Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 26
Der Rechtsanwalt muss für den rechtzeitigen Zugang seiner Post, ausnahmsweise auch für das rechtzeitige Absenden bei einer gesetzlich vorgesehenen Absendefrist, §§ 121 Abs. 1 S. 2, 355 Abs. 1 S. 5 BGB, sorgen.
Rz. 27
Weil gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB eine Willenserklärung unter Abwesenden erst mit dem Zugang beim Empfänger wirksam wird, bestehen auch deshalb für den Absender Haftungsrisiken, wenn eine Frist zu wahren ist, denn der Zugang muss so rechtzeitig erfolgen, dass auch damit gerechnet werden kann, dass der Empfänger die Willenserklärung vor Fristablauf zur Kenntnis nimmt.
Rz. 28
Des Weiteren ist für den Nachweis des Zugangs einer relevanten Willenserklärung zu sorgen.
Der Vorteil des Verwendens einer Postzustellungsurkunde nach § 182 ZPO ist ihre Beweiskraft gemäß §§ 415, 418 ZPO. Beim Einschreiben mit Rückschein begründet der Rückschein den Anscheinsbeweis für den Zugang; der Inhalt des Schreibens bleibt vom Erklärenden zu beweisen. Willenserklärungen können auch gemäß § 132 Abs. 1 BGB durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, insbesondere wenn sein Mandant eine Zugangsvereitelung befürchtet, diesen sicheren Weg zu gehen. Ein sicherer Zugangsnachweis besteht in der Briefübergabe per Boten gegen Empfangsbekenntnis.
Rz. 29
Der Einwurf in den Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme zu rechnen ist. Kann ein Einschreibebrief wegen Abwesenheit des Empfängers nicht zugestellt werden, ist er auch dann nicht zugegangen, wenn der Postbote einen Benachrichtigungszettel hinterlässt. Allerdings muss sich der Empfänger gemäß § 242 BGB so behandeln lassen, als habe er den Brief erhalten, wenn er mit dem Eingang rechtsgeschäftlicher Erklärungen rechnen musste. Holt der Empfänger die abholbereite Einschreibesendung trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht ab, obwohl ihm das möglich wäre, wird der Zugang fingiert.
Rz. 30
Beim Telefax begründet das Sendeprotokoll keinen Anscheinsbeweis für den Zugang. Ein Sendeprotokoll mit OK-Vermerk bestätigt aber das Zustandekommen der Verbindung mit der Empfänger-Nummer und zwingt diesen im Fall seines Bestreitens des Zugangs, nähere Angaben zu seiner Empfangseinrichtung zu machen. Ein Telefax gilt als zugegangen, sobald mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist, also bei privaten Anschlüssen am Tag des Ausdrucks, bei geschäftlichen Anschlüssen mit dem Ausdruck während der Geschäftsstunden, im Übrigen mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn. Wer (als potenzieller Empfänger) auf seinen Telefax-Anschluss hinweist, hat sicherzustellen, dass das Gerät einsatzbereit ist, insbesondere Papier im Speicher ist.
Rz. 31
Spezielle gesetzliche Regelungen zur Abgabe und zum Zugang elektronisch übermittelter Willenserklärungen nach §§ 126a, 126b BGB fehlen. Grundsätzlich gelten die Regeln für den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden. Eine elektronisch übermittelte Willenserklärung ist dem Empfänger nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen, wenn sie für den Empfänger abrufbar gespeichert wurde, sei es in dessen eigener Datenverarbeitungsanlage, sei es in dessen Mailbox bei seinem Mailserver. Den Absender einer E-Mail trifft gemäß § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Dass die E-Mail zur Kenntnis genommen worden ist, kann durch das Anfordern einer Lesebestätigung sichergestellt werden. Im Übrigen gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung:
Zitat
Der von einem Empfänger für den Empfang von E-Mail-Nachrichten genutzte Mailserver ist jedenfalls dann, wenn der Empfänger durch Veröffentlichung der E-Mail-Adresse oder sonstige Erklärungen im Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringt, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abzuschließen, als sein Machtbereich anzusehen, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können.
Elektronische Willenserklärungen in Form von E-Mails werden als Datei gespeichert von dem Mailserver des Absenders an den Mailserver des Empfängers weitergeleitet. Dieser wird über den Eingang der E-Mail unterrichtet. In diesem Zeitpunkt ist der Empfänger in der Lage, die E-Mail-Nachricht abzurufen und auf seinem Endgerät anzeigen zu lassen (...). Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.“
Weitere Voraussetzung ist aber, dass der elektronische Briefkasten vom Empfänger auch für rechtsgeschäftliche Erklärungen bestimmt wurde. Diese Widmung ist bei einem Verbraucher noch nicht deshalb gegeben, weil er auf seinem Briefkopf seine E-Mail-Adresse angibt. Versendet er hingegen rechtsgeschäftliche Erklärungen von einer E-Mail-Adresse aus, muss er damit rechnen, dass er unter dieser Adresse auch Erklärungen jedenfalls vom ursprünglichen Erklärungsempfänger erhält.
Rz. 32
Während das Zustellen eines Schriftstücks unter Anwälten bis zur Einführung des beA regelmäßig gegen anwaltliches Empfangsbeken...