Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 6
Bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG handelt es sich um eine Satzrahmengebühr. Die Höhe des Gebührensatzes ist für jeden Einzelfall vom RA nach seinem – nachvollziehbaren – Ermessen innerhalb des von 0,5 bis 2,5 gesetzten Rahmens gemäß § 14 RVG festzulegen (vgl. § 2 Rdn 108 ff.). Bei durchschnittlichen Angelegenheiten ergäbe sich rein rechnerisch als Mittelsatz ein Gebührensatz von 1,5. Jedoch wurde im RVG eine Kappungsgrenze in der Anmerkung Absatz 1 zu Nr. 2300 VV RVG aufgenommen, wonach bei nicht umfangreicher oder nicht schwieriger Anwaltstätigkeit ein Gebührensatz von nicht mehr als 1,3 gefordert werden darf. Das heißt, dass der RA einen Gebührensatz von mehr als 1,3 (bis zu maximal 2,5) nur dann verlangen kann, wenn entweder Umfang oder Schwierigkeit der Sache über dem Durchschnitt liegen. Ist dies nicht der Fall, darf der Gebührensatz der Geschäftsgebühr nur zwischen 0,5 und 1,3 angesetzt werden, wobei es für Inkassotätigkeiten noch weitere Einschränkungen gibt. Die anderen in § 14 RVG genannten Umstände – also außer Umfang und Schwierigkeit – sind für das Überschreiten der Kappungsgrenze nicht von Bedeutung.
Rz. 7
Es muss jedoch beachtet werden, dass der Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 nicht für Inkassotätigkeiten gilt, die vom Schuldner unbestrittene Forderungen betreffen. Während in Anmerkung Absatz 1 der Nr. 2300 VV RVG der Gebührensatz für die meisten außergerichtlichen Anwaltstätigkeiten grundsätzlich auf 1,3 begrenzt wird, werden in Nr. 2300 Anmerkung Absatz 2 VV RVG weitere Grenzen gesetzt für Tätigkeiten, bei denen der RA außer der Mahnung wegen einer Geldforderung keinen nennenswerten Arbeitsumfang leisten muss. Im einfachen Fällen beträgt der Gebührensatz nach Absatz 2 0,5, ansonsten unter Berücksichtigung des § 14 RVG 0,5 bis 0,9 und in besonders umfangreichen oder schwierigen Fällen maximal 1,3. Siehe hierzu ein besonderes Kapitel in Rdn 60 ff.
Anmerkung:
Es ist sicherlich praktisch nicht einfach, die konkrete Höhe des Gebührensatzes der Geschäftsgebühr in dem sehr weiten Rahmen von 0,5 bis 2,5 zu bestimmen. Der Rahmen ist bewusst so weit gehalten worden, um in allen Fällen eine angemessene Gebühr finden zu können. Es wird eben sehr einfache Angelegenheiten geben, in denen ein Gebührensatz von 0,5 eine völlig ausreichende Bezahlung sichert und andere, sehr komplizierte und umfangreiche Tätigkeiten, für die ein Gebührensatz von 2,5 vielleicht gerade ausreichend ist.
Auch wenn der RA einen gewissen Ermessensspielraum hat, den die Gerichte bisher mit bis zu 20 % angesetzt haben, so muss der von ihm begehrte konkrete Gebührensatz doch im Vergleich zu ähnlichen Sachverhalten, die sich aus der Rechtsprechung ergeben, angemessen sein. Jedenfalls darf der Toleranzbereich von 20 % nicht dazu ausgenutzt werden, den Gebührensatz der Geschäftsgebühr über 1,3 anzusetzen, ohne dass Umfang und Schwierigkeit überdurchschnittlich sind (BGH, Urteil vom 11.07.2012 – VIII ZR 323/11; siehe auch Rdn 15 ff.).
Wie wird denn nun der Gebührensatz bemessen? Bei der Ermittlung des konkreten Gebührensatzes der Geschäftsgebühr im Einzelfall ist zu empfehlen, zunächst einen durchschnittlichen Fall zu unterstellen (Mittelgebühr 1,5, gekappt auf 1,3) und dann im Sinne des § 14 RVG zu überlegen, ob eine Erhöhung oder eine Verminderung dieser Mittelgebühr angebracht ist. Hierzu sind alle Umstände, die in § 14 RVG aufgeführt sind, heranzuziehen. Ein Vergleich mit ähnlichen Sachverhalten ist zweckmäßig. Von allen in § 14 RVG genannten Umständen berechtigen jedoch nur Umfang oder Schwierigkeit der Tätigkeit – wenn überdurchschnittlich – zu einer Überschreitung der Kappungsgrenze von 1,3. Die Bestimmung des Gebührensatzes kann vom Gericht überprüft werden.
Die Findung des angemessenen Gebührensatzes wird noch weiter unten am Beispiel des Aufforderungsschreibens ohne Klageauftrag dargestellt (siehe § 5 Rdn 7 ff.).
In der alltäglichen anwaltlichen Praxis wurde häufig – ohne Berücksichtigung des § 14 RVG – aus "Vereinfachungsgründen" für die Geschäftsgebühr ein Gebührensatz von 1,3 angesetzt. Dies ist zumindest bei Inkassoaufträgen wegen unbestrittener Forderungen zukünftig nicht mehr zulässig.
Rz. 8
Der Gegenstandswert der Geschäftsgebühr bestimmt sich gemäß § 23 Abs. 1 S. 3 RVG nach den allgemeinen Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren, sodass in Zivilsachen die Wertvorschriften des GKG und der ZPO auch für den RA heranzuziehen sind (siehe § 3). In Familiensachen wird der Verfahrenswert gleichfalls für den RA nur nach dem für die Gerichtsgebühren in diesen Sachen geltenden FamGKG ermittelt (vgl. § 11 Rdn 16 ff.).
In allen "anderen Angelegenheiten" als in den in § 23 Abs. 1 RVG genannten, erfolgt die Wertfeststellung nach § 23 Abs. 3 RVG, was in der Praxis vorkommt z. B. beim Entwurf von Verträgen, bei der Auseinandersetzung von Gemeinschaften oder beim Mitwirken an Verkaufsverhandlungen. In diesen Fällen wird der Wert nach den in § 23 Abs. 3 RVG genannten Paragrafen des GNotKG ermittelt, hilfsweise auf 5.000 Euro geschä...