Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 114
Fraglich ist die Bedeutung von § 121 Abs. 3 ZPO, wonach ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, muss kein Rechtsanwalt am Sitz des Gerichts gewählt werden. Es kommt auf den Gerichtsbezirk an. Fahrtkosten, die für die Fahrt vom Sitz der Kanzlei zum Gericht entstehen, stehen einer Beiordnung also nicht zwingend im Wege.
Beispiel
Wittingen gehört zur örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Braunschweig. Für eine Fahrt zum Arbeitsgericht Braunschweig erhält der in Wittingen wohnende und dort seine Kanzlei betreibende Rechtsanwalt 70 km Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld erstattet.
Rz. 115
Bei auswärtigen Kollegen, die ihren Sitz nicht im Gerichtsbezirk haben, sind Fahrtkosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe erstattungsfähig, wenn diese bei einem Anwalt mit Sitz im Gerichtsbezirk auch von der Landeskasse zu tragen sind.
Beispiel
Lehrte gehört zur örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Hannover. Für eine Fahrt zum Arbeitsgericht Braunschweig erhält der in Lehrte wohnende und dort seine Kanzlei betreibende Rechtsanwalt 50 km Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld erstattet, weil er keine weiteren Kosten als ein Anwalt aus dem Gerichtsbezirk verursacht.
Rz. 116
Das Oberlandesgericht Oldenburg lässt es noch offen, ob grundsätzlich auch ein nicht am Gerichtsort ansässiger Rechtsanwalt beigeordnet werden kann oder ob eine derartige Beiordnung weiterhin nur dann erfolgen kann, wenn eine verständige vermögende Partei einen solchen Rechtsanwalt beauftragen würde. Angesichts der Häufigkeit der Kontaktaufnahme zwischen Mandant und Anwalt, der "Marktmacht" des Mandanten vor Ort und der Ungewissheit, ob es überhaupt zu einem auswärtigen Gerichtstermin kommen wird, suchen auch vermögende Mandanten in der Regel den Anwalt in ihrer Nähe.
Rz. 117
Jedenfalls kann eine Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwaltes nur dann zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolgen, wenn dieser dazu zuvor sein Einverständnis erklärt hat. Dafür spricht auch § 49b Abs. 1 BRAO i.V.m. § 4 RVG, wonach der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren nicht geringere als die gesetzlichen Gebühren und Auslagen vereinbaren oder fordern darf. Soweit der Rechtsanwalt der Bedürftigkeit seines Auftraggebers durch Erlass von Gebühren oder Auslagen Rechnung tragen will, darf er dies erst gemäß § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO nach Erledigung des Auftrags. Auf der anderen Seite soll der Rechtsanwalt auch von seiner Partei keine Reisekosten verlangen dürfen.
Rz. 118
Danach bleibt die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt nach den gesetzlichen Gebühren oder gar nicht beigeordnet wird. Wenn die bedürftige Partei vor der Beiordnung dem Rechtsanwalt ihres Vertrauens einen Vorschuss gezahlt hat, den er nach § 58 RVG auf die gesetzlichen Gebühren und Auslagen verrechnen kann, kann der Rechtsanwalt auch sein Einverständnis mit der Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erklären. Schließlich mag auch ein weiterer örtlicher Anwalt gefunden werden können, der zur gemeinsamen Mandatsbearbeitung mit dem auswärtigen Kollegen bereit ist (§ 49b Abs. 3 S. 5 BRAO).
Rz. 119
Die Einschränkung der Vertragsfreiheit in Fällen der Ortsverschiedenheit von prozesskostenarmer Partei und Gericht ist nicht interessengerecht, ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hinsichtlich Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fraglich. Warum soll die prozesskostenarme Partei auf eigene Kosten zum auswärtigen Rechtsanwalt fahren dürfen, aber dem eigenen Anwalt die Fahrtkosten für die gleiche Fahrt nicht ersetzen dürfen?
Rz. 120
Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts ist daher nicht stets abzulehnen, wenn Reisekosten entstehen. Es müssen zu erwartende Kosten und Kostenersparnisse miteinander verglichen werden. Unter Umständen kann der auswärtige Anwalt beigeordnet werden, wenn dadurch ein Verkehrsanwalt eingespart werden kann.
Rz. 121
Gegen eine beschränkte Beiordnung kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht Beschwerde erheben. Hat der Anwalt jedoch zuvor sein Einverständnis mit der Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erklärt, fehlt ihm das Rechtsschutzinteresse für das Einlegen einer Beschwerde.