Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 161
Neben prozessualen Erstattungsansprüchen gibt es materiell-rechtliche Vorschriften, aufgrund derer die Erstattung von Anwaltskosten verlangt werden kann. Millionenfach wird dies bei Verkehrsunfällen praktiziert. Der Geschädigte kann grundsätzlich vom Schädiger auch die Kosten ersetzt verlangen, die dadurch entstanden sind, dass er sich zur Schadensregulierung eines Rechtsanwaltes bedient hat.
Rz. 162
Fraglich ist, ob im Arbeitsrecht die prozessuale Bestimmung des § 12a ArbGG solchen materiell-rechtlichen Ersatzansprüchen entgegensteht.
Rz. 163
Nach der einhelligen Rechtsprechung der Instanzgerichte und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entfaltet § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG materiell-rechtliche Wirkungen und schränkt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein. Der Annahme eines nach materiell-rechtlichen Normen ersatzfähigen Schadens steht in Höhe der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG entgegen.
Rz. 164
§ 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist in der Rechtsprechung des BAG wie die Vorläuferbestimmung in § 61 Abs. 1 S. 2 ArbGG 1953 dahingehend verstanden worden, dass nicht nur ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch wegen der erstinstanzlich entstandenen Kosten eines Prozessbevollmächtigten, sondern auch ein entsprechender materiell-rechtlicher Anspruch ausgeschlossen ist. Gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG "besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten". Damit ist bereits dem Wortlaut nach jeder Kostenerstattungsanspruch unabhängig von seiner Anspruchsgrundlage und folglich auch ein materiell-rechtlich begründeter Kostenerstattungsanspruch entsprechend gemindert.
Rz. 165
Der gesetzliche Ausschluss der Kostenerstattung wegen Zeitversäumnis und Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten ist verfassungsrechtlich unbedenklich und wird nicht durch andere Normen eingeschränkt. Insbesondere können nicht allgemein auf § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB gestützte Schadensersatzansprüche von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgenommen werden. Insofern könnte allenfalls eine teleologische Reduktion des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG in Betracht gezogen werden, wenn die Anwendung der Norm zu zweckwidrigen Ergebnissen führte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn gerade der teilweise Ausschluss der Kostenerstattung der "Verbilligung" des Arbeitsrechtsstreits entgegenwirkte. Eine derartige Konstellation wäre festzustellen, wenn die Regelung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG bewusst missbraucht würde, um dem Gegner konkreten Schaden zuzufügen. Der Rechtsstreit müsste dazu in der Absicht geführt werden, dem Gegner die Kosten seines Prozessbevollmächtigten aufzubürden. Auf diese Rechtsprechung hat sich die Praxis eingestellt. Sie wird nicht in Frage gestellt.
Rz. 166
Unbefriedigend ist dies in den Fällen, in denen zwar der Verdacht oder der erste Anschein besteht, dass der Ausschluss der Kostenerstattung missbraucht wird, dies aber vom Arbeitnehmer weder darzulegen noch zu beweisen ist. Hierzu zählen beispielsweise die Fälle, in denen ein Arbeitgeber gezielt die Insolvenz ansteuert, für die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes sorgt und die von den Arbeitnehmern geschaffenen Leistungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet. Hier wird den Arbeitnehmern bewusst ihre Vergütung vorenthalten, ohne dass sie letztlich geschädigt werden, zumindest nicht erheblich. Lässt sich der Arbeitnehmer jedoch in der Krise des Arbeitgebers beraten oder vertreten, zahlt er die Anwaltskosten ohne Aussicht auf Kostenerstattung. Auch dies weiß der Arbeitgeber von vornherein.
Rz. 167
Problematisch ist diese Rechtsprechung auch in Mobbingfällen oder wenn der Arbeitnehmer "gekocht" werden soll. Nach der Kündigung des Arbeitgebers folgt die vom Arbeitnehmer finanzierte Kündigungsschutzklage und nach der Güteverhandlung die Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber. Hier verliert der Arbeitnehmer entweder seinen Arbeitsplatz, wenn er nicht klagt, oder durch den Ausschluss der Kostenerstattung im Ergebnis ein knappes Monats-Nettoentgelt, weil die Anwaltskosten regelmäßig diese Höhe erreichen.
Rz. 168
Solche Fallkonstellationen sollte der Gesetzgeber aufgreifen und differenzierte Lösungen der Praxis ermöglichen. Gedacht werden kann an die Einräumung richterlichen Ermessens oder an die Einführung eines Schadensersatzanspruches wegen Rechtsmissbrauchs.
Rz. 169
Weil nach geltendem Recht der im erstinstanzlichen Urteilsverfahren obsiegende Arbeitsvertragspartner die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht erstattet bekommt und auch der deliktisch geschädigte Arbeitsvertragspartner die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht ersetzt bekommt, ist zu fragen, ob der Pfändungsgläubiger eines Arbeitsvertragspartners die Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten ersetzt bekommen kann.
Rz. 170
Diese Frage wird vom Bundesarbeitsgericht bejaht, wenn der Pfändungsgläubiger nicht obsiegt. Ausgangspunkt der Überlegu...