Rz. 55

Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist es die Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzulegen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann. Er darf sich nicht ohne Weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen liefert, sondern muss um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne Weiteres ersichtlich ist.[60] Was dabei im Einzelfall geboten ist, hängt von den gesamten Umständen ab, insbesondere dem, was der Mandant begehrt, sowie dem Inhalt des erteilten Mandats.[61]

 

Rz. 56

Nachfragen zur Vervollständigung des Sachverhalts sind also unbedingt angezeigt. Diese sollten sich auch auf etwaige (rechtshindernde, rechtshemmende oder rechtsvernichtende) Einwendungen und Einreden des Anspruchsgegners beziehen. Stets sollte prognostiziert werden, inwieweit mit Verteidigungsmitteln zu rechnen ist und welche – ggf. entgegenstehenden – Hinweise/Mitteilungen der Mandant dazu geben kann.

 

Rz. 57

Es gibt indes keine anwaltliche Pflicht, die Richtigkeit der Informationen des Mandanten zu kontrollieren. Nicht nur der Mandant sollte auf die Integrität und das Fachwissen seines Anwalts vertrauen, auch umgekehrt muss sich dieser darauf verlassen können, dass ihn der Mandant über den Sachverhalt zutreffend informiert und nicht belügt. Praktikabel ist es, den Angaben des Mandanten zu glauben und nicht etwa diese zu bezweifeln. Sollte sich indessen herausstellen, dass die Angaben des Mandanten unzutreffend sind, bleibt dem Rechtsanwalt nichts anderes übrig, als das Mandat umgehend niederzulegen, um keine – versuchte – Beihilfe zum (Prozess-)Betrug zu begehen.

 

Rz. 58

Nachdem rechtlich geprüft ist, ob der Anspruch (bzw. die Verteidigung hiergegen) aussichtsreich ist, und die Beweislastfragen geklärt sind, ist der Mandant hierüber zu beraten. Die Verpflichtung des Rechtsanwalts, seinen Mandanten grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten und, falls eine Klage nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, hierauf und auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen, gilt in gleicher Weise auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist. Insbesondere hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass die Rechtsschutzversicherung zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren gemäß §§ 3a ARB, 128 VVG nicht verpflichtet ist.[62]

 

Rz. 59

Darzustellen ist, dass bei streitigen und relevant abweichenden Sachverhaltswiedergaben der Kontrahenten letztendlich die Überzeugung des Gerichts entscheidend ist. Um das Prozessrisiko und damit das wirtschaftliche Risiko eines Gerichtsverfahrens (und auch einer etwaigen späteren Zwangsvollstreckung) weiter eingrenzen zu können, kann die Beweissituation schon vorprozessual – ergänzend – aufgeklärt werden.

[60] BGH, Urt. v. 7.2.2002 – IX ZR 209/00, juris Rn 11 = NJW 2002, 1413 f.; BGH, Urt. v. 20.6.1996 – IX ZR 106/95, juris = NJW 1996, 2929, 2931 f.
[61] BGH, Urt. v. 7.2.2002 – IX ZR 209/00, juris Rn 12 = NJW 2002, 1413 f.: Der Rechtsanwalt braucht sich nicht um die Aufklärung von Vorgängen zu bemühen, die weder nach den vom Auftraggeber erteilten Informationen noch aus Rechtsgründen in einer inneren Beziehung zu dem Sachverhalt stehen, aus dem der Mandant einen Anspruch gegen seinen Vertragspartner herleiten will.
[62] OLG Köln, Urt. v. 3.3.2020 – 9 U 77/19, juris = NJW-RR 2020,673. Der Rechtsanwalt kann auch nicht etwa darauf vertrauen, nicht in Regress genommen zu werden, lediglich, weil er eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung erhalten hat.

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