Rz. 433
Aus der gesetzlichen Konstruktion des § 1565 Abs. 2 BGB als Ausnahmetatbestand folgt, dass in der Regel eine Scheidung erst möglich ist, wenn die Ehegatten mindestens ein Jahr voneinander getrennt leben. Trifft dies zu, kommt es für den Inhalt der Antragsschrift, also für die Darlegungs- und Beweislast, darauf an, ob die Ehegatten einvernehmlich die Scheidung verlangen, oder ob dies auf nur einen Ehegatten zutrifft.
aa) Einvernehmliche Scheidung
Rz. 434
Gemäß § 1566 Abs. 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und entweder beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Diese für den Antragsteller geltende Beweiserleichterung gilt nur bei einer derartig einvernehmlichen Scheidung.
Rz. 435
Die Zustimmung ist gegenüber dem Gericht zu erklären (§ 134 Abs. 1 FamFG) und ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung frei widerruflich (§ 134 Abs. 2 S. 1 FamFG). Es besteht hinsichtlich der Zustimmung kein Anwaltszwang (§ 114 Abs. 4 Nr. 3 FamFG). Es können auch beide Ehegatten unabhängig voneinander Scheidungsantrag einreichen. Der durch die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages bestimmte Stichtag richtet sich dann nach der zeitlich ersten der zwei Zustellungen.
Rz. 436
Liegen die Voraussetzungen einer einverständlichen Scheidung vor, hat die Beweisregel des § 1566 Abs. 1 BGB zur Folge, dass das Gericht die tatsächliche Zerrüttung der Ehe nicht mehr prüfen darf. Dementsprechend verschmälert sich der notwendige Sachvortrag des Antragstellers im Scheidungsantrag zum "Gescheitertsein". Der Antragsteller hat lediglich vorzutragen, dass die Ehegatten seit einem Jahr voneinander getrennt leben und die Scheidung im gegenseitigen Einverständnis beantragt wird. Er hat entweder die Zustimmung des anderen Ehegatten zum Scheidungsantrag anzukündigen oder aber in Aussicht zu stellen, dass auch der andere Ehegatte Scheidungsantrag einreichen wird.
Rz. 437
Hinweis
Leben die Ehegatten seit einem Jahr voneinander getrennt und wollen sich beide scheiden lassen (einverständliche Scheidung), wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.
Der Sachvortrag des Antragstellers in der Antragsschrift zum "Gescheitertsein" wird reduziert auf die Ausführung, dass die Ehegatten seit einem Jahr voneinander getrennt leben und dass die Scheidung im gegenseitigen Einverständnis beantragt wird, indem entweder die Zustimmung des anderen Ehegatten zum Scheidungsantrag angekündigt oder aber darauf verwiesen wird, dass auch der andere Ehegatte Scheidungsantrag einreichen wird.
bb) Streitige Scheidung
Rz. 438
Hält ein Ehegatte an der Ehe fest, kann zwar keine einverständliche Scheidung angenommen werden, reicht aber nicht aus, der Annahme des "Gescheitertseins" der Ehe und damit einer Scheidung nicht entgegenzustehen. Dann handelt es sich um eine streitige (Ent-)Scheidung, in der die normalen Beweislastregeln zur Anwendung kommen, und nicht mehr die Beweiserleichterung des § 1566 Abs. 1 BGB. Dementsprechend genügt es für den Sachvortrag des Antragstellers im Scheidungsantrag nicht mehr, auf eine einverständliche Scheidung zu verweisen. Der Antragsteller muss explizit zu dem Punkt "Gescheitertsein" vortragen und unter Umständen Beweis für einzelne Tatsachen antreten. Zwingend ist das Datum der Trennung zu nennen und Beweis dafür anzutreten, dass die Ehegatten seit einem Jahr voneinander getrennt leben.
Rz. 439
Daneben hat er zusätzlich die Tatsachen vorzutragen, die dem Gericht die Analyse der ehelichen Lebensgemeinschaft sowie die für die Entscheidung notwendige Prognose ermöglichen. Das setzt Vortrag zu den ehelichen Lebensverhältnissen, zu Ursachen und Anlass der Trennung sowie zu den etwaigen weiteren Ursachen für die empfundene unheilbare Zerrüttung in so umfassender Weise voraus, dass das Gericht selbst den Schluss auf den endgültigen Verlust der ehelichen Gesinnung nachvollziehen kann. Insgesamt muss aus dem Verhalten und den glaubhaften Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten entnommen werden können, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen.
Rz. 440
Hinweis
Es steht der Scheidung nicht entgegen, wenn sich nur ein Ehegatte scheiden lassen möchte, der andere aber nicht.
Im Scheidungsantrag ist dann aber, anders als bei der einverständlichen Scheidung, explizit dazu vorzutragen, dass die Ehe gescheitert ist, und dafür ist Beweis anzutreten.
Für den Vortrag zum Gescheitertsein ist es notwendig, dass das Datum der Trennung genannt wird und ein Vortrag zu den ehelichen Lebensverhältnisses erfolgt sowie zusätzlich die erforderlichen Beweisantritte.