Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 154
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist eine Art Sozialhilfe. In Bezug auf den Prozess-/Verfahrenskostenhilfeantrag ist das Formular gemäß § 117 Abs. 3 und 4 ZPO auszufüllen. Dort sind die persönlichen Daten anzugeben, des Weiteren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Es ist mit der Einreichung zu erklären, dass die Angaben vollständig und richtig sind sowie dass das Formular komplett ausgefüllt und belegt ist. Der Rechtsanwalt, welcher seinem Mandanten dabei behilflich ist, das Formular auszufüllen, kann auf diese Weise prüfen, ob es lückenlos ausgefüllt worden ist. Anlagen sind zu nummerieren und beizufügen. Die Nummern der Belege sind im Antrag anzugeben. Nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO kann das Gericht Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlage von Urkunden zur Glaubhaftmachung anordnen und Auskünfte einholen. Vielfach wird die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten vor Antragstellung verlangt, weil das Gericht prüfen will, ob die Angaben zur Einnahmen- und Ausgabenseite zutreffen. Kommt der Mandant dem nicht nach, kann die Bewilligung von Kostenhilfe verweigert werden, selbst wenn keine konkreten Anhaltspunkte für Falschangaben bestehen.
Rz. 155
Der beauftragte Rechtsanwalt sollte für den Mandanten errechnen, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind (insbesondere, um damit einen Zeitverlust im Hinblick auf die Rechtsverfolgung des Mandanten durch ein absehbar erfolgloses PKH/VKH-Verfahren zu vermeiden). Zur Berechnung oder Überprüfung empfiehlt sich folgendes Grundschema (mit zurzeit geltenden Beträgen gemäß der Bekanntmachung zu § 115 ZPO – Prozesskostenhilfebekanntmachung 2024 – PKHB 2024 – v. 22.12.2023; BGBl I 2023, 403). Auszugehen ist zunächst vom Bruttoeinkommen, von dem Folgendes abzuziehen ist:
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auf das Einkommen entrichtete Steuern, |
▪ |
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und der Beiträge zur Arbeitsförderung, |
▪ |
Beiträge zu Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 EStG, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG nicht überschreiten, |
▪ |
das Arbeitsförderungsgeld und Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts nach § 43 S. 4 SGB IX. |
Berechnungsschema zur Ermittlung des anrechenbaren Einkommens nach § 115 Abs. 1 ZPO:
Nettoarbeitseinkommen des Antragstellers |
[…] EUR |
zuzüglich des Netto-Durchschnittseinkommens aus selbstständiger oder sonstiger Arbeit sowie geldwertes Einkommen |
[…] EUR |
zuzüglich Rente/erhaltener Unterhalt/Arbeitslosengeld |
[…] EUR |
zuzüglich Wohngeld |
[…] EUR |
zuzüglich Kindergeld |
[…] EUR |
zuzüglich sonstiges Einkommen; z.B. geldwerte Vorteile |
[…] EUR |
abzüglich notweniger, berufsbedingter Aufwendungen aus unselbstständiger Tätigkeit |
[…] EUR |
abzüglich angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung |
[…] EUR |
abzüglich gesetzlicher/angemessener Versicherungsbeiträge |
[…] EUR |
abzüglich angemessener Zins- und Tilgungsraten |
[…] EUR |
Tilgungsleistungen zur Eigenheimfinanzierung |
[…] EUR |
abzüglich Freibetrag Erwerbstätige |
251,00 EUR |
abzüglich Freibetrages für PKH beantragende Partei |
552,00 EUR |
abzüglich Freibetrages für zusammenlebenden Ehegatten/Lebenspartner abzüglich eigenen Einkommens |
552,00 EUR |
abzüglich Freibetrages für jede weitere naturalunterhaltsberechtigte Person abzüglich eigenen Einkommens |
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a) Erwachsene |
442,00 EUR |
b) Jugendliche von Beginn des 15. bis Vollendung des 18. Lebensjahres |
462,00 EUR |
c) Kinder von Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres |
383,00 EUR |
d) Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres |
350,00 EUR |
abzüglich pauschalen Mehrbedarfes für Personen mit Ausweis G, Schwangere ab der zwölften Woche, Kranke, Alleinerziehende |
[…] EUR |
abzüglich zu berücksichtigenden gezahlten Barunterhaltes |
[…] EUR |
= einzusetzendes Einkommen nach § 115 Abs. 1 ZPO |
[…] EUR |
Rz. 156
Anhand des einzusetzenden Einkommens ist zu berechnen, ob und ggf. in welcher Höhe eine monatliche Rate an die Landeskasse zu zahlen ist. § 115 Abs. 2 ZPO sieht vor, dass die Hälfte des verbleibenden Einkommens als jeweilige Monatsrate festzusetzen ist. Sie ist auf volle EUR abzurunden. Beträgt die Monatsrate weniger als 10,00 EUR, ist von einer Festsetzung abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600,00 EUR beträgt die Monatsrate 300,00 EUR zuzüglich des Teils des Einkommens, der 600,00 EUR übersteigt, § 113 Abs. 2 S. 3 ZPO: Faktisch liegt die Monatsrate bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600,00 EUR damit in dieser Höhe abzüglich 300,00 EUR.
Rz. 157
Berechnungsbeispiele:
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Das monatliche einzusetzende Nettoeinkommen beträgt 310,00 EUR: |
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Die zu zahlende Monatsrate beläuft sich auf 155,00 EUR (= ½ von 310,00 EUR gemäß § 115 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 ZPO). |
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Das monatliche einzusetzende Nettoeinkommen beträgt 661,00 EUR: |
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Die zu zahlende Monatsrate beläuft sich auf 361,00 EUR (= 300,00 EUR + 61,00 EUR gemäß § 115 Abs. 2 S. 3 ZPO oder einfach: 661,00 EUR ./. 300,... |