Rz. 435
Vor Kündigungen des Arbeitgebers besonders geschützt sind nach § 15 Abs. 1 KSchG Mitglieder eines Betriebsrats (§§ 7 ff. BetrVG), einer Jugend- und Auszubildendenvertretung (§ 60 BetrVG), einer Bordvertretung (§ 115 BetrVG) und eines Seebetriebsrates (§ 116 BetrVG). Nach § 15 Abs. 2 KSchG haben die Mitglieder eines Wahlvorstandes (§ 16 BetrVG), Wahlbewerber (§ 14 BetrVG) sowie Mitglieder eines Europäischen Betriebsrats Sonderkündigungsschutz. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG beginnt für gerichtlich bestellte Mitglieder des Wahlvorstands mit der Verkündung und nicht erst mit der formellen Rechtskraft des Einsetzungsbeschlusses.
Rz. 436
Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1 BetrVG gilt auch für Ersatzmitglieder, soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied vertreten. Wenn der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist entfällt, muss eine Kündigung grundsätzlich noch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB ausgesprochen werden. Für die Frage, ob Sonderkündigungsschutz nach § 103 Abs. 1 BetrVG besteht, ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung i.S.v. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB abzustellen. Eine zeitweilige Verhinderung i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Diese Voraussetzung ist während des Erholungsurlaubs eines Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt, wenn es nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt hat, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Ein Betriebsratsmitglied ist nicht deshalb i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG zeitweilig verhindert, weil es arbeitsfrei hat. Anders als im Falle bewilligten Erholungsurlaubs ist einem Betriebsratsmitglied die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben außerhalb der persönlichen Arbeitszeit nicht grundsätzlich unzumutbar. Es muss vielmehr ein tatsächlicher Verhinderungsgrund vorliegen und vom Ersatzmitglied, das sich auf ein Nachrücken und das Eingreifen von Sonderkündigungsschutz gem. § 103 BetrVG beruft, dargelegt werden.
Rz. 437
Keinen Sonderkündigungsschutz haben Wahlbewerber für den Wahlvorstand (§ 17 Abs. 1 BetrVG), Mitglieder einer Einigungsstelle (§ 76 BetrVG), eines Wirtschaftsausschusses (§ 107 BetrVG), einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8 BetrVG) oder einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86 BetrVG), sofern diese Arbeitnehmer nicht gleichzeitig Betriebsratsmitglieder sind. Keinen Sonderkündigungsschutz haben Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat oder gewerkschaftliche Vertrauensleute der Belegschaft sowie Mitglieder eines Sprecherausschusses für leitende Angestellte.
Rz. 438
Eine ordentliche Kündigung betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger durch den Arbeitgeber ist grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen bestehen nach § 15 Abs. 4, 5 KSchG für die Fälle der Stilllegung eines Betriebes oder einer Betriebsabteilung. Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 15 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 KSchG setzt voraus, dass es sich bei dem betroffenen Arbeitsbereich um einen räumlich und organisatorisch abgegrenzten Teil des Betriebes mit personeller Einheit handelt, der einen eigenen Betriebszweck verfolgt.
Rz. 439
Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit kann im Rahmen einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung einen wichtigen Grund darstellen. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt hierbei dem Arbeitgeber. Er muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
Rz. 440
Unzulässig sind auch eine ordentliche Änderungskündigung und Massenänderungskündigungen. Eine nach § 15 Abs. 1–3 KSchG erklärte ordentliche Kündigung ist gem. § 124 BGB nichtig. Dies gilt auch dann, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, der Arbeitgeber aber nicht außerordentlich, sondern nur ordentlich kündigt.
Rz. 441
Den in § 15 Abs. 1–3 KSchG geschützten Personen kann außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt und der Betriebsrat der Kündigung nach § 103 Abs. 1 BetrVG zugestimmt hat oder die Zustimmung nach § 103 Abs. 2 BetrVG vom ArbG ersetzt wurde. Für die Beurteilung, ob Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber i.S.v. § 15 Abs. 1, Abs. 2 KSchG, § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zur Kündigung berechtigen, ist auf die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen. Ist eine Weiterbeschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung unwirksam. Im Rahmen der Interessenabwägung ist die Wiederholung der Pflichtverletzung trotz mehrerer Abmahnungen zulasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur bei individuell oder tarifvertraglich...