I. Grundlagen
Rz. 53
Bauliche Veränderung ist jede auf Dauer angelegte gegenständliche oder optische Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums, die von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht. Maßnahmen ohne bauliche Tätigkeit im engeren Sinne oder ohne Eingriff in die Bausubstanz, wie z.B. die Änderung der Farbgestaltung oder Oberflächenstruktur der Außenwände oder die lose Anbringung oder Aufstellung von Gegenständen im Außenbereich (z.B. einer Parabolantenne), stellen richtiger Ansicht nach keine baulichen Veränderungen dar, werden aber nach denselben Grundsätzen beurteilt: Maßgeblich ist allein das erzielte Ergebnis, nicht mit welchen Mitteln es erreicht wurde (→ § 4 Rdn 107). Entscheidend ist, ob die betreffende Maßnahme nach dem Maßstab des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG zulässig ist.
Rz. 54
Eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums bedarf gem. § 20 Abs. 1, 3 WEG immer der Beschlussfassung, außer sie ist Folge einer vom Verwalter zulässigerweise im Rahmen seiner gesetzlichen oder per Beschluss eingeräumten Kompetenzen beauftragten Maßnahme. Das Beschlussgebot gilt (nur) theoretisch auch für a priori unproblematische Maßnahmen wie das Anbohren tragender Wände oder Decken zwecks Einbringung von Dübeln und Schrauben zur Befestigung von Gegenständen; in der Praxis interessiert sich für solche Maßnahmen niemand, und zur Bewältigung der theoretischen Probleme gibt es diverse Vorschläge.
Rz. 55
Inhaltliche Vorgaben an den Beschluss bestehen nur hinsichtlich der Einschränkungen des § 20 Abs. 4 WEG: Bauliche Veränderungen dürfen die Wohnanlage nicht grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen (→ § 4 Rdn 89). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass mit Ausnahme der grundlegend umgestaltenden bzw. unbillig benachteiligenden Maßnahmen prinzipiell jede bauliche Veränderung rechtmäßig beschlossen werden kann; es muss sich nur eine (einfache) Mehrheit dafür finden. Ein überstimmter Eigentümer kann den Beschluss nicht unter Berufung auf Nachteile, die mit der baulichen Veränderung verbunden sind (und ihn nicht mehr als andere treffen), anfechten. "Bauliche Veränderungen, die dieses Maß [grundlegende Umgestaltung] nicht erreichen und mehrheitlich beschlossen werden, sind von der überstimmten Minderheit hinzunehmen. Dies gilt insbesondere für Beeinträchtigungen des optischen Gesamteindrucks. Auch Beeinträchtigungen anderer Wohnungseigentümer widersprechen erst dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Wohnungseigentümer ohne ihr Einverständnis unbillig gegenüber anderen beeinträchtigt werden; unterhalb dieser Schwelle liegende Beeinträchtigungen, die sich aus einer mehrheitlich beschlossenen baulichen Veränderung ergeben, sind zu tolerieren […]. Ein Beschluss über eine bauliche Veränderung ist deshalb auf Anfechtungsklage hin nur aufzuheben, wenn er gegen § 20 Abs. 4 WEG verstößt oder unabhängig von dem Maß der Veränderung oder dem Maß der Beeinträchtigung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht."
Rz. 56
Ein Korrektiv der Mehrheitsmacht ergibt sich aus der Regelung der Kostentragung: Gem. § 21 Abs. 3 WEG bezahlen für die bauliche Veränderung nur die "Ja-Sager", denen im Gegenzug das ausschließliche Nutzungsrecht am betreffenden Gegenstand zusteht (sofern dies faktisch in Betracht kommt).
Rz. 57
Die wesentlichen Unterschiede zum alten Recht lassen sich wie folgt zusammenfassen:
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Nach dem alten Recht durften bauliche Veränderungen nicht mehrheitlich beschlossen werden. So galt bspw. hinsichtlich einer Veränderung des optischen Eindrucks des Gebäudes (prinzipiell ein Nachteil) der Grundsatz: "Die Minderheit muss sich nicht dem Geschmack der Mehrheit fügen." Nach dem geltenden Recht ist das genau anders: Die Minderheit muss sich dem Geschmack der Mehrheit fügen. Die Gemeinschaft kann und darf eine bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 1 WEG beschließen bzw. gestatten, auch wenn sie Nachteile mit sich bringt; sie muss es aber nicht. |
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Nach herrschender (wenn auch umstrittener) Meinung im alten Recht durfte ein Eigentümer eine bauliche Veränderung, die im Rechtssinne nicht nachteilig war, ohne Beschluss durchführen. Nach dem geltenden Recht ist die Durchführung ohne Beschluss nicht erlaubt. Wenn eine bauliche Veränderung im Rechtssinne nicht nachteilig ist, folgt daraus nach dem geltenden Recht ein Anspruch auf Gestattung. |
II. Bauliche Maßnahmen im Bereich des Sondereigentums
1. Grundlagen
Rz. 58
Begrifflich beziehen sich bauliche Veränderungen streng genommen zwingend auf das Gemeinschaftseigentum, weil § 20 Abs. 1 WEG sie als Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum definiert. Nach § 13 Abs. 2 WEG gelten für bauliche Maßnahmen am Sondereigentum aber dieselben Voraussetzungen ("gilt § 20 WEG entsprechend"), sodass man...