Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 92
Das Beratungshilfegesetz gewährt Rechtsuchenden auch Beratungshilfe in den Angelegenheiten, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind (§ 2 Abs. 2 BerHG). Beratungshilfe wird für die Beratung (nicht nur für eine Erstberatung) und "soweit erforderlich" für eine Vertretung geleistet. Den Begriff der Erforderlichkeit definiert § 2 Abs. 1 Satz 2 BerHG dahingehend, dass diese vorliegt, wenn der Rechtsuchende nach einer Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.
Rz. 93
Keine Beratungshilfe wird gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 2 BerHG gewährt, wenn andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. Bei Bedürftigen gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1 BerHG scheidet in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten die Gewährung von Beratungshilfe in der Regel aus, wenn ein Gewerkschaftsmitglied beraten werden will. Dieses kann sich an seine Gewerkschaft wenden. Neben dem satzungsgemäßen Austrittsrecht kann eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB i.V.m. der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten negativen Koalitionsfreiheit zulässig sein und zum Verlust der Möglichkeit des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes führen. Eine andere Möglichkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Ziff. 2 BerHG ist bei Gewerkschaftsmitgliedern nicht vorhanden, wenn die Gewerkschaft aufgrund von Zahlungsverzug ihres Mitglieds leistungsfrei ist. Weiterhin wird keine Beratungshilfe gewährt, wenn das Inanspruchnehmen von Beratungshilfe durch den Bedürftigen gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 3 BerHG mutwillig erscheint, solange keine Verletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit erfolgt.
Rz. 94
Nicht gewährt wird Beratungshilfe für das Beantragen von Beratungshilfe. Ein Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe muss gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BerHG auch in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten beim Amtsgericht gestellt werden. Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, für den Rechtsuchenden Beratungshilfe zu beantragen. § 6 Abs. 2 BerHG lässt es lediglich zu, dass der Rechtsuchende sich wegen Beratungshilfe unmittelbar an einen Rechtsanwalt wendet und den Antrag nachträglich stellt. Allerdings gilt es in diesen Fällen, die Frist von vier Wochen aus § 6 Abs. 2 S. 2 BerHG zu beachten. In Fällen der nachträglichen Antragstellung muss der Rechtsanwalt entscheiden, ob er für den Mandanten kostengünstig Rechtsrat erteilen will oder ob er den Mandanten zunächst darauf verweist, sich selbst um Beratungshilfe zu bemühen. Wenn der Rechtsanwalt sogleich Rechtsrat erteilen will, muss er zusätzlich die (staatliche) Aufgabe übernehmen, die Bedürftigkeit des Mandanten kritisch zu prüfen, § 4 Abs. 6 BerHG.
Rz. 95
Der Rechtsanwalt ist nach § 49a Abs. 1 BRAO verpflichtet, Beratungshilfe zu übernehmen. Nur im Einzelfall kann er aus wichtigem Grund ablehnen. Auch muss der Rechtsanwalt einen erkennbar Bedürftigen auf die Möglichkeit der Beratungshilfe verweisen.
Praxistipp
Wenn sich ein Bedürftiger an einen Rechtsanwalt wendet und im Rahmen der Beratungshilfe beraten und eventuell vertreten werden möchte, kann der Rechtsanwalt seine Tätigkeit von der Vorlage eines Berechtigungsscheins abhängig machen.
Rz. 96
Wenn der Rechtsanwalt den Bedürftigen auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hingewiesen hat und er gleichwohl seine sofortige Beratung wünscht, verdient der Rechtsanwalt für diese Beratung die gesetzliche Vergütung, wenn nicht innerhalb von vier Wochen nachträglich Beratungshilfe (durch den Mandanten) beantragt wird, § 6 Abs. 2 BerHG. Ob er sie auch vereinnahmen kann, ist eine andere Frage. Nur die (nachträgliche) Bewilligung von Beratungshilfe bewirkt, dass der Rechtsanwalt seinen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung nicht geltend machen kann, § 8 Abs. 2 BerHG. Der Anwalt bekommt bei nachträglicher Bewilligung nur die Vergütung nach dem Beratungshilfegesetz nebst der Beratungshilfegebühr nach § 44 S. 2 RVG i.V.m. Nr. 2500.
Rz. 97
Von dem Rechtsuchenden, dem Beratungshilfe gewährt wird, kann der Rechtsanwalt nach Nr. 2500 VV eine Beratungshilfegebühr von 15 EUR verlangen. Auslagen oder eine Auslagenpauschale können nicht zusätzlich verlangt werden. Dies hat der Gesetzgeber mit der Anmerkung zu Nr. 2500 VV geregelt. Damit ist in dem Betrag von 15 EUR die Umsatzsteuer enthalten, denn das Vergütungsverzeichnis behandelt im Teil 7 die Umsatzsteuer als Auslage. Dort ist in Nr. 7008 VV der Grundsatz normiert, dass der Rechtsanwalt die Umsatzsteuer zusätzlich zu seiner Vergütung verlangen kann. Nr. 2500 VV enthält eine Ausnahme.
Rz. 98
Legt der Rechtsuchende einen Berechtigungsschein vor, ist darin aufgeführt, in welcher Angelegenheit der Berechtigungsschein erteilt wird ("unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit", § 6 Abs. 1 BerHG). Unstreitig ist, dass der Berechtigungsschein für eine Angelegenheit gilt. Nach zutreffender Auffassung ist der Begriff der Angelegenheit im BerHG der glei...