Rz. 43

Den hier gefundenen Ergebnissen steht auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Erblassers nicht entgegen. Zwar wird mit Blick auf private Bilder, Videos und Tagebuchaufzeichnungen sowie im Hinblick auf die (höchstpersönlichen) Kommunikationsinhalte mit Dritten diskutiert, ob der Erblasser nicht ein berechtigtes Interesse auf Geheimhaltung auch vor seinen Erben hat.[85]

Das LG Berlin[86] hatte diese Frage mit Blick darauf, dass die erbenden Eltern als Erziehungsberechtigte ohnehin Sachwalter des Persönlichkeitsrechts ihrer verstorbenen minderjährigen Tochter seien, offengelassen. Das KG[87] folgte dem nicht, da die elterliche Sorge mit dem Tod des Kindes ende. Das KG hält es aber "möglicherweise [für] nicht gerechtfertigt, wegen der Gefahr der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts das Erbrecht ganz zurücktreten zu lassen."

Diese Annahme ist richtig. Ein Recht auf Geheimhaltung gegenüber den Erben existiert nicht – auch nicht aus dem in diesem Zusammenhang zitierten allgemeinen Persönlichkeitsrecht heraus (siehe § 2 Rdn 56 ff.): Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" erlischt mit dem Tod weitestgehend. Es bleibt – sieht man von seiner vermögensrechtlichen Seite ab – als "postmortales Persönlichkeitsrecht" insoweit bestehen, als der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, über den Tod hinaus fortbesteht. Wird eben jene Menschenwürde verletzt, so bestehen auch postmortal Abwehransprüche, die subsidiär von den nächsten Angehörigen geltend gemacht werden.[88]

Die bloße Erfüllung der schuldrechtlichen Ansprüche aus dem Vertrag mit dem Anbieter wird die Menschenwürde des Verstorbenen kaum verletzten. Denn – so anschaulich das KG:[89]

Zitat

Die "Leistung der Beklagten [erschöpft] sich letztlich darin […], den Nutzern eine Kommunikationsplattform zu Verfügung zu stellen und deren Kommunikationsinhalte zu vermitteln […]."

In der Erfüllung dieser Leistung liegt sicher keine Verletzung der Würde des Verstorbenen.

Dass hierdurch die Erben private oder gar intime Daten des Verstorbenen zur Kenntnis bekommen, ändert an dem Ergebnis nichts. Erneut sei der Blick auf §§ 2047 Abs. 2, 2373 S. 2 BGB gelenkt. Der Gesetzgeber hat den Erben ein legitimes Interesse zugesprochen, auch sehr persönliche Inhalte des Erblassers im Erbgang zu erwerben; er hat es jedenfalls als selbstverständlich hingenommen, dass die Erben Zugang zu auch sehr privaten Unterlagen und Daten des Erblassers erhalten.

[85] Bräutigam, auf dem 7. Deutschen Erbrechtstag in Berlin am 14.3.2012.
[86] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189.
[87] KG, Urt. v. 31.5.2017 – 21 U 9/16, ZErb 2017, 225 = ErbR 2017, 496 = ZEV 2017, 386.
[88] Siehe oben und Herzog, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 41.
[89] KG, Urt. v. 31.5.2017 – 21 U 9/16, ZErb 2017, 225 = ErbR 2017, 496 = ZEV 2017, 386.

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