Rz. 71
Gemeinschaftliche Baumaßnahmen haben meistens die (modernisierende) Erhaltung des Gemeinschaftseigentums zum Gegenstand. Insofern wird auf die Abschnitte über Erhaltung (→ § 4 Rdn 4) und Sanierung (→ § 4 Rdn 24) verwiesen. Die gesonderte Behandlung der Sanierungsmaßnahmen liegt darin begründet, dass sie an der Schnittstelle von baulicher Veränderung und Erhaltung liegen und insofern spezifische Probleme aufwerfen. Vor allen steht bei Sanierungsmaßnahmen fast unumstößlich fest, dass sie nur dann beschlossen werden sollen, wenn alle Miteigentümer sich an den Kosten beteiligen, worauf eine Verwaltung entsprechend hinzuarbeiten hat. In diesem Abschnitt geht es um "sonstige" bauliche Veränderungen. Weil eine Gemeinschaft bauliche Maßnahmen, die nicht der Erhaltung dienen oder denen zumindest ein Erhaltungsbedarf zugrundeliegt, normalerweise nur dann beschließen wird, wenn man sich davon eine irgendwie geartete Verbesserung des Gemeinschaftseigentums verspricht, geht es praktisch immer um Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. Mietrechts (§ 555b BGB). Im WEG-Recht spielt die Kategorie der Modernisierung allerdings keine Rolle mehr, es handelt sich um bauliche Veränderungen.
Rz. 72
Beispiele: Gemeinschaftliche bauliche Veränderung ohne Möglichkeit individueller Nutzung
Bau eines Vordachs über dem Eingang. Bau einer Fahrradrampe bzw. Fahrradschiene in den Keller.
Rz. 73
Für die Vorbereitung der Beschlussfassung gelten grundsätzlich dieselben Anforderungen wie für Beschlüsse über Erhaltungsmaßnahmen. Der Verwalter muss zur Vorbereitung der Beschlussfassung verschiedene Handlungsoptionen aufzeigen und ggf. Angebote einholen; Informationen sind den Eigentümern rechtzeitig zugänglich zu machen (→ § 4 Rdn 14). Allerdings dürften die Verwalterpflichten desto weniger weit gehen, je weniger eine positive Beschlussfassung zu erwarten ist (→ § 10 Rdn 246). Der Beschluss kann gem. § 20 Abs. 1 WEG mit einfacher Mehrheit gefasst werden. Das Problem ist die Kostenverteilung: Weil es nicht um eine Maßnahme der Erhaltung geht, gilt gem. § 21 Abs. 3 WEG die Kostentragung der "Ja-Sager", sofern nicht die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vorliegen. Dabei scheidet die Variante des § 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG (Amortisation in angemessener Zeit) von vornherein aus, weil sich nur solche Maßnahmen amortisieren können, die entweder eine Energieeinsparung oder reduzierte Erhaltungskosten zur Folge haben, was im Beispiel nicht der Fall ist. Somit ist eine Kostenverteilung nach MEA nur rechtmäßig, wenn der Beschluss die qualifizierte Mehrheit des § 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG erreicht (mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und mindestens die Hälfte aller Miteigentumsanteile). Der Verwalter muss die Eigentümer vor der Abstimmung über die gesetzliche Regelung der Kostentragung informieren. Idealerweise ermittelt der Verwalter im Vorfeld der Abstimmung (bspw. durch eine Probeabstimmung) bzw. im Vorfeld der Eigentümerversammlung, zu welcher Entscheidung die Eigentümer tendieren, und bereitet die Antragstellung bzw. Beschlussfassung entsprechend angepasst vor.
Rz. 74
Im Beispielsfall werden die Eigentümer der Maßnahme nur zustimmen wollen, wenn sie sicher sein können, dass die für eine Kostenverteilung nach MEA erforderliche Mehrheit erreicht wird; sollte es sich anders verhalten, wird auf den folgenden Abschnitt verwiesen (→ § 4 Rdn 77). Das lässt sich sicherstellen, indem der Empfehlung gefolgt wird, die der Gesetzgeber freundlicherweise in der Gesetzesbegründung gegeben hat. Demnach "ist es auch möglich, den Beschluss über die bauliche Veränderung unter die Bedingung einer entsprechenden Kostentragung zu stellen. Jeder Wohnungseigentümer, der die Baumaßnahme befürwortet, sich aber höchstens entsprechend seinem MEA an den Kosten beteiligen möchte, kann dann bedenkenlos mit "Ja" stimmen, denn wirksam wird der Beschluss eben nur dann, wenn es nach dem Stimmverhalten zu einer entsprechenden Kostentragung durch alle Wohnungseigentümer kommt".
Rz. 75
Muster 4.5: Abstimmung über bauliche Veränderung unter der Bedingung der Kostentragung aller
Muster 4.5: Abstimmung über bauliche Veränderung unter der Bedingung der Kostentragung aller
Antrag:
Über der Hauseingangstür wird ein Vordach angebracht. [Nähere Beschreibung durch Bezugnahme auf ein Angebot bzw. Beauftragung des Angebots, Bezugnahme auf eine Beschreibung, Skizze usw.]
Die Kosten werden der Erhaltungsrücklage entnommen.
Der Beschluss steht unter der Bedingung, dass er nur zustande kommt, wenn mehr als x Stimmen [einzusetzen ist ein konkreter Wert, nämlich 2/3 der anwesenden bzw. vertretenen Stimmen] und mindestens 50 % aller MEA dafür stimmen.
Rz. 76
Kommt die qualifizierte Mehrheit nicht zustande, muss der Verwalter die Ablehnung des Beschlusses verkünden. Wenn es aussichtsreich erscheint, kann er danach über die Maßnahme erneut, aber ohne die Bedingung abstimmen lassen (dazu nachfolgend).