1. Sinn der Vorschrift
a) Gesetzlicher Ausschluss von Nutzungsmöglichkeiten
Rz. 125
Die Entscheidung gegen eine bauliche Veränderung kann auf Erwägungen beruhen, die sich überholen. Etwa die Verbesserung der Technik im Rahmen der E-Mobilität kann dazu führen, dass ein Wohnungseigentümer die Beteiligung an der Lademöglichkeit für sinnvoll befindet, die er ursprünglich für überflüssig gehalten und daher nicht verlangt hat. Ebenso kann er etwa infolge eines Unfalls die Nutzung eines mehrheitlich beschlossenen Aufzugs wünschen, dem er ursprünglich nicht zugestimmt hat. In diesen Fällen ist er jedoch nach § 21 Abs. 1 S. 2 WEG bzw. § 21 Abs. 3 S. 2 WEG von der Nutzung ausgeschlossen. Die Zementierung dieses Ausschlusses will § 21 Abs. 4 WEG verhindern und zugleich denjenigen, die die bauliche Veränderung finanziert haben, einen Ausgleich gewähren.
b) Beschlossener Ausschluss von Nutzungsmöglichkeiten
Rz. 126
Dieselbe Möglichkeit will § 21 Abs. 4 WEG ausweislich der Gesetzesbegründung auch dann eröffnen, wenn der Ausschluss von der Nutzungsmöglichkeit auf einem Beschluss nach § 21 Abs. 5 WEG beruht. In der Sache handelt es sich also um die Normierung eines Anspruchs auf Abänderung eines Beschlusses.
c) Verzicht auf die Nutzung baulicher Veränderungen?
Rz. 127
Den umgekehrten Weg eines Verzichts auf die Nutzung baulicher Veränderungen sieht das Gesetz jedenfalls nicht durch einseitiges Verlangen einer entsprechenden Änderung vor. Das ist auch konsequent, da dann die zur Tragung der Folgekosten einer baulichen Veränderung Verpflichteten fortfielen. Derjenige, der eine bauliche Veränderung veranlasst oder mitbeschlossen hat, muss also damit rechnen, dass er und seine (Sonder)rechtsnachfolger auf unbegrenzte Zeit mit den Folgekosten belastet bleiben, unabhängig davon, ob eine Nutzung der baulichen Veränderung für sie noch sinnvoll ist. Die einseitig nicht mögliche Änderung von Nutzungen und Kosten kann aber durch Beschluss nach § 21 Abs. 5 S. 1 WEG erfolgen.
2. Verlangen
a) Gemeinschaftsbezogener Vorgang
Rz. 128
§ 21 Abs. 4 S. 1 WEG gestaltet die Möglichkeit zur nachträglichen Beteiligung an den Nutzungen einer baulichen Veränderung nicht als Anspruch gegenüber den aktuellen Nutzungsberechtigten, sondern als Verlangen gegenüber der Gemeinschaft aus. Diese im Hinblick auf exklusive Finanzierung und Nutzung auf den ersten Blick überraschende Lösung rechtfertigt sich dadurch, dass immerhin gemeinschaftliches Eigentum betroffen ist, über dessen Veränderung ursprünglich ebenfalls Beschluss zu fassen war. Eine Absprache zwischen ursprünglichem Nutzer und neuem Nutzungswilligen hat somit gegenüber der Gemeinschaft keine Wirkung. Insbesondere kann auf der Grundlage einer solchen bilateralen Absprache weder der ursprüngliche Nutzer eine Verringerung seiner Kosten noch die Gemeinschaft eine Kostenbeteiligung vom neuen Nutzer verlangen. Umgekehrt folgt aus der gemeinschaftsbezogenen Lösung, dass der bisher exklusiv zur Nutzung Berechtigte die Erweiterung der Nutzungsbefugnis nicht unter Aufrechterhaltung seiner alleinigen Kostentragung verhindern kann.
b) Anspruch auf eine Beschlussfassung
Rz. 129
Mit dem "Verlangen" einer "Gestattung" gemäß § 21 Abs. 4 S. 1 WEG knüpft der Gesetzgeber an den Wortlaut des § 20 Abs. 1 WEG an. Rechtstechnisch erfolgt die Ausdehnung von Nutzungsberechtigung und Kostenbeteiligung somit durch einen Anspruch auf eine entsprechende Beschlussfassung. Über einen diesbezüglichen Beschlussantrag sind alle Wohnungseigentümer stimmberechtigt, nicht nur die bisherigen Nutzer der baulichen Veränderung. Kommt ein positiver Beschluss nicht zustande, kann ihn der Nutzungswillige im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzen lassen.
3. Inhalt des Beschlusses
a) Nutzung nach billigem Ermessen
Rz. 130
Der Beschluss spricht dem betroffenen Wohnungseigentümer das Recht zu, die bauliche Veränderung mitzubenutzen. Er regelt, sofern problematisch, auch den Umfang der begehrten Nutzung, die nach § 21 Abs. 4 S. 1 WEG billigem Ermessen entsprechen muss. Dies spielt vorrangig bei Kapazitätsproblemen eine Rolle. Dabei räumen die Gesetzesmaterialien den ursprünglich Nutzungsberechtigten keinen Vorrang ein. Insbesondere darf die Mitbenutzung nicht aus Kapazitätsgründen abgelehnt werden. Vielmehr sollen, ähnlich wie bei ursprünglichen Kapazitätsproblemen, Regelungen getroffen werden, die bestimmen, wer die bauliche Veränderung wann benutzen darf. Dabei sind ursprüngliche und neu hinzukommende Nutzer gleich zu behandeln. Bestehen keine Kapazitätsprobleme, kann auf eine Regelung des Nutzungsumfangs verzichtet werden. Entstehen sie nachträglich, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, den ursprünglichen Beschluss um eine solche Regelung des Nutzungsumfangs zu erweitern.
b) Angemessener Ausgleich
Rz. 131
Im Ausgleich für die nachträgliche Mitbenutzung muss der neue Nutzer einen "angemessenen Ausgleich" leisten. Er ist in dem Beschluss über die Gestattung der Mitbenutzung festzusetzen. Die Gesetzesmaterialien befassen sich ausgiebig mit seiner Höhe. So verlangen sie durchaus nachvollziehbar, dass die Kosten von Errichtung und Erhalt der baulichen Veränderung mit Ausnahme von Betriebskosten ebenso zu berücksichtigen sind wie ein bis zur Zeit der Beschlussfassung eingetretener Wertverlust. Der Ausgleich ist a...