I. Steuerliche Anerkennung einer unwirksamen Verfügung von Todes wegen
Rz. 38
Zivilrechtlich können die Beteiligten aus einer nichtigen Verfügung von Todes wegen keine Rechte ableiten. Es greift grundsätzlich – sofern keine andere wirksame Verfügung vorliegt – die gesetzliche Erbfolge.
Rz. 39
Steuerlich hingegen ist jede Unwirksamkeit für die Besteuerung unerheblich, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis der Verfügung umsetzen, wobei der Grund für die Unwirksamkeit – sei es wegen Formmängeln, fehlender Testierfreiheit oder wegen Testier- bzw. Geschäftsunfähigkeit –unbeachtlich ist. Dem liegt der in § 41 AO normierte Grundsatz zugrunde, dass die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Die steuerliche Anerkennung gilt aber nur, soweit die Durchführung der unwirksamen Verfügung von den Beteiligten betrieben wird. "Soweit" bedeutet dabei "in dem Maße wie", so dass die unwirksame Verfügung bei nur teilweiser Umsetzung entsprechend im Umfang der Durchführung steuerlich berücksichtigt werden muss. Ein schenkungsteuerpflichtiger Verzicht bei nur teilweiser Umsetzung kann nicht vorliegen, da der Verzichtende – anders als bei einer wirksamen Verfügung von Todes wegen – nicht von einer zivilrechtlich gesicherten Position Abstand nimmt.
Hinweis
Die Erbschaftsteuer entsteht i.S.d. § 9 ErbStG (siehe § 9 Rdn 1 ff.>) bei einer formunwirksamen Verfügung nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung deren Erfüllung, was unter anderem im Rahmen der Berücksichtigung früherer Erwerbe i.S.d. § 14 ErbStG (siehe § 7 Rdn 1 ff.>) erhebliche Effekte haben kann.
Rz. 40
Die Umsetzung darf nicht ausschließlich die eigenen Vorstellungen der Beteiligten verwirklichen. Es muss mithin überhaupt eine (wenn auch unwirksame) Verfügung von Todes wegen vorliegen und der darin zum Ausdruck kommende Erblasserwille muss von den Hinterbliebenen zumindest teilweise vollzogen werden. Es reicht jedenfalls aus, wenn die Verfügung zumindest entsprechende Andeutungen enthält. Zur Beweisvorsorge gegenüber dem Finanzamt kann es sich empfehlen, den zugrundeliegenden Sachverhalt und die Umsetzung in einer notariellen Urkunde niederzulegen.
II. Steuerliche Anerkennung einer nur mündlichen Verfügung von Todes wegen
Rz. 41
Da auch Formmängel unbeachtlich sind, reicht für die steuerliche Anerkennung nach Ansicht des BFH grundsätzlich (sogar) eine nur mündliche Erklärung des Erblassers als Verfügung aus. Dies gilt auch, wenn sich der Erblasser der Unwirksamkeit seiner Verfügung bewusst war. Die Auskehrung – diese muss dem Finanzamt in der Praxis nachgewiesen werden – eines (nur) mündlich angeordneten Vermächtnisses führt mithin insbesondere zu dessen Abzugsfähigkeit als Nachlassverbindlichkeit beim Erben i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG.
Rz. 42
Eine mündliche Erklärung, mit der ein Erblasser nur einen Wunsch geäußert hat, dessen Erfüllung oder Nichterfüllung dem Ermessen des Erklärungsempfängers unterstellt ist, reicht für eine steuerliche Anerkennung nicht aus. Gleiches gilt, wenn es sich bei der mündlichen Erklärung nur um eine Vorüberlegung ohne definitiven Inhalt zur Nachlassregelung gehandelt hat.
Rz. 43
Die Feststellungslast bezüglich der Frage, ob eine mündliche Anordnung tatsächlich den letzten Willen des Erblassers repräsentiert, trifft den Steuerpflichtigen, wenn er (z.B. bei einem mündlichen Vermächtnis) dieses als Nachlassverbindlichkeit bei seinem Erwerb i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG in Abzug bringen will. Will das Finanzamt hingegen aus einer unwirksamen Verfügung von Todes wegen einen Erbschaftsteueranspruch gegen einen Erwerber (der tatsächlich nichts erhalten hat) begründen, trifft die Feststellungslast die Finanzbehörde.
Hinweis
Sofern Zweifel betreffend der Anerkennung eines (zivilrechtlich unwirksamen) mündlichen Vermächtnisses durch das Finanzamt bestehen, kann eine entsprechende ungewollte Besteuerung des (steuerlich missglückten) Auskehrungsvorgangs (nämlich neben der Erbschaftbesteuerung beim Erben die Schenkungsbesteuerung beim Erwerber) vermieden werden, indem eine Steuerklausel (siehe § 1 Rdn 110>) vorgesehen wird. Soweit ein Steuerbescheid ergeht, der die steuerliche Anerkennung der Auskehrung versagt, kann so eine ungewollte Schenkungsteuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (teilweise) storniert werden.
Rz. 44
Die Erbschaftsteuer entsteht i.S.d. § 9 ErbStG (siehe § 9 Rdn 1 ff.>) bei einer formunwirksamen Verfügung nicht – auch nicht rückwirkend – mit dem Tod des Erblassers, sondern erst mit der Erfüllung deren Erfüllung, ...