Rz. 356
Der Antrag auf Scheidung der Ehe kann wegen des in § 114 Abs. 1 FamFG normierten Anwaltszwangs von den Beteiligten nicht selbst rechtswirksam gestellt werden, sondern ist erst dann zulässig, wenn er von einem Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigtem für den Antragsteller gestellt wird.
Rz. 357
Die Zustimmung zur Scheidung hingegen ist ohne Verfahrensbevollmächtigten möglich. § 114 Abs. 4 Nr. 3 FamFG sieht explizit eine Ausnahme vom Anwaltszwang in den Fällen vor, in denen lediglich die Zustimmung zur Scheidung oder zur Rücknahme des Scheidungsantrags sowie für den Widerruf der Zustimmung zur Scheidung erteilt werden soll. Deshalb kann es in Fällen, in denen sich die beteiligten Ehegatten über alle wesentlichen Punkte, die Ehescheidung betreffend, einig sind und auch im Versorgungsausgleich wegen Anwartschaften in gleicher Höhe keine Probleme zu erwarten sind, aus Kostengründen durchaus in Erwägung gezogen werden, dass sich nur einer der Ehegatten im Scheidungsverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt.
Rz. 358
Es kann dann aber zu rechtlichen Benachteiligungen des "anwaltlosen" Ehegatten kommen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Ehegatte, der den Scheidungsantrag gestellt hat, denselben zurücknimmt. Eine Rücknahme des Scheidungsantrags ist in jeder Instanz bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Antragsgegners möglich, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Verbindung mit § 269 ZPO. Eine mündliche Verhandlung wiederum beginnt durch wechselseitige Antragstellung der Verfahrensbeteiligten. Da der "anwaltlose" Ehegatte aber keine rechtswirksamen Verfahrensanträge stellen, sondern nur angehört werden kann, § 128 Abs. FamFG, fehlt es in dem vorgenannten Fall an einer mündlichen Verhandlung. Das hat zur Folge, dass der Antragsteller den Scheidungsantrag noch in der Beschwerdeinstanz ohne Zustimmung des Antragsgegners zurücknehmen, der Antragsgegner dies nicht einmal durch Verweigerung der Zustimmung verhindern kann. Möchte der Antragsteller seinen Scheidungsantrag zurücknehmen, kann er dies tun – egal in welcher Instanz und sogar noch nach Erlass des Beschlusses, solange dieser noch nicht rechtskräftig ist. Einer Beschwerde mit dem Ziel, den eigenen Scheidungsantrag zurückzunehmen, bedarf es nicht. Im Gegenteil hätte das zur Folge, dass für ein Beschwerdeverfahren keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden würde, da sie mutwillig im Sinne § 113 Abs. 1 FamFG, § 114 S. 1 ZPO wäre.
Rz. 359
Die vorgenannte Konstellation ist von Bedeutung, da mit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, also dessen Zustellung an den Antragsgegner gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO, "Stichtage" entstehen. Diese Stichtage sind für die Berechnung von Ansprüchen bei Auseinandersetzung der Ehe, so zum Beispiel bei Zugewinnausgleichsansprüchen für das Endvermögen gemäß § 1384 BGB oder im Rahmen des Versorgungsausgleichs für die Bestimmung des Ehezeitendes gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG.
Rz. 360
Wird ein Scheidungsantrag von dem Antragsteller ohne Zustimmungserfordernis des Ehegatten zurückgenommen, obwohl der Antrag bereits zugestellt worden war, kann sich die Höhe der eventuell entstandenen Ausgleichsansprüche wegen Verschiebung des für die Berechnung erheblichen Stichtags ändern, vielleicht zum Nachteil des Antragsgegners. Und der Antragsgegner hat hierauf keinen Einfluss, kann die für ihn eventuell nachteiligen Folgen nicht verhindern. Er kann sich nur dadurch schützen, indem er selbst ebenfalls Scheidungsantrag stellt. Das aber setzt eine anwaltliche Vertretung voraus.
Rz. 361
Hinweis
Für die Stellung des Scheidungsantrags bedarf es der anwaltlichen Vertretung.
Keiner anwaltlichen Vertretung bedarf es bei der Zustimmung zur Scheidung.
Wird der Antragsgegner, der dem Scheidungsantrag lediglich zustimmen möchte, nicht anwaltlich vertreten, können ihm rechtliche Nachteile entstehen.