeugnismustern enthalten.
Rz. 531
Bedenklich sind vermeintlich positive Formulierungen, die eine negative Bedeutung haben, insbesondere im Führungsbereich:
Die Formulierung "hat die ihm übertragenen Aufgaben mit Fleiß und Interesse durchgeführt" ist die Note ungenügend.
Die Aussage, dass er seinen Mitarbeitern jederzeit ein verständnisvoller Vorgesetzter gewesen sei, wird als mangelhafte Führungsqualität gewertet.
Eine Formulierung, "er koordinierte die Arbeit seiner Mitarbeiter und gab klare Anweisungen", gilt als ungenügend.
Eine Formulierung, "wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen", kann eine positive Einschätzung durch die Mitarbeiter, nicht aber durch die Vorgesetzten bedeuten.
Die Formulierung, "er trat innerhalb wie außerhalb des Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer auf", bedeutet Tätigkeit im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft.
Der Hinweis auf Geselligkeit kann Alkohol im Dienst bedeuten.
Im Schlusssatz sind ironische Schlussbemerkungen häufig, wie "unsere besten Wünsche begleiten ihn"; "wir wünschen ihm alles Gute, vor allem Gesundheit"; "wir wünschen ihm für die Zukunft alles nur erdenklich Gute". Sie bedeuten in Wahrheit, dass man sich gerne von dem Mitarbeiter trennt. Dies gilt umso mehr dann, wenn die Bedauerns- oder Dankesformel fehlt. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit Formulierungen abzuschließen, in denen er dem Arbeitnehmer für die gute Zusammenarbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht. Die Wendung "er ist ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter" ist deutlich negativ.
Auch die Anordnung der einzelnen Bestandteile des Zeugnisses kann eine negative Bedeutung haben, wenn unnötige, unwesentliche Aussagen in den Vordergrund gestellt werden, oder positive Beurteilungen zeitlich oder räumlich eingeschränkt werden,
Der vermehrte Gebrauch von Passivformulierungen, wie der Mitarbeiter wurde eingestellt, wurde versetzt, ihm wurde übertragen, dienen oft mehr der Darstellung des Unternehmens als der aktiven Tätigkeiten und Leistungen des Arbeitnehmers.
Entsprechendes gilt für verneinende anstelle positiver Formulierungen, wie "sein Verhalten war nicht zu beanstanden".
Derartige Formulierungen können die Qualität des gesamten Zeugnisses herabsetzen und seinen Bestand gefährden.