I. Allgemeines
Rz. 150
Gem. § 20 Abs. 2 WEG kann jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die
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dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, |
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dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, |
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dem Einbruchsschutz und |
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dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität |
dienen. Über die Durchführung ist im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen.
Von herausragender praktischer Bedeutung ist der Anspruch nach Nr. 2 (Ladeinfrastruktur), gefolgt vom Anspruch nach Nr. 1 (Maßnahmen zur Barrierefreiheit); diese Maßnahmen werden deshalb in den folgenden Abschnitten besonders erörtert.
Rz. 151
Beim Anspruch nach Nr. 3 (Einbruchsschutz) wird diskutiert, ob darunter auch Videoüberwachungsanlagen fallen; das ist zu verneinen. Zum Anspruch nach Nr. 4 ist nur zu sagen, dass damit im Klartext das Glasfaserkabel (oder vergleichbar leistungsfähige Einrichtungen, die es aber derzeit nicht gibt) gemeint ist.
Rz. 152
Der Anspruch gem. § 20 Abs. 2 WEG richtet sich gegen die Gemeinschaft; verlangt werden kann eine Beschlussfassung. Die Gemeinschaft kann entscheiden, wie sie die Maßnahme ermöglichen will: durch eigene Herstellung (aber auf Kosten des Verlangenden, § 21 Abs. 1 WEG) oder indem dem oder den Verlangenden die Herstellung gestattet wird, wobei die Gemeinschaft – wie bei jedem Beschluss über Baumaßnahmen – die Ausführung in ausreichend bestimmter Weise vorgeben muss und ihr sinnvoll erscheinende Auflagen machen kann. Bei größeren Maßnahmen ist der Gemeinschaft die eigene Durchführung zu empfehlen. Wenn die Gemeinschaft einen beantragten Gestattungsbeschluss ablehnt oder zwar einen Beschluss fasst, der verlangende Wohnungseigentümer seinen Anspruch dadurch aber nicht ausreichend erfüllt oder sich unzumutbar belastet sieht, kann der Wohnungseigentümer seinen Anspruch im Wege der Beschlussersetzungsklage geltend machen (→ § 6 Rdn 39). Weil die Gemeinschaft im Ausgangspunkt die Wahl zwischen "eigener Herstellung" (Ausführungsbeschluss) und "Gestattung" hat, scheint der einzelne Wohnungseigentümer die Gemeinschaft nicht auf eine der beiden Varianten festlegen zu können; aber dann würde der Rechtsschutz leer laufen. Wenn die Gemeinschaft den Anspruch komplett ablehnte, kann der antragstellende Wohnungseigentümer nach hier vertretener Auffassung mit der Beschlussersetzungsklage einen Gestattungsbeschluss verlangen. Ein solcher greift weniger stark in das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinschaft ein als ein von der Gemeinschaft umzusetzender Ausführungsbeschluss. Außerdem wäre dem Rechtsschutzziel mit einem Ausführungsbeschluss, dessen Umsetzung eine widerstrebende Gemeinschaft voraussichtlich nach Kräften verzögern würde, wenig gedient.
II. Elektromobilität
1. Einführung
Rz. 153
Die WEG-Reform 2020 beruht auf dem "Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes" (WEMoG). Die Tatsache, dass nach dem alten Recht die Einrichtung von Ladeinfrastruktur aufgrund des viel zu hohen Quorums für Modernisierungsbeschlüsse praktisch nicht stattfand, rief den Gesetzgeber auf den Plan, wobei zunächst nur daran gedacht war, einen Anspruch auf Einrichtung einer Ladestation im alten Gesetz zu verankern. Schnell wurde aber klar, dass die ohnehin "verkorkste" Regelung der baulichen Veränderungen im alten Recht dadurch noch schwieriger zu handhaben sein würde. Der Beharrlichkeit einiger Mitarbeiter im bayerischen Justizministerium und im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz ist es zu verdanken, dass sich aus diesem Anstoß heraus ein das ganze Wohnungseigentumsrecht umfassender Reformprozess entwickelte, dessen Ergebnis das eingangs genannte Gesetz war. Kernelement der für das Gesetz namensgebenden "Förderung der Elektromobilität" ist das in § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG verbriefte Recht jedes Wohnungseigentümers, den Beschluss von Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, zu verlangen. Eine gute Zusammenfassung des Inhalts der neuen Regelung findet sich in der Gesetzesbegründung wie folgt: "Dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen alle baulichen Veränderungen, die es ermöglichen, die Batterie eines Fahrzeugs zu laden. Der Anspruch beschränkt sich deshalb nicht nur auf die Anbringung einer Ladestation an der Wand (sogenannte Wallbox), sondern betrifft zum Beispiel auch die Verlegung der Leitungen und die Eingriffe in die Stromversorgung oder die Telekommunikationsinfrastruktur, die dafür notwendig sind, dass die Lademöglichkeit sinnvoll genutzt werden kann. Der Anspruch beschränkt sich nicht nur auf die Ersteinrichtung einer Lademöglichkeit, sondern betrifft auch deren Verbesserung. Der Begriff der Lademöglichkeit ist dabei im Hinblick auf die technische und rechtliche Weiterentwicklung ohne Rückgriff auf die Ladesäulenverordnung oder andere Regelwerke zu bestimmen. Aus den gleichen Gründen ist auch der Begriff des Fahrzeugs ohne Rückgriff auf das Elektromobilitätsgesetz (EmoG) zu verstehen; erfasst sind neben den im EmoG genannten Fahrzeugen etwa auch elektrisch...