Rz. 35
Maßstab für die Führung der Betreuung war nach dem bis zum 31.12.2022 geltenden Recht das "Wohl" des Betreuten (§ 1901 Abs. 2 BGB). Nach der Gesetzesbegründung geben nunmehr die Wünsche des Betreuten die "maßgebliche Orientierung". Diese hat der Betreuer festzustellen (§ 1821 Abs. 2 S. 2 BGB). Gemäß § 1821 Abs. 2 S. 3 (§ 1901 Abs. 3 S. 1 BGB a.F.) hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen und den Betreuten bei deren Umsetzung rechtlich zu unterstützen. Das gilt auch für solche Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, außer er will daran "erkennbar" nicht festhalten (§ 1821 Abs. 3 BGB). Das gilt aber nach § 1821 Abs. 3 BGB dann nicht, wenn
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die Person des Betreuten oder dessen Vermögen hierdurch erheblich gefährdet würde und der Betreute diese Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann oder |
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dies dem Betreuer nicht zuzumuten ist. |
Auch müssen sich die Wünsche im Rahmen der Möglichkeiten des Betreuers bewegen (vgl. § 1821 Abs. 2 S. 1 BGB). Laut Gesetzgeber hat der Betreuer daher Wünsche nicht zu befolgen, die aufgrund mangelnder persönlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Ressourcen nicht zu verwirklichen sind.
Rz. 36
Die Wünsche, die der Betreute gem. § 1821 Abs. 2 S. 1 BGB (§ 1901 Abs. 2 S. 1 BGB a.F.) zuvor äußern kann, können sich auch auf die Art und Weise der Durchführung der Betreuung beziehen. Denkbar sind Wünsche, wo der Betreute leben möchte bzw. wie sein Vermögen verwaltet werden soll. Weiter können sich die Wünsche auf den Lebensstil, Urlaub, Freizeit, Entscheidung zwischen Konsum und Kapitalbildung und natürlich auch auf den Bereich der Gesundheitsfürsorge und medizinischen Behandlung beziehen. Auch sind Wünsche zu Gelegenheitsgeschenken denkbar (§ 1854 Nr. 8 BGB; § 1908i Abs. 2 S. 1 BGB a.F.), genauso zum Betreuungsverfahren und zu Haftungserleichterungen.
Rz. 37
Jedoch können die Wünsche des Betreuten nie den potenziellen gesetzlichen Aufgabenkreis eines Betreuers erweitern. Wenn ein Wunsch dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft, darf der Betreuer diesem nicht nachkommen. Letztlich müssen diese Wünsche auch dem Betreuer zumutbar sein.
Rz. 38
Muster 4.4: Baustein Grundmuster – Wünsche an Betreuer
Muster 4.4: Baustein Grundmuster – Wünsche an Betreuer
(Standort im Grundmuster I und II: § 4)
Sollte für mich eine Betreuung angeordnet werden, hat der Betreuer nachfolgenden Wünschen gemäß § 1821 Abs. 2 BGB zu entsprechen, soweit sie meinem Wohl nicht zuwiderlaufen und dem Betreuer zuzumuten sind:
(1) Ich möchte möglichst lange in meiner heutigen Wohnung leben. Sollte ich auf fremde Hilfe angewiesen sein, möge der Betreuer für eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch Pflegekräfte bei mir zu Hause sorgen.
(2) Mein Geld- und Wertpapiervermögen soll konservativ angelegt werden; es sollen keine Risiken eingegangen werden.
(3) Lässt sich eine häusliche Pflege von mir nicht verwirklichen, so möchte ich in ein Einzelzimmer des Altenheims _________________________ aufgenommen werden. Falls dort kein Einzelzimmer frei ist, wünsche ich ein anderes Heim.
(4) Wenn eine Person mit mir Ausflüge oder Konzert- bzw. Theaterbesuche unternimmt, sind auch deren Kosten wie Eintrittsgelder und Fahrtkosten meinem Vermögen zu entnehmen.
Rz. 39
Dem ehrenamtlichen Betreuer steht grundsätzlich keine Vergütung zu (§ 1876 S. 1 BGB), nur wie dem berufsmäßigem Betreuer Aufwendungsersatz (§ 1877 BGB). Jedoch kann das Betreuungsgericht dem ehrenamtlichen Betreuer bei einem nicht mittellosen Betreuten eine Vergütung bewilligen, wenn dies der Umfang oder die Schwierigkeit rechtfertigen (§ 1876 S. 2 BGB). Die Vergütung des berufsmäßigen Betreuers richtet sich nach dem VBVG (§ 1875 Abs. 2 BGB).
Obwohl die BRAK gefordert hat, der betroffenen Person die Möglichkeit zu geben, durch Betreuungsverfügung eine Vergütung zu bestimmen, ist der Gesetzgeber dem nicht gefolgt. Nach Lipp können innerhalb der Wünsche auch Regelungen zur Vergütung des nicht berufsmäßigen Betreuers geäußert werden. Diese sind aber nicht für das Festsetzungsverfahren des Betreuungsgerichts verbindlich.