Rz. 107
Die Parabolantenne ("Satellitenschüssel") ist ein häufiger Streitpunkt. Die Installation (am Balkon, vor dem Fenster, auf der Dachterrasse, an der Außenwand usw.) stellt zwar nicht unbedingt eine bauliche Veränderung i.S.v. § 20 Abs. 1 WEG dar, jedenfalls wenn damit kein Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums verbunden ist. Wenn aber eine Parabolantenne den optischen Gesamteindruck des Gebäudes verändert, ist sie nach den für bauliche Veränderungen geltenden Grundsätzen zu beurteilen; und d.h.: Sie bedarf eines Gestattungsbeschlusses. Das gilt nicht, wenn die Gemeinschaftsordnung die Aufstellung von Parabolantennen generell verbietet, was wirksam ist; darüber kann auch kein Gestattungsbeschluss hinweghelfen. Ein entsprechender genereller Verbotsbeschluss wäre hingegen mangels Beschlusskompetenz nichtig.
Rz. 108
Grundlage eines Anspruchs auf einen Gestattungsbeschluss gem. § 20 Abs. 3 WEG können das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf Wahrung der kulturellen Identität, das Grundrecht auf Informationsfreiheit und Informationsvielfalt (Art. 5 Abs. 1 GG) sowie die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) sein. Voraussetzung ist, dass nur durch die Installation der Parabolantenne diese Grundrechte befriedigt werden können; ist das der Fall, liegt im Rechtssinne keine Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer i.S.v. § 20 Abs. 3 WEG vor. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rz. 109
Ist ein Kabelanschluss vorhanden, wird dadurch das Informationsbedürfnis inländischer, insbesondere deutschsprachiger Wohnungsnutzer im Normalfall ausreichend befriedigt, so dass diese keinen Anspruch auf einen Gestattungsbeschluss haben. Im Einzelfall kann aber das Informationsinteresse einzelner Wohnungsnutzer unabhängig von ihrem Beruf und ihrer Muttersprache den Empfang weiterer Programme erfordern; dann können sie nicht ausschließlich auf den Kabelanschluss verwiesen werden.
Rz. 110
Ausländische Wohnungsnutzer haben einen Anspruch auf Installation der Parabolantenne, um Sender in der eigenen Muttersprache empfangen zu können, solange und soweit die in das Kabelnetz eingespeisten ausländischen Programme dem Informationsbedürfnis nicht genügen (was eine Frage des Einzelfalls ist). Bei der Heranziehung älterer Rspr. ist zu berücksichtigen, dass diese aus einer Zeit stammt, als lediglich das Kabelnetz zum Empfang (weniger) weiterer Programme zur Verfügung stand. Wenn ein Anspruch auf Installation einer Parabolantenne besteht, dann steht er nicht nur ausländischen Wohnungseigentümern zu, sondern auch Wohnungseigentümern mit ausländischen Mietern oder ausländischen Mitbewohnern. Das ist schon deshalb erforderlich, um das Ergebnis zu vermeiden, dass zwar dem Mieter gegen den ihm vermietenden Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne zusteht, der betreffende Vermieter/Eigentümer diesen Anspruch gegenüber den anderen Wohnungseigentümern aber nicht durchsetzen könnte.
Rz. 111
Wenn ein Miteigentümer gemäß den vorstehenden Kriterien einen Anspruch auf Anbringung einer Parabolantenne hat, heißt das nicht, dass er sie sogleich nach seinem Belieben installieren dürfte. Der Gestattungsbeschluss ist im Voraus einzuholen, schon damit die Gemeinschaft ihr Bestimmungsrecht in Bezug auf Details der Aufstellung ausüben kann. Im Gestattungsbeschluss kann bestimmt werden, dass die Parabolantenne an einem Ort installiert wird, an dem sie den optischen Gesamteindruck des Gebäudes möglichst wenig stört; diesen Ort darf die Gemeinschaft bestimmen. Die Gestattung kann zudem mit einem Widerrufsvorbehalt wegen veränderter Umstände sowie mit Auflagen und Bedingungen verbunden werden, wobei die Auflagen auch erhebliche (aber keine unzumutbaren) Kosten verursachen dürfen.
Rz. 112
Muster 4.9: Beschluss zur Gestattung einer Parabolantenne
Muster 4.9: Beschluss zur Gestattung einer Parabolantenne
Dem Eigentümer der Wohnung Nr. 12, Herrn A, wird die Errichtung einer Parabolantenne mit maximal 70 cm Durchmesser dem Wohnungsbalkon gestattet. Die Antenne wird an der Wand neben der Balkontür in einer Höhe von 2 m [möglichst genaue Beschreibung des Ortes der Aufstellung] installiert. Die Installation hat unter größtmöglicher Schonung des Gemeinschaftseigentums durch ein Fachunternehmen zu erfolgen.
Die Zustimmung erfolgt mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Wohnung derzeit von ausländischen Mitbürgern benutzt wird und derzeit keine ausreichenden technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, mittels derer in der Wohnung genügend Fernseh- und Rundfunkprogramme aus der Türkei empfangen werden können, wie es dem Wunsch der Wohnungsnutzer entspricht. Wenn sich diese Umstände ändern, ist der jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 12 verpflichtet, die Parabolantenne auf eigene Kosten wieder entfernen und die am Gemeinschaftseigentum entstandenen Schäden fachgerecht beseitigen zu lassen, sofern die Eigentümergemeinschaft das beschließt.
Optional: Als Sicherheit für die Kost...