Rz. 87

Der Anspruch des den Haushalt ganz oder zum Teil führenden Ehegatten auf Familienunterhalt ist grundsätzlich nicht auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, sondern auf Naturalleistungen wie freies Wohnen etc., aber auch darauf, Wirtschaftsgeld treuhänderisch für die gesamte Familie zu erhalten, und entsprechend zu verwenden.

Der Unterhalt anderer Berechtigter wie etwa getrennt lebende oder geschiedene frühere Ehepartner oder nicht im Haushalt des Pflichtigen lebende eheliche oder nichteheliche Kinder, ist durch Zahlung einer Geldrente zu leisten.

Konkurrieren solche Ansprüche mit denen auf Leistung von Familienunterhalt, ist insgesamt eine Veranschlagung der einzelnen Ansprüche in Geld vorzunehmen und auf die einzelnen Mitglieder zu verteilen.

 

Rz. 88

Eine Konkurrenzsituation zwischen Familienunterhalt und Kindesunterhalt ist nur dann vorhanden, wenn das Kind außerhalb des ansonsten gemeinsamen Haushaltes lebt. Ist dies nicht der Fall, müssen alle Familienmitglieder mit den vorhandenen finanziellen Mitteln auskommen.

Reichen die Mittel für die Familie nicht aus, muss auch der einvernehmlich den Haushalt führende Ehegatte eine Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise aufnehmen, um die Notlage zu beseitigen. Die – grundsätzlich – gleichwertige Haushaltstätigkeit gegenüber der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten genießt in den Fällen außerhalb einer Notlage Vertrauensschutz.

Im Falle der Unterhaltsberechtigung eines früheren und eines jetzigen Ehegatten war vor Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 1.1.2008 der frühere Ehegatte vorrangig. Der zweite Ehegatte blieb unberücksichtigt, wenn das zur Verfügung stehende Einkommen nicht für den vollen Unterhaltsanspruch der ersten Ehefrau gereicht hat. Nunmehr kommt es nicht auf die zeitliche Priorität der Eheschließung an, sondern darauf, in welchem Grad eine Bedürftigkeit und damit einhergehend eine erschwerte Möglichkeit vorhanden ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.

 

Rz. 89

Danach lautet die Rangfolge wie folgt:

1.

Rang, § 1609 Nr. 1 BGB

Minderjährige unverheiratete Kinder
volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden, § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB
2.

Rang, § 1609 Nr. 2 BGB

Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Falle der Scheidung wären sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer
3.

Rang, § 1609 Nr. 3 BGB

Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nr. 2 fallen
4.

Rang, § 1609 Nr. 4 BGB

Volljährige und minderjährige verheiratete Kinder
5.

Rang, § 1609 Nr. 5 BGB

Enkelkinder und weitere Abkömmlinge
6.

Rang, § 1609 Nr. 6 BGB

Eltern
7.

Rang, § 1609 Nr. 7 BGB

Weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die näheren den entfernteren vor.
 

Rz. 90

Insgesamt ist es daher möglich, dass der geschiedene Ehegatte gegenüber dem neuen Ehegatten nachrangig, vorrangig oder gleichrangig ist.

Dies wirkt sich nicht aus, solange der Unterhaltsverpflichtete in der Lage ist, aus seinem Einkommen sämtliche Unterhaltsansprüche der Berechtigten zu bedienen. Ist dies jedoch nicht der Fall, liegt also ein Mangelfall vor, wirkt sich ein etwaiger Vorrang aus.

Zunächst ist daher in einer Unterhaltsberechnung die Höhe eines jeden Unterhaltsanspruchs zu ermitteln. Sodann ist anhand des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu prüfen.[110] Im Falle – teilweiser – Leistungsunfähigkeit ist sodann der Rang der jeweiligen Unterhaltsberechtigten festzustellen und zu entscheiden, in welchem Umfang der jeweilige Anspruch realisiert werden kann.

Früher hatte der BGH[111] den Bedarf bei Konkurrenz mehrerer unterhaltsberechtigter Ehegatten im Wege der Dreiteilung berechnet, also mit einem Drittel des Gesamteinkommens des Verpflichteten und beider Unterhaltsberechtigter bemessen.

Das Bundesverfassungsgericht[112] hatte sodann jedoch diese Methode zur Berechnung des Bedarfs für verfassungswidrig erklärt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts muss bei Veränderungen nach der Scheidung die Entwicklung in den – vorangegangenen – ehelichen Lebensverhältnissen angelegt sein. Eine nachfolgende Ehe konnte danach nicht von der vorangegangenen Ehe geprägt sein, weil die neue Eheschließung wesensnotwendig die Scheidung der vorangehenden Ehe voraussetzt.

Damit darf der Unterhaltsbedarf der ersten – geschiedenen – Ehefrau nicht von der Einkommenssituation der zweiten Ehefrau abhängen.

 

Rz. 91

Dies bedeutet nunmehr: Der Unterhaltsbedarf des ersten Ehegatten ist isoliert als Quotenunterhalt[113] auf der Basis der Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten zur Zeit der Scheidung zu berechnen. Verfügt nur der Unterhaltsverpflichtete über Einkommen, ist ein Halb seines bereinigten Einkommens als Bedarf des ersten Ehegatten einzusetzen. Verfügt der geschiedene Ehegatte über eigene Einkünfte, sind di...

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