Rz. 23

Der Rechtsanwalt muss für den rechtzeitigen Zugang seiner Post, ausnahmsweise auch für das rechtzeitige Absenden bei einer gesetzlich vorgesehenen Absendefrist (§§ 121 Abs. 1 S. 2, 355 Abs. 1 S. 5 BGB), sorgen.

 

Rz. 24

Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wird eine Willenserklärung unter Abwesenden erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam. Diese Regelung birgt für den Absender Haftungsrisiken, denn der Zugang muss so rechtzeitig erfolgen, dass auch damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger die Willenserklärung vor Fristablauf zur Kenntnis nimmt.

 

Rz. 25

Der Vorteil des Verwendens einer Postzustellungsurkunde nach § 182 ZPO ist ihre Beweiskraft gemäß §§ 415, 418 ZPO. Willenserklärungen können auch gemäß § 132 Abs. 1 BGB durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, insbesondere wenn sein Mandant eine Zugangsvereitelung befürchtet, diesen sicheren Weg zu gehen.

 

Rz. 26

Das Zustellen eines Schriftstücks unter Anwälten erfolgt regelmäßig gegen anwaltliches Empfangsbekenntnis, welches dem Brief beigefügt wird und nach Erhalt durch den gegnerischen Anwalt zu unterzeichnen und zurückzureichen ist.

 

Rz. 27

Der Einwurf in den Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme zu rechnen ist. Kann ein Einschreibebrief wegen Abwesenheit des Empfängers nicht zugestellt werden, ist er auch dann nicht zugegangen, wenn der Postbote einen Benachrichtigungszettel hinterlässt. Allerdings muss sich der Empfänger gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als habe er den Brief erhalten, wenn er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen musste. Holt der Empfänger die abholbereite Einschreibesendung trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht ab, obwohl ihm das möglich wäre, wird der Zugang fingiert.

 

Rz. 28

Ein Telefax gilt als zugegangen, sobald mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, also bei privaten Anschlüssen am Tag des Ausdrucks, bei geschäftlichen Anschlüssen mit dem Ausdruck während der Geschäftsstunden, im Übrigen mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn. Wer (als potenzieller Empfänger) auf seinen Telefax-Anschluss hinweist, hat sicherzustellen, dass das Gerät einsatzbereit ist, insbesondere Papier im Speicher ist.[25]

 

Rz. 29

Spezielle gesetzliche Regelungen zur Abgabe und zum Zugang elektronisch übermittelter Willenserklärungen nach §§ 126a, 126b BGB fehlen.[26] Grundsätzlich gelten die Regeln für den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden.[27] Eine elektronisch übermittelte Willenserklärung ist dem Empfänger nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen, wenn sie für den Empfänger abrufbar gespeichert wurde, sei es in dessen eigener Datenverarbeitungsanlage, sei es in dessen Mailbox bei seinem Mailserver.[28] Weitere Voraussetzung ist aber, dass der elektronische Briefkasten vom Empfänger auch für rechtsgeschäftliche Erklärungen bestimmt wurde.[29] Diese Widmung ist bei einem Verbraucher noch nicht deshalb gegeben, weil er auf seinem Briefkopf seine E-Mail-Adresse angibt. Versendet er hingegen rechtsgeschäftliche Erklärungen von einer E-Mail-Adresse aus, muss er damit rechnen, dass er unter dieser Adresse auch Erklärungen jedenfalls vom ursprünglichen Erklärungsempfänger erhält.[30]

[25] Palandt/Ellenberger, 79. Aufl. 2020, § 130 BGB Rn 7.
[26] Wurde die Erklärung ohne Willen des Rechtsanwalts abgesandt, z.B. weil die Rechtsanwaltsfachangestellte die im Ausgangsfach (vermeintlich) fertig gespeicherte und signierte E-Mail versandt hat, gilt die Erklärung nach den allgemeinen Regeln als nicht abgegeben und ist damit unwirksam. Eventuell kann der Empfänger Ersatz seines Vertrauensschadens analog § 122 BGB verlangen; Staudinger/Hertel (2012), § 126a BGB Rn 48.
[27] BT-Drucks 14/4987, 11.
[28] BT-Drucks 14/4987, 11 unter Verweis auf BGHZ 67, 271, 275 = NJW 1977, 194; Staudinger/Hertel (2017) BGB § 126a Rn 50.
[29] BT-Drucks 14/4987 S. 11.
[30] Staudinger/Hertel (2017), § 126a BGB Rn 50.

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