Dr. iur. Stephanie Herzog, Matthias Pruns
Rz. 63
Soweit für die elektronische Kommunikation die Einschlägigkeit des Fernmeldegeheimnisses mit einem Umkehrschluss zu § 39 Abs. 4 S. 2 PostG begründet wird und mit dem Umstand, dass eine vergleichbare gesetzliche Regelung im TKG fehlt, so hinkt dieser Vergleich.
Betrachten wir zunächst die Regelung des § 39 PostG näher: Nachdem § 39 Abs. 3 PostG sich inhaltlich nahezu wortgleich mit § 88 Abs. 3 TKG deckt, sieht § 39 Abs. 4 PostG einige Ausnahmen vor:
§ 39 Abs. 4 PostG
1Die Verbote des Absatzes 3 gelten nicht, soweit die dort bezeichneten Handlungen erforderlich sind, um
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bei entgeltbegünstigten Postsendungen das Vorliegen tariflicher Voraussetzungen zu prüfen, |
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den Inhalt beschädigter Postsendungen zu sichern, |
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den auf anderem Weg nicht feststellbaren Empfänger oder Absender einer unanbringlichen Postsendung zu ermitteln, |
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körperliche Gefahren abzuwenden, die von einer Postsendung für Personen und Sachen ausgehen. |
2Die Auslieferung von Postsendungen an Ersatzempfänger im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit dem Absender ist zulässig.
Rz. 64
Dass sich diese Ausnahmen in § 88 TKG nicht finden, liegt ausnahmslos in der unterschiedlichen Natur dessen begründet, was zugestellt werden soll:
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Will der Absender eine Postkarte entgeltbegünstigt verwenden, so kann er dies nicht in einem verschlossenen Umschlag tun, weil dann die Voraussetzungen für die Entgeltbegünstigung von der Post nicht geprüft werden können. Solcherlei "Entgeltbegünstigungen" gibt es bei Providern nicht. |
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Ein beschädigter Briefumschlag oder Versandkarton muss ersetzt werden, um den Inhalt der Sendung zu schützen. Wer hingegen beschädigte Dateien vorfindet, braucht deren Inhalt nicht einzusehen. |
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Ebenso wenig braucht es i.R.d. TKG eine Auslieferung an Ersatzempfänger. Eine solche ist nur dann erforderlich, wenn eine körperliche Zustellung an die Adresse des Empfängers notwendig, aber nicht möglich ist, weil bei der Adresse des Absenders niemand angetroffen wird und ein Briefkasten oder sonstige Vorrichtung nicht vorhanden ist. Das aber kann im digitalen Bereich nicht vorkommen, da hier schlicht an das digitale Postfach zugestellt werden muss, dass denknotwendigerweise beim Empfänger vorhanden sein muss. |
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Vorstellbar mag eine Analogie allein in folgendem Fall sein: Ein zuzustellendes Paket, das nicht in den Briefkasten des Empfängers passt, mag vergleichbar sein mit digitalen Inhalten, die – wie z.B. der Anhang einer E-Mail – nicht zugestellt werden können, weil die Datenmenge zu groß ist. Anders als bei Paketen ist aber für den Provider kein umständliches Hin- und Hertransportieren notwendig. Vielmehr erhält der Absender eine Mail, in der ihm bekannt gegeben wird, dass die Datenmenge zu groß und damit nicht zustellbar ist. Es bleibt ihm unbenommen erneut mehrere E-Mails mit kleineren Anhängen zu senden. Hierzu müssen nur die automatischen Abläufe beim Provider wiederholt werden. Eine Zustellung an Ersatzempfänger wie Nachbarn oder Angehörige ist aufgrund der unterschiedlichen Zustell-Inhalte schlicht nicht nötig; zumal es nicht auf eine räumliche Nähe zum Empfänger ankommt. Und: Wer sollte als "Nachbar" in Betracht kommen? |
Rz. 65
Speziell mit Blick auf Erbfälle wird aber auf § 39 Abs. 4 S. 2 PostG verwiesen, wonach "Auslieferung von Postsendungen an Ersatzempfänger im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit dem Absender" zulässig sind. Die Erben sollen solche Ersatzempfänger sein, die in der gesetzlichen Regelung angesprochen werden. Da eine entsprechende Regelung in § 88 TKG fehle, soll das Fernmeldegeheimnis bei digitaler Kommunikation der "Zustellung" an die Erben entgegenstehen.
Diese Argumentation übersieht einen wichtigen Umstand: Postdienstleister dürfen an Ersatzempfänger nur ausliefern, soweit das von der vertraglichen Vereinbarung mit dem Absender auch vorgesehen ist. Die hier angesprochenen Vereinbarungen mit dem Absender werden von den Postdienstleistern in ihren jeweiligen AGB umgesetzt, etwa in Ziffer 4 Abs. 2 und 3 der "AGB Brief national" der Deutschen Post. Als mögliche Ersatzempfänger werden in den AGB der Postdienstleister die Erben aber gerade nicht benannt. Als Ersatzempfänger benannt sind dort etwa Angehörige des Empfängers, andere in den Räumen des Empfängers anwesende Personen oder Hausbewohner und Nachbarn des Empfängers.
Rz. 66
Gleichwohl ist man sich einig, dass die Postdienstleister den Erben die Post des Erblassers weiterhin zustellen dürfen. Dass die Erben trotzdem nicht als Ersatzempfänger benannt sind, liegt daran, dass sie keine Ersatzempfänger sind. Infolge der Universalsukzession sind sie selbst Empfänger geworden.
Rz. 67
Der immer wieder bemühte Vergleich mit dem Postgeheimnis trägt also nicht. Weder das PostG noch das TKG enthalten eine Regelung, die es den jeweiligen Dienstanbietern gestattet, den Erben Briefe zuzustellen oder Zugang zu den Kommunikationsinhalten des Erblassers zu verschaffen. Gleichwohl hat bisher niemand in Zweifel gezogen, dass die Postdienstleister den Er...