Die nachfolgend dargestellte Rechtsprechung beendet einen heftigen Streit darüber, ob ein RA zu sehr niedrigen Gebühren beraten darf. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 RVG darf der RA die Beratungsgebühr frei vereinbaren. Eine gesetzliche Gebühr, die nach § 49b Abs. 1 BRAO nicht unterboten werden dürfte, gibt es für die Beratungstätigkeit nicht. Auch liegt keine unzulässige Werbung (§ 43b BRAO) vor, wenn der RA für eine Beratung niedrige Gebühren fordert. So hat das OLG Stuttgart (Urteil vom 28.12.2006 – 2 U 134/06) entschieden, dass eine Beratungsgebühr von 20,00 EUR einschließlich USt. für eine Erstberatung zulässig ist. Das OLG macht zur Voraussetzung, dass der RA für diesen Betrag eine vollständige und ordnungsgemäße Beratung durchführt und dass er nicht nach einer letztlich doch längeren Beratung ein höheres Honorar verlangt als er zuvor angekündigt hat.
Der Anwaltsgerichtshof Berlin hat am 22.11.2006 (II AGH 4/06) mit folgender Begründung entschieden, dass sogar eine kostenlose Beratung für Hartz-IV-Bezieher zulässig ist: "Wenn jedoch das RVG … für die außergerichtliche Beratung keine bestimmten gesetzlichen Gebühren mehr vorsieht, so kann in diesem Bereich eine Gebührenvereinbarung, die auch den Verzicht auf Gebühren umfasst, nicht gegen § 49b Abs. 1 BRAO verstoßen, weil es keine gesetzlichen Gebühren gibt, die durch die Vereinbarung unterschritten werden könnten." Wichtig ist, dass diese Begründung nicht nur auf Hartz-IV-Bezieher anwendbar ist.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 03.05.2007 (I ZR 137/05) entschieden, dass eine Beratung zu Gebühren von 10,00 EUR bis 50,00 EUR zulässig ist, wenn es sich um eine Erstberatung handelt. Eine Erstberatung ist eine überschlägige Einstiegsberatung, wozu der RA sich weder erst sachkundig machen muss, noch muss er eine schriftliche Zusammenfassung des Beratungsgesprächs erstellen.
Das LG Essen erlaubt dem RA sogar Werbung mit kostenloser Erstberatung, mit der Begründung, dass es keine bestimmte gesetzliche Gebühr für die außergerichtliche Beratung gibt. Das LG sieht in der Erstberatung zum Nulltarif den Einstieg in ein weitergehendes, aber Kosten auslösendes Mandatsverhältnis (LG Essen, Urteil vom 10.10.2013 – 4 O 226/13). Im Ergebnis zur gleichen Meinung kommt der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (AnwGH NRW, Urteil vom 09.05.2014 – 1 AGH 3/2014); jedoch müsse die Werbung nach § 43b BRAO in Form und Inhalt sachlich und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sein.
Zuletzt hat der BGH entschieden, dass die Werbung mit einer kostenlosen Erstberatung nach einem Verkehrsunfall zulässig ist, da das RVG keine Mindestgebühr für eine Erstberatung vorschreibt (BGH, Urteil vom 03.07.2017 – AnwZ(Brfg) 42/16).