Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 47
Immer wieder versuchen Rechtsschutzversicherungen, entgegen ursprünglich erteilter Deckungszusage, Rechtsanwälte für einen verlorenen Prozess ihrer Versicherungsnehmer gerichtlich in Regress zu nehmen. Der regelmäßige Vorwurf lautet dann, dass der Rechtsstreit von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe und deshalb der Prozess nicht hätte geführt werden dürfen.
Rz. 48
Weil in solchen Regressfällen Forderungen aus übergegangenem Recht, § 86 VVG, geltend gemacht werden, kommt es für die Frage, ob der Regressanspruch gerechtfertigt ist, auf die zugrundeliegende Mandatsbearbeitung an. Dabei gilt der Grundsatz, dass es allein dem Rechtsanwalt (und nicht etwa dem Sachbearbeiter der Rechtsschutzversicherung) obliegt, seine Tätigkeit so auszurichten, dass der Mandant nicht geschädigt wird. Maßgebend ist zunächst, ob der Rechtsanwalt seine Pflicht zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung des Mandanten nebst verständlicher Darstellung über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits erfüllt hat (es sei denn, der Mandant gibt eindeutig zu erkennen, dass er ohnehin in einer bestimmten Richtung vorgehen will) und ihm den sichersten und gefahrlosesten Weg vorgeschlagen und ihn über mögliche Risiken aufgeklärt hat. Auf diese Weise soll der Mandant selbst zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage sein; dies gilt speziell im Hinblick auf einen in Aussicht genommenen Rechtsstreit. Der Rechtsanwalt muss das ungefähre Ausmaß der Risiken abschätzen und dem Mandanten das Ergebnis mitteilen. Ist danach eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen, ggf. muss er von der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausdrücklich abraten.
Rz. 49
Bedeutungslos ist bei diesen Maßgaben, ob der Mandant rechtsschutzversichert ist oder nicht, denn das Recht des Mandanten, nach entsprechender Beratung durch den Rechtsanwalt eigenverantwortlich über die Einleitung – und Fortführung der Rechtsverfolgung – zu entscheiden, wird durch eine bestehende Rechtsschutzversicherung nicht tangiert. Ein Rechtsanwalt erfüllt daher seine Pflichten aus dem Rechtsanwaltsvertrag gerade nicht dadurch, dass er mit vollständigen und wahrheitsgemäßen Informationen eine Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers erwirkt.
Bei Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung kann sich der Rechtsanwalt daher im Nachhinein nicht auf eine – bestandskräftige – Deckungszusage berufen, weil eine derartige, aussichtslose Rechtsverfolgung nicht im Interesse eines vernünftig urteilenden Mandanten liegt, sondern – laut höchstrichterlicher Rechtsprechung – allein dem (Gebühren-)Interesse des Rechtsanwalts dient. Hierzu wird – laut BGH – ein vernünftig urteilender Mandant den Deckungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung nicht einsetzen. Die Annahme eines (Kosten-)Schadens des Mandanten infolge einer Beratungspflichtverletzung des Rechtsanwalts ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Mandant nur einen Auftrag unter der Bedingung einer Deckungszusage erteilt hat.
Rz. 50
Praxistipp
Ein von der Rechtsschutzversicherung im Regressprozess in Anspruch genommener Rechtsanwalt kann gegen den Versicherungsnehmer – seinen ehemaligen Mandanten – eine isolierte Drittwiderklage mit dem Antrag auf negative Feststellung erheben, dass jenem keine Ansprüche zustehen. Auf diese Weise könnte zumindest – wenn dies zielführend erscheint – der ehemalige Mandant als Zeuge ausgeschaltet werden.