Rz. 144
Mitunter stammt eine bauliche Abweichung vom Sollzustand des Gebäudes schon vom teilenden Eigentümer, so dass der teilungserklärungswidrige Zustand von Anfang an besteht.
Beispiel
Auf Wunsch des Erwerbers A baut der Bauträger noch vor dem Bezug des Hauses entgegen der Teilungserklärung den zum Sondereigentum der Wohnung des A gehörenden Dachboden zum Wohnraum aus (Installation von Heizung, Dachflächenfenstern usw.). B, Eigentümer der darunter befindlichen Wohnung, fühlt sich dadurch gestört und verlangt den Rückbau und die Herstellung des Dachbodens entsprechend der Teilungserklärung, und zwar a) vom Bauträger, b) von A und c) von der Gemeinschaft.
Rz. 145
Im Fall liegt nach h.M. keine bauliche Veränderung vor. Die bislang angeführte Begründung, dass eine bauliche Veränderung erst ab dem Einzug des ersten Erwerbers und der damit (nach dem alten Recht) einhergehenden Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegen könne, ist zwar nicht mehr tragfähig, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft gem. § 9a Abs. 1 S. 2 WEG schon mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher entsteht. Aber der sachliche Gesichtspunkt, dass eine "Änderung" des Gemeinschaftseigentums nur vorliegen kann, wenn dieses bereits existiert, ist unverändert richtig. Solange der Bauträger die alleinige Herrschaftsmacht über das Objekt hat – und das ist bis zum Einzug des ersten Erwerbers der Fall –, ist er nicht "Störer" seines eigenen Eigentums. Insofern ist die Überschrift dieses Abschnitts genau genommen in sich widersprüchlich und deshalb "untechnisch" zu verstehen. Ansprüche jeglicher Art gegen den Bauträger ergeben sich in diesen Fällen nicht aus seiner Eigenschaft als (Allein-)Eigentümer und somit nicht aus dem Gesichtspunkt der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums, sondern nur aus dem Gesichtspunkt der werkvertraglichen Mängelhaftung.
Rz. 146
Zu Variante a) des Beispiels. B kann vom Bauträger den Rückbau verlangen, zumindest theoretisch. Der Bauträger verstieß durch die baulichen Maßnahmen gegen seine aus dem Bauträgervertrag resultierende Verpflichtung, Sonder- und Gemeinschaftseigentum gemäß der Teilungserklärung herzustellen; im Verhältnis zu B stellen die Abweichungen deshalb Baumängel dar. Die üblichen Änderungsvollmachten ändern daran nichts, weil sie regelmäßig unwirksam sind (→ § 2 Rdn 126). B kann also Mängelrechte geltend machen (→ § 5 Rdn 24) und als Mangelbeseitigung den Rückbau und eine Bauausführung gemäß Teilungserklärung verlangen. Theorie wird der Erfüllungsanspruch deshalb bleiben, weil A seinerseits vom Bauträger Vertragserfüllung und somit den Erhalt der bestehenden Bauausführung verlangen kann. Eine Auflösung dieses Dilemmas unterschiedlicher Versprechungen bzw. Baubeschreibungen kann nur eine Entscheidung der Gemeinschaft bringen (→ § 1 Rdn 101).
Rz. 147
Zu Variante b) des Beispiels. B hat keine Ansprüche gegen A. Zum alten Recht entschied der BGH, dass A nicht als mittelbarer Störer anzusehen sei (obwohl die von A mit dem Bauträger geschlossene "Sonderwunschvereinbarung" die Ursache dafür setzte, dass abweichend von der Teilungserklärung gebaut wurde). Nach aktuellem Recht fehlt dem B von vornherein die Anspruchsbefugnis (→ § 4 Rdn 116). Aber auch die Gemeinschaft kann von A keinen Rückbau verlangen, weil A, wie gesagt, nach h.M. kein Störer ist.
Rz. 148
Zu Variante c) des Beispiels. B hat grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Rückbau als Maßnahme der erstmaligen mangelfreien Herstellung entsprechend der Teilungserklärung beschlossen wird, außer wenn der Rückbau unzumutbar ist (→ § 1 Rdn 101). Sollte Unzumutbarkeit vorliegen, darf die Gemeinschaft den Antrag des B ablehnen. Ferner kann (besser "könnte") sie des Weiteren beschließen, den Soll-Zustand neu zu definieren.
Rz. 149
Kommt es nicht zum Rückbau, kann die Gemeinschaft infolge der Vergrößerung der Wohnfläche der Wohnung des A gem. 16 Abs. 2 S. 2 WEG eine Anpassung (Änderung) der Kostenverteilungsschlüssel beschließen. Insbesondere wird es sachgerecht sein, wenn die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen bezüglich der entgegen der Teilungserklärung geschaffenen, ausschließlich von A genutzten Teile des Gemeinschaftseigentums nur von A getragen werden. Bei der Heizkostenverteilung ist der Ansatz der wahren Wohnfläche sogar (da von der HeizKV gefordert) zwingend. Im Übrigen besteht ein Anspruch auf entsprechende Beschlussfassung oder auf entsprechende Anpassung der Gemeinschaftsordnung nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 WEG; der Anspruch wird aufgrund der von der Rspr. aufgestellten Hürden in den meisten Fällen Theorie bleiben (→ § 2 Rdn 106).