Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beiordnung eines nicht ortsansässigen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einschränkung der Beiordnung eines nicht am Gerichtsort niedergelassenen Rechtsanwalts zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts verstößt gegen § 121 Abs. 3 ZPO in der seit dem 01.06.2007 geltenden Fassung.
2. Für eine Einschränkung der Beiordnung eines nicht am Ort, aber im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts zu den Bedingungen eines beim Prozessgericht ortsansässigen Rechtsanwalts fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Beschluss vom 15.06.2009; Aktenzeichen 37 Ca 5605/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalts B. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.06.2009 – 37 Ca 5605/09 – teilweise abgeändert und dessen Ziffer 4. aufgehoben.
Tatbestand
I.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger für eine Kündigungsschutzklage mit Beschluss vom 15.06.2009 rückwirkend zum 29.05.2009 Prozesskostenhilfe ohne Pflicht zur Ratenzahlung bewilligt und ihm Rechtsanwalt B. beigeordnet. Außerdem heißt es in Ziffer 4. dieses Beschlusses: „4. Reisekosten sowie Tage- und Übernachtungsgelder des nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts werden nicht erstattet.”
Gegen den nicht begründeten und nicht förmlich zugestellten Beschluss hat der beigeordnete Rechtsanwalt am 22.06.2009 Beschwerde eingelegt, mit der er sich gegen Ziffer 4. des Beschlusses vom 15.06.2009 wendet.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28.07.2009 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung führt es aus, die Ablehnung der Erstattung von Reise- und Fahrtkosten begründe sich auf § 121 Abs. 3 ZPO, nach dem ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden könne, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstünden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde des dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalts B., die als sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO auszulegen ist, ist zulässig und begründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG statthaft und wurde frist- und formgerecht eingelegt, §§ 127 Abs. 2 Satz 3, 569 Abs. 2 ZPO. Obwohl dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Wahlanwalt beigeordnet wurde, ist der beigeordnete Rechtsanwalt durch die angegriffene Entscheidung beschwert. Denn das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht in vollem Umfang entsprochen, sondern dem Kläger abweichend von dessen Antrag Rechtsanwalt B. ohne dessen Einverständnis nur mit der Einschränkung beigeordnet, dass „Reisekosten sowie Tage- und Übernachtungsgelder des nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts (…) nicht erstattet” werden und damit dessen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse beschränkt, § 48 Abs. 1 RVG (BAG 18.07.2005 – 3 AZB 65/03 – AP ZPO § 121 Nr. 3; vgl. zur Beschwer von Partei und beigeordnetem Rechtsanwalt auch Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 127 Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 127 Rn. 71, 74; Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 121 Rn. 11).
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Denn es fehlt an einer Rechtsgrundlage, den Vergütungsanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts, der in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, in dem Beiordnungsbeschluss zu beschränken. Die gegenteilige Auffassung des Arbeitsgerichts beruht auf der Anwendung der seit dem 01.06.2007 nicht mehr geltenden früheren Fassung des § 121 Abs. 3 ZPO und der Verkennung des Gerichtsbezirks des Arbeitsgerichts München.
a) Durch die gesetzliche Verknüpfung des Erstattungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts mit dem Beiordnungsbeschluss in § 48 Abs. 1 RVG ist zwar klargestellt, dass durch den Beiordnungsbeschluss Eingriffe in Gebührenansprüche des Rechtsanwalts ermöglicht werden sollen (BAG 18.07.2005, aaO., Rn. 10). Derartige Eingriffe sind nach § 11 a Abs. 3 ArbGG in Verbindung mit § 121 Abs. 3 ZPO aber nur in dem dort erlaubten Umfang zulässig. Nach § 121 Abs. 3 ZPO in der seit dem 01.06.2007 geltenden Fassung kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Auf eine „Zulassung” bei dem Prozessgericht – wie sie § 121 Abs. 3 ZPO a. F. vorsah und die wegen der auch nach altem Recht fehlenden Möglichkeit der Zulassung bei einem Gericht für Arbeitssachen im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Abstellen auf die Ansässigkeit des Rechtsanwalts am Ort des Gerichts bedeutete (vgl. dazu BAG 18.07.2005, aaO., Rn. 8) – kommt es damit nach neuem Recht nicht mehr an. Ein Rechtsanwalt, der seinen Kanzleisitz zwar nicht am Ort, aber im Bezirk des Gerichts hat, kann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 121 Abs. 3 ZPO n. F. nicht als auswärtiger Anwalt im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden (ebenso LAG Köln 15.06.20...