Rz. 41

Im Musterbeschluss werden die Kosten der Maßnahme nach Miteigentumsanteilen (MEA) verteilt. Das ist richtig, wenn es sich um eine Erhaltungsmaßnahme (oder um eine gesetzlich geforderte Maßnahme) handelt oder wenn die Kriterien des § 21 Abs. 2 WEG erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung sind die Kosten baulicher Veränderungen nach MEA zu verteilen, wenn der Beschluss

1. mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile gefasst wurde, es sei denn, die bauliche Veränderung ist mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, oder

2. wenn die Kosten sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

Wenn die vorgenannten Voraussetzungen für eine Kostenverteilung nach MEA nicht vorliegen, zahlen gem. § 21 Abs. 3 S. 1 WEG nur die Eigentümer, die für den Beschluss gestimmt haben (im Folgenden: Ja-Sager). Diese Regelung beinhaltet "Sprengstoff"! Es liegt auf der Hand, dass kein Eigentümer gewillt ist, für die allen Miteigentümern zugutekommende Sanierung des Gemeinschaftseigentums ein Sonderopfer auf sich zu nehmen und die Anteile anderer Miteigentümer mitzufinanzieren; dass die "Zahler" gem. § 21 Abs. 3 S. 2 WEG anschließend das ausschließliche Nutzungsrecht an den betreffenden Baulichkeiten haben sollen, nützt ihnen herzlich wenig, weil Sanierungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum keine Möglichkeit der exklusiven Nutzung bieten. Selbstverständlich befürworten Eigentümer den Beschluss solcher Maßnahmen nur dann, wenn die Kosten nach MEA auf alle verteilt werden. Droht hingegen die ausschließliche Kostentragung der Befürworter, wird niemand für eine solche Maßnahme stimmen. Die richtige Einordnung der beschlossenen Maßnahme ist deshalb von entscheidender Bedeutung und gehört zur sachgerechten Vorbereitung des Beschlusses, ebenso wie eine entsprechende Information der Wohnungseigentümer.

 

Rz. 42

Im Beispielsfall dürften die Maßnahmen überwiegend als Erhaltung bzw. als gesetzlich gefordert einzuordnen sein. Wenn die Fassade instandsetzungsbedürftig ist, ist die Fassadendämmung nach dem GEG zwingend (→ § 4 Rdn 27); für die Fenster gilt das Gleiche. Die Abdichtung der Balkone und die Betonsanierung im Bereich der Balkone stellt eine reine Erhaltungsmaßnahme dar, soweit der bisherige Zustand wiederhergestellt wird bzw. soweit die neue Abdichtung lediglich den aktuellen technischen Vorschriften genügt. Nur soweit die Maßnahmen – aus welchen Gründen auch immer – nicht der Erhaltung zugeordnet werden können, kommt es auf die Kriterien des § 21 Abs. 2 WEG an, die nachfolgend erörtert werden.

 

Rz. 43

Gem. 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG kann die Kostenverteilung nach MEA beschlossen werden, wenn der Beschluss mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile [MEA] gefasst wurde. Die Ausnahme der "unverhältnismäßigen Kosten" spielt zumindest bei Sanierungsmaßnahmen keine Rolle. Auch sonst dürfte dieser Einwand kaum jemals verfangen, weil es nicht auf die Bedürfnisse und finanziellen Mittel eines einzelnen überstimmten Wohnungseigentümers ankommt, sondern auf die der Gesamtheit der Wohnungseigentümer;[65] im Zweifel ist von Verhältnismäßigkeit auszugehen, da im neuen Recht die Möglichkeiten der baulichen Veränderungen erweitert werden sollen.[66] Bei den "abgegebenen Stimmen" ist das jeweils geltende Stimmkraftprinzip maßgeblich. Gilt nach der Teilungserklärung bspw. das Wertprinzip (Stimmen entsprechend MEA), ist dieses anzuwenden;[67] wer Eigentümer mehrerer Wohnungen ist, hat in diesem Fall also nicht nur ein Stimmrecht, sondern Stimmrechte entsprechend seiner MEA. In Bezug auf das Erfordernis der "Hälfte aller Miteigentumsanteile" ist der Wortlaut maßgeblich: Es ist also nicht gemeint, dass "mehr als die Hälfte" MEA für den Beschluss stimmen muss, sondern es genügt (genau bzw. mindestens) die Hälfte (str.).[68] Die Erfahrung zeigt, dass diese qualifizierte Mehrheit gerade bei größeren Sanierungsmaßnahmen nicht erreicht wird, weil viele Eigentümer – ungeachtet der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen – diese allein wegen der damit verbundenen (typischerweise hohen) Kosten ablehnen; faktisch scheidet diese Variante in der Praxis somit regelmäßig aus. Dazu kommt das Problem, dass der Versammlungsleiter im Vorfeld nicht wissen kann, wie die Mehrheiten ausfallen werden. Insoweit kann indes ein unverbindliches Meinungsbild oder eine Abstimmung unter der Bedingung, dass die qualifizierte Mehrheit erreicht wird, eine Lösung sein (→ § 4 Rdn 75).

 

Rz. 44

Gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist die Kostenverteilung nach MEA rechtmäßig, wenn die Kosten der Maßnahme sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Amortisieren können sich solche Maßnahmen, die entweder eine Energieeinsparung zur Folge haben oder reduzierte Erhaltungskosten (wenn z.B. bei einer Balkonsanierung eine Holzverbretterung durch eine Glasverkleidung ersetzt wird[69]). Normalerweise verspricht diese Variante mehr Aussicht auf Erfolg als das Hoffen auf das Erreichen des qualifizierten Quorums. Für Beschl...

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