1. Bedeutung
a) Neue Systematik
Rz. 104
Die Kostenlast aller Wohnungseigentümer für bauliche Veränderungen war auch früher nicht die Regel. § 16 Abs. 6 S. 1 WEG a.F. nahm ähnlich wie nun § 21 Abs. 3 S. 1 WEG die Wohnungseigentümer von der Kostenlast aus, die der baulichen Veränderung nicht zugestimmt hatten. Allerdings formulierte § 16 Abs. 6 S. 2 WEG a.F. wiederum eine Rückausnahme für Maßnahmen gemäß § 16 Abs. 4 WEG a.F. Dieses komplizierte System vereinfacht § 21 Abs. 2 S. 1 WEG erheblich. Danach haben grundsätzlich alle Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile die Kosten baulicher Veränderungen zu tragen, die mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden oder ihre Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums wieder einspielen.
b) Konkurrenzen
Rz. 105
Die Einschränkung in der Einleitung von § 21 Abs. 2 S. 1 WEG ("vorbehaltlich des Absatzes 1") zeigt, dass die genannte Vorschrift vorgeht. Die in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG genannten Maßnahmen dürfen somit nicht auf Verlangen einzelner Wohnungseigentümer vorgenommen worden sein. Dabei ist es gleichgültig ist, ob ein Anspruch nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–4 WEG bestand oder ob sie ohne Anspruch nur auf Verlangen eines Wohnungseigentümers gestattet wurden. Von allen Wohnungseigentümern sind also auch die Kosten von Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG nur dann zu tragen, wenn sie auf dem Willen der Mehrheit beruhen. Im Ergebnis können einzelne Wohnungseigentümer die Durchführung baulicher Veränderungen auf Kosten der Gesamtgemeinschaft nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG nicht erzwingen, selbst wenn sie zugleich nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG privilegiert sind. Gegen den Willen der anderen können nur die Beschlüsse über ihre Gestattung und Durchführung ersetzt werden, wobei es aber bei der Kostenlast nach § 21 Abs. 1 S. 1 WEG bleibt.
Rz. 106
Praxistipp
Der Wohnungseigentümer, der eine § 20 Abs. 2 S. 1 WEG unterfallende bauliche Veränderung wünscht, tut also gut daran, diese nur anzuregen und um Mehrheiten zu werben. Denn das Zustandekommen des Beschlusses – auf sein Verlangen oder durch Willen der Mehrheit – entscheidet über die Kostenlast.
2. Beschluss mit doppelt qualifizierter Mehrheit (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG)
a) Sinn der Regelung
Rz. 107
Die ursprünglich in § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG als Tatbestand einer Kostenverteilung auf alle Wohnungseigentümer vorgesehene Anpassung an den Zustand vergleichbarer Anlagen ist vom Rechtsausschuss ersatzlos gestrichen worden. Stattdessen stellt § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG nunmehr auf eine doppelt qualifizierte Mehrheit ab. Wurde die bauliche Veränderung mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile beschlossen, fallen ihre Kosten grundsätzlich allen Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zur Last. Der Gesetzgeber setzt dabei darauf, dass eine bauliche Veränderung, die mit der doppelt qualifizierten Mehrheit beschlossen wird, typischerweise sinnvoll ist. Allerdings ist auch bei Erreichen dieser Mehrheit § 21 Abs. 1 WEG vorrangig. Für eine auf Verlangen gestattete oder beschlossene bauliche Veränderung bleibt also der sie beanspruchende Wohnungseigentümer kostenpflichtig, selbst wenn der Beschluss auf sein Verlangen mit großer Mehrheit gefasst wird.
b) Mehrheitserfordernisse
Rz. 108
Die qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen bemisst sich mangels Verweises auf § 25 Abs. 2 WEG nach der in der Gemeinschaftsordnung vorgesehenen Stimmkraft, also nur dann nach Köpfen, wenn dies dort bestimmt oder keine von § 25 Abs. 2 WEG abweichende Regelung getroffen wurde. Maßgeblich ist ferner nur die Mehrheit der abgegebenen, nicht aller Stimmen, so dass Enthaltungen oder nicht abstimmende Miteigentümer unberücksichtigt bleiben.
c) Risiken
Rz. 109
Die Kostenverteilungsregelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG birgt erhebliche Risiken, da sie vom Erreichen der doppelt qualifizierten Mehrheit abhängt, was üblicherweise nicht sicher prognostizierbar ist. Selbst bei einem knappen Verfehlen dieser Mehrheiten droht also eine Kostenverteilung nach § 21 Abs. 3 WEG nur auf die dem Beschluss zustimmenden Wohnungseigentümer. Die Gesetzesmaterialien schlagen daher zu Recht vor, "den Beschluss über die bauliche Veränderung unter die Bedingung einer entsprechenden Kostentragung zu stellen." Dann wird die bauliche Veränderung nur beschlossen, wenn auch mit der doppelt qualifizierten Mehrheit die Kostenbeteiligung aller Wohnungseigentümer feststeht.
Rz. 110
Praxistipp
Diese Gestaltung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG wirft zudem völlig neue verfahrensrechtliche Probleme auf, wenn sich der Versammlungsleiter bei den Mehrheitsverhältnissen täuscht. Denn der Beschluss über die bauliche Veränderung kann mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden und ist wirksam, auch wenn der Versammlungsleiter zu Unrecht das Zustandekommen der doppelt qualifizierten Mehrheit verneint. Mithin kann eine diesbezüglich falsche Beschlussverkündung weder mit der Anfechtungsklage noch mit der Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 WEG angegriffen werden, wenn das Zustandekommen des Beschlusses als solches k...